Galway

Mein Auslandssemester in Galway, Irland (WiSe 2024)

Meine eiskalten Hände umklammern die Stäbe des Schaftransporters, während der Fahrer ungeachtet seiner menschlichen Fracht mit vollem Tempo durch die kurvenreichen Straßen Connemaras saust. Während ich zwischen Unglauben und Belustigung schwanke, denke ich, dass diese Erfahrung meinen Irland-Aufenthalt wohl am besten zusammenfasst: die unglaubliche Hilfsbereitschaft der Iren, die Abenteuerlust und die Bereitschaft unkonventionelle Lösungen dankend anzunehmen. Wie ich in diese Situation gekommen bin? Dazu später mehr! Zunächst einmal zurück zum Anfang: zu der Entscheidung, ein Erasmus-Semester in Irland zu machen.

Organisation und Anreise
Zugegebenermaßen habe ich in meinem Studium über den cursus intégré viel Zeit im frankophonen Ausland verbracht. Und während Französisch immer meine Herzenssprache bleiben wird, so wollte ich mein Englisch nicht ganz vernachlässigen und vor allem meine „englische Persönlichkeit“ entdecken, um mich beim Sprechen wohler zu fühlen. Die Entscheidung, mich für ein Erasmus-Semester in Galway zu bewerben, habe ich sehr spontan und ohne viel Hoffnung getroffen – nur um mich dann umso mehr zu freuen, als ich überraschenderweise angenommen wurde. Die ganzen administrativen Schritte wurden zum Glück rechtzeitig von der JGU bzw. von der Partneruniversität kommuniziert und waren daher gut machbar. Die einzige wirkliche Schwierigkeit war die Wohnungssuche: Irland leidet unter einer gravierenden Wohnungskrise. Wer so wie ich einen (sehr teuren) Wohnheimsplatz in der Lotterie ergattert, hat daher das große Los gezogen.
Irland ist eine Insel, demnach ist es natürlich etwas schwieriger, aber umso lohnender so grün wie möglich anzureisen. Ich bin über London und Holyhead nach Dublin gefahren, eine sehr empfehlenswerte Strecke. Da ich mich bereits kurz nach der Abgabe meiner letzten Hausarbeit auf den Weg nach Irland gemacht habe, war es sehr hilfreich zwei Anreisetage zur mentalen Vorbereitung auf das Auslandssemester zu haben.

Die University of Galway / Ollscoil na Gaillimhe

Das Hauptgebäude der University of Galway

Die Universität ist bei ausländischen Studierenden sehr beliebt – kein Wunder, bereits bei den Einführungsveranstaltungen wurden wir sehr herzlich willkommen geheißen. Folglich war es gar nicht so leicht einen der begrenzten Plätze in den Geschichtskursen zu bekommen. Ich habe mich daher auf Kurse aus den Celtic Studies konzentriert und habe sehr interessante archäologische, linguistische und historische Einblicke in keltische Kulturen bekommen. Ergänzt wurde der Ansatz durch einen Kurs in Irish Studies, wo wir über das Verständnis von place in der irischen Literatur gesprochen und insbesondere das Spannungsverhältnis zwischen prächristlichen und christlichen Vorstellungen thematisiert haben. Ich konnte zudem einen Geschichtskurs über Globalisierung belegen und ein Seminar zur irischen Familiengeschichte. Ich würde immer empfehlen, so viele Irland-spezifische Kurse wie möglich zu belegen. Natürlich ist man zunächst einmal nicht auf dem gleichen Wissensstand wie die irischen Kommiliton*innen, dafür bekommt man aber ein gutes Gefühl dafür, welche Themen die Iren aktuell beschäftigen und welche Emotionen bei traumatischen historischen Ereignissen mitschwingen. Die Hungerskatastrophe von 1845-48 hat so für mich eine ganz andere Bedeutung gewonnen: lange Zeit habe ich sie als Katastrophe unter vielen betrachtet, in der irischen Geschichte stellt sie aber eine bedeutende Zäsur dar.
In fast allen Kursen hatte ich mid-term-Abgaben. Der Vorteil ist natürlich, dass man mehrere Noten bekommt und bei den finals auf dem Feedback der Professor*innen aufbauen kann. Die Abgaben sind zudem oft nicht besonders lang (1.000 bis 2.000 Wörter) und viele Professor*innen ermöglichen eine lange Bearbeitungszeit. Im Seminar fällt generell mehr Arbeit an, hier wurden zudem noch die mündliche Mitarbeit und eine Präsentation bewertet. Insgesamt sind die Professor*innen sehr hilfsbereit. Bei Nachfragen bezüglich Abgaben oder Klausuren wurde immer sehr schnell und ausführlich geantwortet und es ist wohl sogar möglich, einen Aufschub einer Abgabefrist zu beantragen, wenn zu viele Dinge auf einmal anstehen.
Doch die irische Universitätskultur besteht aus sehr viel mehr als den Kursen, insbesondere die zahlreichen Clubs und Societies führen zu einem sehr abwechslungsreichen Alltag.

Clubs & Societies
Mit 125 aktiven Societies bietet die University of Galway ein sehr breites Angebot der Freizeitgestaltung. Neben fächerbezogenen Societies (denen aber jeder unabhängig vom Studiengang beitreten kann) gibt es beispielsweise eine Taylor Swift-, eine Amnesty-International-, eine Dance- und eine Granny-Society. Die Societies werden von Studierenden initiiert und geführt und sind daher mal mehr, mal weniger aktiv. Die History Society (Cumann Staire) hat beispielsweise einen Vortrag angeboten und sich ansonsten hauptsächlich auf social nights (sprich: Barabende) konzentriert. Die Dance-Society hatte dagegen verschiedene Kursprogramme erstellt, die man während des Semesters ausprobieren konnte. Beim Society Day stellen sich viele Societies vor und man kann direkt beitreten oder sich per E-Mail über Veranstaltungen informieren. Das ist zunächst einmal keine Verpflichtung zu irgendetwas, es ist daher empfehlenswert verschiedenen Societies beizutreten und dann zu schauen, wie aktiv man sich beteiligen möchte. Abgesehen von den Kursen der Dance-Society sind die meisten Gruppen auch kostenlos. Insgesamt habe ich die Societies als tolle Gelegenheit wahrgenommen, andere Studierende kennenzulernen – man teilt ja zumindest ein Interesse. Meine einzige Enttäuschung war Cumann Gaelach, die irische Society, der ich voller Motivation mich so gut wie möglich zu integrieren, beigetreten bin. Da aber sämtliche Kommunikation nur auf Irisch stattfand und sich meine Irisch-Kenntnisse auf einige wenige Wörter beschränken, habe ich leider nie herausgefunden, wann die Treffen stattfinden sollten. Gerade wer sich für Traditionen anderer Kulturen interessiert, kann die Augen bezüglich der Angebote der Indian Society, Mexican Society und Indonesia Society (um nur einige Beispiele zu nennen) offenhalten. An bestimmten Fest- und Feiertagen finden größere Aktionen statt, an denen auch Interessierte aus anderen Ländern willkommen sind.

Ein Altar der Mexican Society anlässlich des Día de los Muertos

Auch das Sportangebot der Universität ist sehr breit gefächert. Verschiedene Clubs bieten mehr oder weniger leistungssportorientierte Sportarten an. So konnte ich Windsurfen ausprobieren und an einigen wunderbaren Wanderungen des Mountaineering Clubs teilnehmen. Gerade die Wander-Gruppe ist hervorragend organisiert. Jeden Sonntag (außer bei Sturmwarnung) wird ein Bus gemietet, um in die Connemara zu fahren, wo die ganze Truppe im weglosen Terrain einen Berg hochstapft. Natürlich muss man sich auf die irischen Wetterverhältnisse einstellen: nicht selten haben wir den ganzen Tag hauptsächlich Wolken gesehen, sind im Regen und bei heftigem Wind mit unserem Mittagessen in der Hand durch das Moor gestapft bzw. gerannt und haben unsere Vorstellungen von Spaß ernsthaft hinterfragt. An anderen Tagen hat uns die Novembersonne positiv überrascht und die atemberaubende Aussicht höchst beeindruckt. In der Regel starten zwei bis drei Gruppen mit unterschiedlichem Geschwindigkeits- und Schwierigkeitsgrad. Bei einem Torture hike mussten wir aufgrund einer leicht verletzten Teilnehmerin etwas früher absteigen und fanden uns in einem kleinen Dorf wieder. Die Bewohner hatten volles Verständnis dafür, dass wir die anderen Gruppen noch im Stamm-Pub des Mountaineering Clubs treffen wollten und um uns fünf weitere Kilometer auf der Straße zu ersparen, luden sie uns kurzerhand in ihren Schafttransporter ein. So klammerten wir uns an den Wänden fest und flitzten in Höchstgeschwindigkeit zum Pub – definitiv eine besondere Erfahrung, die daher als Einstieg für diesen Beitrag herhalten musste.

Eine wunderschöne Wanderung in den Sheeffry Hills mit dem Mountaineering Club

Coldvember
Nicht nur bei den Wanderungen wagen sich die Iren in das eher ungemütliche Wetter, im November wird der Witterung höchst motiviert getrotzt und gefühlt die halbe Universität trifft sich bei Sonnenaufgang zum Schwimmen. Ich bin zugegebenermaßen nur einmal die Woche in das doch sehr kalte Wasser gesprungen, doch es war definitiv sehr lohnenswert! Einmal hat es sogar geschneit, nachdem ich es barfuß über den Schnee geschafft hatte, hat sich das ca. 8-Grad kalte Wasser beinahe warm angefühlt. Auch der Coldvember passt für mich zur irischen Mentalität: man kann aus allem eine Party machen und von ein bisschen schlechtem Wetter lässt man sich ganz bestimmt nicht aufhalten!

Ein sehr kalter Coldvember-Tag

Musik und Tanz
Galway scheint aus Musik zu bestehen: in den Straßen und in den Pubs wird ständig Live-Musik gespielt. Wer sich für traditionelle Musik interessiert, ist hier natürlich am richtigen Ort. Ich bin zugegebenermaßen keine große Bier-Trinkerin und dachte daher, dass ich die Pubs eher meiden würde. Tatsächlich habe ich einen nicht unbedeutenden Teil meiner Freizeit in Cafés, Teehäusern und Pubs verbracht, weil hier ein Großteil des Soziallebens stattfindet. Pubs fühlen sich häufig an wie große Wohnzimmer, in denen man abends zusammenkommt, um sich auszutauschen, Musik zu hören und zu tanzen. Es wird oft nicht als unhöflich betrachtet nichts zu trinken. Einer meiner Lieblingspubs ist der Crane, ab 21h30 wird dort Trad Music gespielt. Insbesondere samstags platzt der kleine Raum aus allen Nähten, gerade dann sind tolle Musiker vor Ort. Auch wenn die Musiker natürlich im Zentrum stehen, darf nahezu jeder spontan singen und tanzen, wodurch es ein gemeinsames Musikerlebnis wird. Einer meiner schönsten Irland-Momente ist mit diesem Pub verknüpft: Ich habe in Galway sowohl an der Universität (über die Dance Society) als auch in der Stadt (über den Céili-Club) Céili-Tanzstunden genommen. Es handelt sich um Set dances, die in der Regel mit acht Personen getanzt werden. Die meisten Bekanntschaften habe ich insbesondere über den Céili-Club geschlossen, eine sympathische Gruppe mit unglaublich liebenswerten Tanzlehrern. Nach dem Kurs wird montags immer im Thirteen on the Green getanzt, zudem treffen sich einige der erfahrenen Tänzer*innen immer donnerstags ab 21h30 im Monroes. Wer sich die Tänzer also lieber nur von außen anschauen möchte, ist dort am richtigen Ort. Einmal wurden wir im Crane aufgefordert zu tanzen, was ein unglaubliches Erlebnis war, zumal ich bei jedem weiteren Besuch von den Musikern erkannt und gefragt wurde, ob ich wieder tanzen würde. In der Musikszene von Galway als Céili-Tänzerin bekannt zu sein, hat mich definitiv sehr stolz gemacht, auch wenn ich natürlich weit davon entfernt bin, all die Tänze sicher zu beherrschen.

Ein spontaner Céili-Abend im Crane
Der Céili-Kurs der Dance-Society

Ausflüge und Reisen
Ich kann mich generell nur schwer an einem Ort wohlfühlen, wenn ich kein Fahrrad zur Verfügung habe, daher habe ich an meinem ersten Tag in Galway sofort ein günstiges Rad gekauft. Wirklich Radwege gibt es leider nicht und auch an den Linksverkehr musste ich mich erst gewöhnen, doch bei dem unzuverlässigen öffentlichen Verkehr war es definitiv eine richtige Entscheidung. Manche Erasmus-Studierenden haben mir erzählt, dass sie in der gesamten Zeit nur drei oder vier Mal am Meer waren, dank meines Fahrrads konnte ich drei bis vier Mal in der Woche am Meer vorbeifahren.

Sonnenuntergang bei Salthill

Im Vergleich zu meinen anderen Auslandsaufenthalten bin ich relativ wenig durch das Land gereist – in Galway und durch die Ausflüge des Mountaineering-Clubs gab es genug zu erleben und zu sehen. Ein paar Ausflüge sind dennoch erwähnenswert.
Ich bin mit der Fähre in Dublin angekommen, daher konnte ich mir die Stadt etwas ansehen. Gerade die Museen (insbesondere das Archäologie-Museum und die Burg) sind sehr empfehlenswert. Wenn man kein Auto zur Verfügung hat, können von Galway aus geführte Touren zu den Cliffs of Moher und zur Kylemore Abbey gebucht werden. Zudem kann man mit Bus und Fähre zu einer der drei Aran-Islands fahren. Ich selbst war nur auf den beiden kleineren (Inishmaan und Inisheer), beide Ausflüge haben mir sehr gut gefallen.

Cliffs of Moher

Mit meiner Familie, die mich im Herbst besucht hat, habe ich einen kleinen Roadtrip zur Dingle-Halbinsel, nach Cashel und Glendalough gemacht, eine Reise, die ich wärmstens empfehlen kann. Die Dingle-Halbinsel bietet atemberaubende Landschaften und interessante historische Stätten wie das Gallarus-Oratorium, eine hohe Dichte an Ogam-Stones (Inschriften in einem an primitive Irish angepassten Schriftsystem) sowie prähistorische Siedlungen. Glendalough zeugt von der bedeutenden monastischen Kultur des mittelalterlichen Irlands, gelegen in den Wicklow-Mountains lädt der Ort zu Wanderungen ein.

Glendalough (ca. 11. Jahrhundert)
Dingle-Halbinsel

Auch Belfast ist relativ gut zu erreichen. Mit dem Zug über Dublin kommt man schnell nach Nordirland, von dort aus kann man geführte Bustouren an der Küste entlang zum beeindruckenden Giant's Causeway buchen. Da viele Orte Schauplätze für Games of Thrones waren, hat unser Tourguide sogar Kostüme zum Verkleiden mitgebracht – eine kleine Sünde für eine Geschichtsstudentin, sich kostümiert in einer mittelalterlichen Burg ablichten zu lassen, zugleich natürlich eine lustige Erfahrung.

Giant's Causeway

Der Abschied
„Diese Abschiede auf irischen Bahnhöfen, an Bushaltestellen mitten im Moor, wenn die Tränen sich mit Regentropfen mischen und der atlantische Wind weht…“, so schreibt Heinrich Böll im Irischen Tagebuch. Natürlich hinkt der Vergleich: Böll thematisiert die irische Emigration in den 1950er Jahren und ich stand auch nicht an einer Bushaltestelle im irischen Moor. Doch zugleich konnte ich mich mit seiner Schwermut und dem Abschiedsschmerz identifizieren. Ich hatte mich auf Galway gefreut, doch ich war davon ausgegangen in den vier Monaten lediglich oberflächliche Bekanntschaften zu schließen und nur kleine Einblicke in die irische Kultur zu bekommen. Ich hätte es besser wissen müssen: schon nach wenigen Wochen war Galway mein Zuhause geworden und ich habe mich unglaublich wohl gefühlt. Und wenngleich es kein Abschied für immer sein muss, so war mir doch klar, dass dieses erlebnisreiche und beinahe magische Erasmus-Semester nun vorbei war. Dass spontan meine Fähre gecancelt wurde und meine mühsam geplante Zugreise buchstäblich ins Wasser fiel, machte den Aufbruch auch nicht viel leichter.

Galway bei Nacht

Ich bin unglaublich dankbar für dieses Erasmus-Semester. Ich habe viel gelernt, meine englischsprachige Persönlichkeit weiterentwickelt und vor allem ein kulturell und landschaftlich unglaublich reiches Land kennen und lieben gelernt.

Galway – ein Blick zurück

Fáilte!

Die „International Student Society“ beim Wandern in Connemara

Mein Name ist Jermaine, ich bin 28 Jahre alt und ich bin Lehramtsstudent der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Da ich Englisch und Geschichte studiere, habe ich mich für ein Auslandssemester in einem englisch-sprachigen Raum entschieden, zumal solch ein Aufenthalt ohnehin verpflichtend, wenn man Englisch an der JGU studiert. Da ich zudem gerade eine bilinguale Zusatzausbildung anstrebe, um später einmal Geschichte in englischer Sprache unterrichten zu können, fiel die Wahl relative schnell auf Irland, Schottland oder England, da die britisch-irische (Kultur-)Geschichte gemäß Curriculum sowohl im Fach Englisch, als auch im Fach Geschichte behandelt wird. Weil erfahrungsgemäß in der Regel alle ERASMUS+-Plätze im Fach Englisch relativ schnell vergeben sind, hatte ich mich dazu entschlossen, mich für einen Platz über das Fach Geschichte zu bewerben.

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So much to do, so little time!

Mein Gott, ich habe schon lange nichts mehr von mir hören lassen! Es war einfach super viel los in letzter Zeit, I've been quite the busy bee! Daher hier eine kurzer Zusammenfassung was hier in den letzten Monaten so vor sich ging. Von Mitte Januar bis Mitte April haben wir mit der Geschichtsfachschaft hier in Galway zum Beispiel einen History Month veranstaltet.
Das war, wie der Name schon sagt, ein ganzer Monat voll mit Events rund um das Thema Geschichte. Eröffnet wurde das ganze Spektakel mit einer Wine Launch inklusiver feierlichen Reden von unserem Vorsitzendem, einem Dozenten aus dem Historischen Seminar und dem Societies Officer. An dem Abend gab es auch eine Ausstellung historischer Waffen & Schwertkampfunterricht
Das History Committee während der feierlichen Eröffnung
Wir selbst hatten für die folgenden Wochen diverse Vorlesungen und Gastvorträge organisiert, sowie wie ein Reenactment einer historischen Debatte, gefolgt von einer 50er Jahre Party, einer historische Stadtführung. Viele der Events haben wir auch in Zusammenarbeit mit anderen Societies, z.B. der Rock Soc und der Astro Soc durchgeführt, um nur einige zu nennen. Beendet hat das ganze dann mit dem berühmt berüchtigten Arts Ball. Dieser wird seit den 50er Jahren von der Geschichtsfachschaft veranstaltet und ist der größte College Ball in ganz Irland. Gott sei Dank hatte ich mit seiner Organisation nur am Rande zu tun (z.b. Werbung und Ticketverkäufe).

Offizielles Fachschaftsfoto vom Arts Ball        Arts Ball

Anfang März fuhr ich mit ein paar anderen Geschichtsstudenten zur IHSA Conference nach Belfast. Dort habe ich einen Auszug aus meiner 'dissertation' (Irische Equivalent zur Bachelorarbeit) über Aberglaube und Magie in der frühen Neuzeit vorgetragen. Genau ein Jahr zuvor fand diese Konferenz in Galway statt, dort habe ich viele meiner jetztigen guten Freunde kennengelernt!

Ende März wurden dann die NUI, Galway Societies Awards abgehalten. Dort gewannen wir mit dem History Month den Preis für das beste Event der Universität. juhu!
Hier unser Siegerfoto:
DSC_0093

Unser Sieg hatte zur Folge dass wir NUI, Galway auf nationaler Ebene bei den BICS Awards zu vertreten hatten. BICS steht für 'Board of Irish College Societies' und sie setzten sich dafür ein, die außerlernplanmäßigen und sozialen Aktivitäten der Studenten zu fördern. Da ich eine der Hauptorganisatorinnen des History Months war, fuhr ich mit 4 andere Fachschaftsräten Mitte März nach Athlone in der Mitte des Landes, wo die Award stattfanden (in einem 4 Sterne Hotel mit Spabereich!) Dementprechend hatten wir knapp 2 Wochen Zeit, um eine äußerst umfangreiche Bewerbung zusammenzustellen (alleine das Portfolio hatte ca. 120 Seiten) und uns auf das halbstündige Interview vorzubereiten.Wir gestalteten unsere Bewerbung im Stil eines alten Manuskriptes und fertigten alles in Handarbeit an. Dies waren um ehrlich zu sein die 2 stressigsten Wochen in meinem bisherigen Leben, aber das Ergebnis konnte sich meiner Meinung nach sehen lassen:
Unsere BICS Bewerbung Die NUI, Galway Delegation bei den BICS Awards

Leider haben wir trotz all der harten Arbeit und der tatkräftigen Unterstützung aller Beteiligten nicht gewonnen, aber NUIG erhielt davon abegesehen 3 Awards (von 7) und war damit die erfolgreichste Uni Irlands! Zwischen Februar und April bekam ich auch noch Besuch von 4 Freunden und meiner gesamten Familie. Das Foto zeigt mich und meine gute Freundin Julia (die ich übrigens im ersten Semester während der Stadtrallye der Geschichtsfachschaft kennenlernte) vor den atemberaubenden Cliffs of Moher, eine der Sehenswürdigkeiten in der näheren Umgebung Galways, die man aus Filmen wir 'Harry Potter & der Halbblutprinz' kennt.
Cliffs of Moher

Und nebenbei musste ich ja auch noch ein bisschen studieren.
Die Vorlesungszeit war zu diesem Zeitpunkt Gott sei Dank schon vorbei, meine Irischprüfungen (mündlich & schriftlich) sowie 3 Hausarbeiten konnte ich glücklicherweise auch schon im Vorfeld ablegen bzw. abgeben.
Also blieben bis Ende April nur noch 2 Hausarbeiten übrig. Seit dem 1. Mai bin ich also quasi frei & damit ist mein Studium in Galway auch schon beendet. Nächste Woche kommt noch eine Freundin zu Besuch, so dass ich ein letztes Mal Reiseführerin in und um Galway spielen darf.
Damit mir nicht langweilig wird, habe ich mir davon abgesehen noch etwas Beschäftigung gesucht. Ich mache ein fünfwöchiges (bezahltes!) Forschungspraktikum im Historischen Seminar hier in Galway zum Thema Irische Jugendkultur der 60er & 70er Jahre. Dafür werde ich viel Zeit in den Archiven verbringen, da ich u.a. die studentischen Zeitschriften katalogisiere und digitalisiere. Für ein paar Tage werde ich auch mit meiner Betreuerin nach Dublin fahren um mir die Bestände im National Archive und der National Library näher anzusehen. Und dann gilt es noch bei der Organisation eines im Juli stattfindenden, eintägigen Symposiums zum gleichen Thema zu helfen. Bevor es wieder nach Deutschland zurückgeht werde ich den Einladungen diverser Freunde nach Connemara (zum Torfstechen), Cork, und Belfast folgen, um noch ein bisschen was vom Land zu sehen.
Und natürlich auch um noch einmal auszuspannen, bevor das Semester in Mainz wieder losgeht.
Auch wenn ich hier eine unglaublich tolle, unvergessliche Zeit hatte, in der ich Freunde fürs Leben gefunden habe (die ich noch oft besuchen werde) freue ich mich aber auch darauf, wieder nach Hause nach Mainz zu kommen!

Bis dann,
Annika Stendebach

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In Cork with Cumann Staire!

Cork ist toll! Die Busfahrt dahin allerdings nicht- Wenn es sonst heißt alle Straßen führen nach Rom, trifft das in Irland auf Dublin zu. Alles andere sind einspurige Landstraßen, und die irischen Busfahrer geben gerne Gas bis zum Anschlag, nur um dann im nächsten Moment volle Kanne in die Eisen zu steigen. Aber die 4,5 Stunden Busfahrt haben sich gelohnt!
Der Name Cork kommt übrigens aus dem Irischen Wort "Corcaigh" was so viel wie "Sumpf" bedeutet. Das kommt nicht von ungefähr, denn das umliegende Land ist recht feucht, Corks Hauptstraßen waren alles Kanäle. Das sieht man auch heutzutage noch an einigen der Häuser, da über einer kleineren runden Tür in Straßenhöhe für die Boote Treppen zu der eigentlichen Haustür hinaufführen. Und An Cumann Staire ist die hießsige Geschichtsfachschaft (http://www.cumannstaire.com).

Die Innenstadt sah wunderschön aus, da sie überall schon die Weihnachtsbeleuchtung aufgehangen haben- auch wenn das für meinen Geschmack noch ein bisschen zu früh war.
Den Abend haben wir dann in diversen Pubs verbracht.
Am Samstag hat uns Dónal (der Vorsitzende von An Cumann Staire, der hießigen Geschichtsfachschaft) dann eine vierstündige mehr oder weniger historische Tour durch Cork gegeben.
Angefangen haben wir mir der Church of St. Anne im Stadtteil Shandon, die praktischerweise direkt neben unserem Hostel war. Diese ist auch als der "viergesichtige Lügner" bekannt, da früher alle vier Uhren auf ihrem Turm verschiedene Uhrzeiten anzeigten. Den Glockenturm kann man besteigen (was ein bisschen abenteuerlich war) und man darf sogar Lieder mit den Glockenspielen. Von mir gab es eine glorreiche Darbietung von "Schlaf, Kindlein, Schlaf" (das hat Dónal für mich ausgesucht, da es das einzige deutsche Lied war), die anderen spielten "Amazing Grace" und "Blowing in the Wind". Und die Aussicht von ganz oben über die gesamte Stadt war fantastisch!
 
Im Anschluss haben wir uns noch eine andere sehr schöne Kirche angeguckt, bevor es dann zum University College Cork (UCC) ging. Es gab dort sehr viele alte, erfurchteinflößende Gebäude. Meine erste Assoziation war ebenfalls Harry Potter, anscheined haben das die (ehemals) britischen Unis gemeinsam.
Aula Maxima im Quadrangle 
Und wie man sieht: In Irland scheint auch mal die Sonne 😉
anach haben wir uns noch die nahegelegene St. Fin Barre's Cathedral angesehen. Ihr Wahrzeichen ist ein goldener Engel, der zwei Trompeten spielt auf der rückwärtigem Dach der Kathedrale. Dieser wurde einmal gestohlen und es wurden 100.000 Lösegeld gefordert. Der Stadtrat legte diese in einem Umschlag auf dem Friedhof bereit, doch der Dieb nahm sich "nur" 5.000 heraus und gab die Statue zurück. Dies wird ihr mehr oder weniger als kleines Wunder angesehen- die spinnen die Iren!

Am Sonntag haben wir uns dann noch das Grab von George Boole, dem großen Mathematiker (der unter anderem das Binärsystem, das ich in der 5.Klasse nicht verstanden habe, entwickelt hat), angesehen und einen schönen ausgedehnten Spaziergang durch einen riesigen Park unternommen.
Abends kamen wir dann gegen Acht wieder in Galway an und haben das Wochenende bei einem gemütlichen Pint im O'Donell's bzw. im Salthouse ausklingen lassen- zumindest diejenigen von uns, die nicht im Stehen eingeschlafen sind  😉
Slán,
Annika Stendebach

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Durch das Jahr mit Fräulein Annika

A chara,

Annika atá orm. Tá mé go maith. Tá mé i mo chonaí i nGaillimh anois ach rugadh agus tógadh sa Ghearmáin mé. Jawohl, Annika lernt jetzt Irisch! Das sind allerdings echte Basics, denn alles was ich bisher sagen kann ist "Hallo Freund, mein Name ist Annika. Mir geht es gut. Ich lebe nun in Galway aber ich wurde in Deutschland geboren und bin dort aufgewachsen." Ich hoffe, dass ich nach meinem Auslandsjahr doch ein bisschen mehr von mir geben kann, denn ich soll dann die Prüfung A2 ablegen.
Aber ich mache mir da nicht allzu viele Gedanken, da ich mit Iren zusammen wohne und die mir helfen. Mit einer Freundin treffe ich mich sogar einmal die Woche und wir sprechen Deutsch und Irisch miteinander. Deutsch zu sprechen scheint hier im Übrigen eine hoch geschätzte Fähigkeit zu sein, ich betreue seit Anfang Oktober die drei Kinder einer der Geschichtsdozentinnen, sie suchte jemanden der Deutsch mit Ihnen spricht.
Ansonsten bin ich mit der Lehrangebot an der National University of Galway mehr als zufrieden, ich konnte hier Kurse belegen, die in Mainz in dieser Form nicht angeboten werden. Mein Lieblingskurs ist die Vorlesung "Popular Culture in Pre-Industrial Europe", dort werden Themen wie Magie, Karneval und Märchen abgedeckt. Die Kurse hier sind allerdings viel arbeitsintensiver als die in Mainz. Während in Mainz das Semester gerade erst angefangen hatte, musste ich Ende Oktober schon zwei Mid-term Essays abgeben, eins von 7 Seiten und das andere von knapp 6 Seiten. Nun muss ich im Dezember für diese beiden Vorlesungen jeweils noch eine Hausarbeit schreiben, eine von 15 und die andere von 10 Seiten. Für mein Seminar soll ich im Januar ganze 25 Seiten abgeben. Aber die Dozenten sind uns Erasmusstudenten gegenüber sehr entgegen kommend was die Abgabetermine angeht.
Abgesehen vom Unileben gefällt mir auch das soziale Leben hier sehr gut. Ich war von Anfang an in die hiesige Geschichtsfachschaft eingebunden und die haben mich mit offenen Armen aufgenommen. Im März werden wir zusammen zur Irish History Student Association Conference nach Belfast fahren, wo ich einen Vortrag über Fastnacht halten werde- man soll ja seinen Wurzeln treu bleiben!
Mir gefällt es hier so gut, dass ich momentan die Augen nach einem Job offen halte, um bis Oktober hier bleiben zu können (das Semester endet hier schon im Mai).
Und dass, obwohl ich mir am Anfang Gedanken gemacht habe, ob ich es 9 Monate fern von der Heimat aushalte! Ich bin mehr als froh und dankbar, dass ich diese Chance mal über den Tellerrand zu schauen bekommen und genutzt habe!
Nun muss ich mich aber mal wieder meinen Hausarbeiten widmen.

Slán go fóill,
Annika Stendebach