Toruń: Das Mainz Polens

Die Winterferien meines ersten ERASMUS-Semesters in Toruń/Thorn neigen sich dem Ende zu. Zeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen.

Toruń
Vielleicht fange ich mal damit an, wo ich bin. Immer, wenn ich irgendjemandem in Deutschland erzähle, dass ich ein Auslandsjahr in Torun mache, kann ich sicher sein, dass ich einen fragenden Blick ernte. Zugegeben, ich wusste früher auch nichts von Toruń. Dabei ist es im Grunde das Mainz Polens. Es hat 200.000 Einwohner, Nikolaus Kopernikus als Äquivalent zu Gutenberg und man kann dort Buchwissenschaft studieren (mein Nebenfach, für das ich die selben Blicke ernte wie für Toruń).

Warum Toruń?
Als ich mir meinen Studienort ausgewählt habe, waren das auch die Gründe für meine Wahl (na gut, Kopernikus war kein Grund). Ich wollte in keine Großstadt wie Warschau oder Krakau, sondern das „wahre Polen“ kennenlernen. Als meine Polnischlehrerin über Toruń meinte, es hätte ein „Flair wie Trier“, hat mich das zwar eher abgeschreckt, aber ein bisschen keimte in mir die Hoffnung, der ERASMUS-Blase zu entkommen und tatsächlich Polen kennenzulernen.

ERASMUS-Studierende
Soviel zur Theorie. Es kam natürlich anders. ERASMUS-Studierende sind überall, so auch in Toruń. Netterweise hat man „uns“ zusammen in die Wohnheime gesteckt. Also spreche ich im Wohnheim leider mehr Englisch auf GER-Niveau BE (Broken ERASMUS) als Polnisch.
Aber die vielen ERASMUS-Studierenden (um die 150?) haben auch Vorteile. Es gab eine gut organisierte Einführungswoche und einige Lehrveranstaltungen auf Englisch. Dazu werden vom ERASMUS Student Network (ESN) immer wieder Veranstaltungen organisiert: ein Wochenendausflug nach Danzig, Besuch des örtlichen Lebkuchenmuseums und natürlich Partys. Die Partys nutzen sich dabei ziemlich schnell ab, wenn man kein besonderes Faible für Electro-Charts mit Schwerpunkt auf Latin Pop (Despacito!) hat.
Was sich mir noch nicht erschlossen hat ist, warum so viele ERASMUS-Studierende aus der Türkei in Toruń sind. Circa die Hälfte meiner Mitstudierenden kommen aus der Türkei. Das hat mich eher etwas verwundert, da ich entweder größere westeuropäische Länder wie Frankreich oder Italien oder eben slawischsprachige Länder erwartet hätte. Hinzu kommt, dass Polen - zumindest in den deutschen Medien - als nicht besonders islamfreundlich gilt (siehe Weigerung, Geflüchtete aufzunehmen). Nach kurzer Recherche hat sich herausgestellt, dass Studierende aus der Türkei tatsächlich die größte Gruppe unter den ERASMUS-Studierenden in Polen darstellen. Laut Erasmus+ Annual Report 2016 kommen von insgesamt 14 600 Studierenden 3 800 aus der Türkei, dicht gefolgt von 3300 Spaniern. Dann kommt lange nichts bis Frankreich, Deutschland, Italien und Portugal mit um die 1 000 Studierenden auftauchen. Außerdem durfte ich im Internet lernen, dass die Beziehungen zwischen den momentanen Regierungen der Türkei und Polens ziemlich gut sind. Mir fällt dazu spontan die Nachricht vom Sommer letzten Jahres ein, dass in Polen und der Türkei die Evolutionstheorie aus den Lehrplänen verschwinden solle (Kommentar im DLF Kultur: „Das sind einfach dumme Leute, die das Sagen haben“). Die Verständnisse von Rechtsstaatlichkeit liegen bei AKP und PiS ja auch nicht sonderlich weit auseinander. Ob das Einfluss auf die ERASMUS-Partnerschaften der Unis hat? *tiefschürfende politische Analyse Ende*

Uni-Leben
Vom Uni-Betrieb habe ich bisher nur aus der ERASMUS-Perspektive etwas mitbekommen, da alle meine Veranstaltungen auf Englisch waren. Das Lehrniveau war ERASMUS-gerecht und der Unterricht fand frontal statt. Da es nicht allzu viele geschichtswissenschaftliche Veranstaltungen und keine zur Buchwissenschaft gab, habe ich meinen Stundenplan ziemlich querbeet gefüllt. So finden sich neben Food History, Sociology of Gender und Political Philosophy Veranstaltungen zur Zooarchaeology und Transformations of the Polar Regions. Auch spannend.

Polnisch und „die Polen“
Natürlich hatte ich bisher nicht nur mit ERASMUS-Studierenden zu tun. Neben dem ESN kümmern sich einige Mentor_innen um die Belange der Studierenden. Das war meine Chance, mal etwas Polnisch zu sprechen. Auch wenn mein Polnisch noch so jako tako (so lala) ist, freuen sich eigentlich alle, wenn sie mitbekommen, dass man Polnisch lernt. Die Mühe machen sich nämlich von den ERASMUS-Leuten nur die Wenigsten. Auch, wenn ich nicht alles verstehe und Probleme habe, mich auszudrücken, glaube ich, dass man einen etwas anderen Zugang zu „den Polen“ bekommt. Ein Beispiel: Ich kam gerade zur Rezeption des Wohnheims, wo wir immer unsere Schlüssel abgeben müssen, wenn wir das Wohnheim verlassen, und sie beim Betreten wieder mitnehmen können. Mein türkischer Flatmate wollte gerade wieder rein, hatte aber seinen Bewohnerausweis vergessen, sprach nur gebrochen Englisch und die Rezeptionistin gar nicht. Ich konnte ihr dann kurz auf Polnisch erklären, dass er mein Mitbewohner sei und die Karte vergessen habe. Wenn ich das Folgende von ihr richtig verstanden habe, hat sie sich ziemlich bei mir über die ausländischen Studierenden ausgekotzt. Wie solle das funktionieren, wenn keiner seinen Bewohnerausweis dabeihätte und noch nicht mal seine Zimmernummer auf Polnisch sagen könne, sie kenne die ganzen Gesichter doch noch gar nicht, und hier könne dann ja jeder ein- und ausgehen, hier sind ja sowieso so viele Ausländer und in so einem Land leben wir mittlerweile, jaja… Ich war etwas überfordert mit der Situation, einerseits inhaltlich, andererseits sprachlich. Aber vielleicht hatte ich noch ein As im Ärmel. Ich schaute nachdenklich und seufzte „trudno…“. Übersetzt heißt das soviel wie „schwer“, aber wenn ich es richtig verstanden habe, drückt es mehr eine gewisse pessimistische Geisteshaltung aus, und bedeutet soviel wie „So ist das Leben“ oder „Da kann man nichts machen“. Ich weiß nicht, wie genau das bei der Rezeptionistin ankam, aber sie fing an verlegen zu lachen, entschuldigte sich und machte Anstalten, dass wir jetzt gehen könnten.
Hatte ich da gerade „die wahren Polen“ getroffen? Immer am Nörgeln und leicht pessimistisch, wie es uns schon im interkulturellen Workshop in der Einführungswoche erklärt wurde? Und dazu leicht ausländerfeindlich?
Ich weiß es nicht. Diese Anekdote kann ich gut erzählen, wenn ich gefragt werde, wie die Polen denn so drauf sind, gerade hat man ja den Marsch der Rechten am Unabhängigkeitstag in Warschau gesehen, jaja, das passt ja. Aber bis auf diese eine Anekdote hatte ich bisher nicht viel mit „den Polen“ zu tun. Ich hatte vor allem etwas mit polnischen Studenten zu tun, die sich für den internationalen Austausch engagieren. Und die entsprechen überhaupt nicht den Klischees. Zwei Studenten haben direkt beim ersten Treffen erzählt, dass sie schwul sind und eine Studentin hat mir erklärt, warum sie den Czarny Protest, Demonstrationen gegen das Abtreibungsverbot, unterstützt. In Polen bin ich anscheinend genauso in meiner liberalen Studentenblase wie in Deutschland (wo ich auch noch keine AfD-Wähler getroffen habe).

Bisheriges Fazit
Wenn ich so Zwischenbilanz ziehe, muss ich sagen, dass mein erstes Semester in Toruń auf jeden Fall spannend war und viel Spaß gemacht hat, aber ich auf jeden Fall noch mehr will. Mein Polnisch hat noch keine Luftsprünge gemacht, ich habe noch keine Lehrveranstaltungen auf Polnisch besucht, war doch auch viel im Wohnheim und habe gelesen oder mich am PC bespaßt. Das habe ich irgendwo unter „Einleben“ verbucht. Jetzt fühle ich mich gesettled und kann noch ´ne Schippe drauflegen. Schauen wir mal, wie morgen meine erste Veranstaltung auf Polnisch läuft: Dziedzictwo kulturowe średniowiecznej Europy.

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+ + + Restplätze für die 2. Nachrückerphase im ERASMUS+-Programm für das Studienjahr 2018/19 + + +

Es gibt noch freie ERASMUS-Plätze im Studienjahr 2018/19 (Stand: 24.01.2018)! Nachrücker mögen sich bitte umgehend mit Dr. Pia Nordblom (nordblom@uni-mainz.de) in Verbindung setzen.

Belgien: Antwerpen
Bulgarien: Sofia
Estland: Tallinn
Finnland: Turku
Frankreich: Brest, Clermont-Ferrand, Dijon, Paris, Tours
Griechenland: Athen, Thessaloniki, Ioannina
Italien: Bologna, Florenz, Siena, Rom, Verona
Irland: Galway (9 Monate)
Kroatien: Zagreb
Lettland: Liepaja
Österreich: Graz
Polen: Bydgoszcz, Olsztyn, Posen, Thorn, Krakau
Rumänien: Alba Iulia, Iasi, Sibiu
Spanien: Madrid, Pamplona, Santiago de Compostela, Valencia
Türkei: Istanbul
Ungarn: Budapest
Vereinigtes Königreich: Glasgow (9 Monate)

Vortrag über studentischen Protest in Südafrika

Heute eine Einladung für das befreundete Ethnologische Institut in Mainz:

WAS: #Feesmustfall – studentische/ Jugend-Protestbewegungen in Südafrika und darüberhinaus

WER: Prof. Heike Becker, Department of Anthropology and Sociology, University of the Western Cape

WANN: Montag, 11.12., 18:15-19:45 Uhr

WO: Forum 7 (Johann-Joachim-Becher-Weg 4), 1. Stock, HS 14 (Gr. Übungsraum)

Heike Becker forscht seit einiger Zeit über studentische/ Jugend-Protestbewegungen in verschiedenen afrikanischen Ländern, ausgehend von #Rhodesmustfall und ganz besonders #Feesmustfall in Südafrika. Zu den Gesprächen mit ihren Studierenden hat sie gerade auch auf ihrem Blog geschrieben: http://writer-at-ethnography.com/ „Talking Technologies of Transformation with my Students“. Sie wird über diese besondere Bewegung in Südafrika erzählen und wie diese Bewegung in anderen Ländern, bspw. Burkina Faso, Resonanz gefunden hat.

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Tallinn? Tallinn!

Tere!

Das heißt nicht nur "Hallo" auf Estnisch, sondern ist auch ein super Einstieg in so einen Text. Ansonsten halten sich meine Estnisch-Kenntnisse sehr in Grenzen. Ich kann mich noch bedanken ("Aitäh") und beherrsche das Wort für Käse ("Juust"), was natürlich essentiell für jede Konversation ist. Mehr unbeabsichtigt benutze ich manchmal, wenn ich gerade nicht weiter weiß, auch das Wort für Nacht ("Öö").

Nach diesem kurzen lingualen Exkurs und fulminanten Einstieg ein bisschen mehr zu meiner bisherigen Zeit in Tallinn. Am 24. August ging mein Flieger und ich sagte Mainz und der JGU für ein Semester Lebewohl, um für 5 Monate an der Tallinna Ülikool zu studieren. Ich bin schon ein paar Tage vor dem Semesterstart geflogen, um mir die Stadt ein wenig anzuschauen und - noch viel wichtiger - nach eine Bleibe zu finden. Die Suche von zuhause aus war nämlich nicht allzu erfolgreich gewesen und ich dachte mir auch, dass ich vielleicht etwas cooleres finden kann, wenn ich vor Ort suche und die Stadt schon ein wenig kenne. Im Endeffekt hat das geklappt; ich wohne mit 4 anderen Menschen zusammen in einem schönen Haus mit Garten. Es ist zwar ein Stück außerhalb der Stadt, aber wir hätten kaum mehr Glück haben können. Die Suche hat sich nämlich als schwieriger und anstrengender herausgestellt, als man das vielleicht anfangs angenommen hat. In der Einführungswoche hat sich ziemlich schnell herausgestellt, dass ich nicht die einzige Person war, die sich ohne Perspektive auf ein Dach über dem Kopf in ihr Erasmus-Semester gestürzt hat. Die ersten Kontakte zu knüpfen, ist sowieso nicht sonderlich kompliziert, wenn man sich nicht kennt, aber in der gleichen Situation steckt. Hat man dann noch gemein, dass man völlig verzweifelt nach einer Unterkunft sucht, ist man fast schon seelenverwandt. Lange Rede, kurzer Sinn, zu viert durchforsteten wir das Internet, ließen unsere Handys heiß laufen - auf Mails reagierten die meisten Makler*innen oder Privatpersonen nämlich nicht - und dann, als wir fast schon wieder hätten aufgeben wollen, bekamen wir einen Besichtigungstermin für unser schmuckes Häuschen und hielten keine Stunde später schon die Schlüssel in der Hand. Alles in allem würde ich also sagen, dass sich die ganze Anstrengung durchaus gelohnt hat.

Die Einführungswoche ging entsprechend schnell vorüber. In der darauffolgenden Woche ging es dann los mit meinen Kursen. Da mir für meinen Bachelor-Abschluss nicht mehr allzu viel fehlt, ich also hier nicht wirklich viele "Pflichtkurse" hatte, konnte ich ein wenig nach Lust und Laune meine Veranstaltungen wählen. Und die Auswahl der englischsprachigen Vorlesungen und Seminare ist wirklich bunt gemischt. Eigentlich studiere ich Geschichte und Mathematik auf Lehramt. Zwei Kurse in Geschichte und einen in den Bildungswissenschaften habe ich jetzt auch gewählt. Dazu tummelt sich aber beispielsweise noch Russisch A1 und beispielsweise "Paradigmen der Internationalen Beziehungen", was ich beides mal aus Interesse gewählt habe und bisher nur sagen kann, dass es sich definitiv lohnt, auch mal in andere Sparten reinzuschauen. So ein Erasmus-Semester bietet sich dafür sicherlich an.

Tallinn selbst gefällt mir sehr gut. Die Altstadt ist wirklich traumhaft und daher vor allem am Wochenende voll mit Touris. In der restlichen Stadt findet man ziemlich viele hohe, moderne Glasbauten und breite Straßen, was die Stadt nicht gerade attraktiver macht. Und gerade das ist auch wiederum so spannend. An jeder Ecke, an der man noch Platz findet, werden neue Gebäude hochgezogen oder ältere renoviert. Man merkt, dass diese Stadt ziemlich im Aufschwung steckt. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der wiedererlangten Unabhängigkeit hat sich Estland ziemlich direkt darum bemüht, so schnell wie möglich so "europäisch" wie möglich zu werden. Zumindest ist das mein bisheriger Eindruck aus Estlands Hauptstadt. Geht man etwas aus der Innenstadt heraus, findet man aber auch noch viele Gebäude und Fabriken, die wohl in der Zeit der Estnischen Sozialistischen Sowjetrepublik entstanden sind.

Und hier noch ein paar Bilder

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Placement offer at the International Office of the University of Burgundy

Aus einer Anfrage von unserer Partneruniversität im Burgund (mehr im anhängenden PDF):

Dear partner,

Our International Office is recruiting an international intern for a role between September and December 2017.

The intern must have student status during this internship and must be enrolled in their 3rd year of Bachelor level studies or studying at Master level with a good knowledge of the French language.

The student will help us with administrative and communication tasks related to incoming and outgoing students at the University of Burgundy.

The job includes welcome desk responsibilities and working on events, along with many other interesting tasks.

It is a paid internship (approximately 500 euros/month) and it is possible for students to rent a student room in one of the campus residences.

The application deadline is June 25, 2017.

Please find attached a more detailed copy of the internship offer, in English.

We would greatly appreciate it if you could share this offer with your students or publish it on your website.

Thank you very much for your help.

Kind regards,

Pôle International / International office

Université de Bourgogne / University of Burgundy
Maison de l’Université
Esplanade Erasme
BP 27877 - 21078 Dijon cedex

France

00 33 (0)3 80 39 50 17

BREAKING NEWS +++ Weitere Erasmus-Gelder und Erasmus-Plätze +++

Die EU hat für das Studienjahr 2017/18 zusätzliche Mittel ausgeschüttet. Wir können daher weitere Studierende für ERASMUS-Stipendien nominieren. Interessierte setzen sich bitte umgehend mit Dr. Pia Nordblom in Verbindung. Es stehen noch freie Plätze in Antwerpen, Sofia, Tallinn, Turku,  Brest, Dijon, Tours, Ioannina, Bologna, Florenz, Rom, Siena, Verona, Zagreb, Liepaja, Riga, Graz, Krakau, Olsztyn/Allenstein, Posen, Thorn, Porto, Iasi, Sibiu, Madrid, Pamplona, Santiago de Compostela, Valencia, Budapest und Nikosia zur Verfügung.

¡Saludos desde Madrid! – Eindrücke von meinem Auslandssemester in Madrid

¡Hola a todos!

Mein Name ist Lara und ich würde meine Erasmus Erfahrung in Madrid gerne mit euch teilen.

Seit September befinde ich mich schon in dieser schönen Stadt. Bisher hatte ich das Glück viele Orte zu entdecken und neue Leute kennenzulernen. Warum ich mich für Madrid entschied? Hier ist immer viel los, die Leute sind sehr offen, die Stadt bietet stets Unterhaltung und die Hauptstadt liegt ziemlich zentral auf der Iberischen Halbinsel (dies ermöglicht eine gute Anbindung zu anderen interessanten Ausflugszielen in Spanien). Außerdem befindet sich hier eine der berühmtesten und größten spanischen Universitäten: die Universidad Complutense de Madrid (UCM).

Zu Beginn meiner Auslandserfahrung war es mühsam mich in der neuen Umgebung heimisch zu fühlen. Obwohl ich die Sprache schon sehr gut beherrsche und spanische Wurzeln besitze, war es kompliziert mich hier zurechtzufinden. Anfangs waren alle Gesichter neu, eines meiner geplanten Kurse fand dieses Semester nicht statt, andere Kurse überschnitten sich, es war schwer mit spanischen Studenten in Kontakt zu kommen und die Suche des richtigen Saals auf dem Campus wurde zur Herausforderung. Die Bürokratie verlief im Vergleich zu den gewohnten Verhältnissen in Deutschland schleppend. Auch die gewohnte Uni-Struktur, der Alltag an der JGU und unsere Uni-Portale (wie Jogustine, Ilias oder dem Reader) begann ich zu vermissen. Hinzu kamen sowohl Heimweh, als auch das Fehlen von Freunden und der Familie. Ehrlich gesagt war ich in den ersten Wochen mit dieser neuen Situation überfordert.

Doch nach und nach wendete sich das Blatt. Mit der Bekanntschaft anderer Erasmus-Studenten (die zu jener Zeit ähnliche Erfahrungen machten) und der Teilnahme an ESN-Veranstaltungen kam man in Kontakt mit Gleichgesinnten. Auch die spanischen Studenten öffneten sich immer mehr und entpuppten sich als nette und hilfsbereite Kommilitonen. Die Dozenten sind größtenteils sehr herzlich, witzig und nehmen sich Zeit für ihre Studenten. Auch die Dozent-Student Beziehung gestaltet sich hier ganz anders: es wird sich geduzt, die Dozenten erzählen gerne Anekdoten aus ihrem privaten Leben und sie stehen ihren Studenten ziemlich nahe. Zurzeit besuche ich einen Kurs zur ägyptischen und mesopotamischen Antike, welcher sehr interessant ist.

Madrid ist eine tolle Stadt für ein Auslandssemester. Hier lässt es sich gut wohnen und ausgehen, die Unterhaltungsangebote sind breit gefächert, viele Bäume und Parkanlagen (z.B. el Parque del Retiro, el Campo del Moro, Casa de Campo) machen das Stadtbild grüner und wer gerne ins Museum geht, kommt hier in den Genuss vieler unterschiedlicher Ausstellungen (vor allem das Prado Museum, das Museo Thyssen-Bornemisza und das Museo de América sind sehr zu empfehlen). Zu den historischen Ecken der Stadt die auf jeden Fall besucht werden müssen gehören: der Königspalast, die Plaza Mayor, die Gran Vía und eine ägyptische Tempelanlage (Templo de Debot). Vieles ist günstiger als in Deutschland (z.B. Essen und Kleidung). Wer in Madrid bequem im Stadtverkehr vorankommen möchte, der nimmt am besten die U-Bahn (el Metro). Dieses Verkehrsmittel ist schnell, sauber, übersichtlich und sehr kostengünstig. Für nur 20 Euro im Monat können alle unter 25 Jahren mit Bus, Bahn und Metro durch ganz Madrid fahren. Auch der Anschluss nach Toledo ist im Preis mitinbegriffen. Wer sich für Madrid entscheidet muss jedoch auch etwas „Hektik-resistent“ sein und sich auf große Menschenmassen in den öffentlichen Verkehrsmitteln und im Stadtzentrum einstellen.

In der Nähe Madrids befinden sich Städte wie Toledo, Salamanca, Segovia und Alcalá de Henares, die historisch gesehen sehr relevant für die spanische Geschichte sind. Toledo zeichnet sich durch ein erfolgreiches Zusammenleben dreier Religionen im Mittelalter aus (das Judentum, das Christentum und der Islam). Aufgrund des kulturellen Austauschs erlebte die Stadt gute kommerzielle Verhältnisse und Wohlstand. Toledo erblühte auch dank einer prominenten Übersetzerschule, die antike Texte aus dem arabischen (die arabischen Einwanderer hatten diese Texte für die Nachwelt erhalten können) ins Altspanische übersetzte, bevor diese ins Lateinische umgewandelt wurden. Einmal auf Latein, wurde das Wissen dieser Texte auch für andere europäischen Gelehrten zugänglich. Auch heute bewahrt Toledo mit seiner gut erhaltenen Altstadt noch einen starken mittelalterlichen Charme. Die kleine Shoppingmeile in der Altstadt, ein Touristen-Zug, Museen und die Seilbahn über den Fluss Tajo gehören zu den moderneren Attraktionen, die die Besucher in die Stadt anlocken. Ein Besuch nach Toledo ist somit auf jeden Fall ein Teil der „Must-do-Liste“ wenn man sich in Madrid aufhält.

Auch etwas weiter entfernte Ausflugsziele sind von Madrid aus gut erreichbar. In ca. einer Flugstunde ist man beispielsweise in Barcelona. Mit dem Expressbus und dem Schnellzug gelangt man jedoch auch relativ schnell an sein Ziel. Zu den Ferienzeiten und in der Vorweihnachtszeit bieten die meisten Reiseunternehmen und Bahngesellschaften Promotionen an, die sehr preisgünstig sind. Bisher habe ich Barcelona, Salamanca, Toledo, Alcalá de Henares, Pontevedra, Santiago de Compostela und Segovia besucht. Jede dieser vielfältigen Städte war auf ihre Weise spannend und empfehlenswert. Im Dezember (bevor die Prüfungsphase und damit das Lernen beginnt) habe ich noch vor nach Granada und Valencia zu reisen. Wie es war erzähle ich euch in meinem nächsten Eintrag (leider gab es bisher Probleme mit der VPN-Verbindung, weshalb ich erst jetzt dazu kam meinen Bericht hochzuladen).

Mein Fazit zum Auslandssemester lautet bis jetzt: Aller Anfang ist schwer, doch man lernt viel für den weiteren Verlauf des Lebens dazu. Nur durch das Verlassen der eigenen „Komfort-Zone“ beginnt man dies zu schätzen, was man Zuhause und in der eigenen Uni hat (ja, selbst Jogustine kann man vermissen J ). Mit Erasmus bekommt man die Möglichkeit geboten eine neue Uni kennenzulernen, ein interessantes Land zu entdecken, sich auf die Spuren der Geschichte dieses Landes zu begeben, die Fremdsprachenkenntnisse zu erfrischen, neue Kontakte zu knüpfen und sich einer neuen Kultur zu öffnen. Madrid liegt für Reiseliebhaber optimal im Zentrum, bietet Großstadtflair und einen abwechslungsreichen Aufenthalt (mit vielen kulturellen Angeboten und Freizeitaktivitäten).

Un abrazo und bis bald,

Lara

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