Galway – ein Blick zurück

Fáilte!

Die „International Student Society“ beim Wandern in Connemara

Mein Name ist Jermaine, ich bin 28 Jahre alt und ich bin Lehramtsstudent der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Da ich Englisch und Geschichte studiere, habe ich mich für ein Auslandssemester in einem englisch-sprachigen Raum entschieden, zumal solch ein Aufenthalt ohnehin verpflichtend, wenn man Englisch an der JGU studiert. Da ich zudem gerade eine bilinguale Zusatzausbildung anstrebe, um später einmal Geschichte in englischer Sprache unterrichten zu können, fiel die Wahl relative schnell auf Irland, Schottland oder England, da die britisch-irische (Kultur-)Geschichte gemäß Curriculum sowohl im Fach Englisch, als auch im Fach Geschichte behandelt wird. Weil erfahrungsgemäß in der Regel alle ERASMUS+-Plätze im Fach Englisch relativ schnell vergeben sind, hatte ich mich dazu entschlossen, mich für einen Platz über das Fach Geschichte zu bewerben.

Bei der Bewerbung um ein ERASMUS+-Stipendium hat man die Möglichkeit, 3 Zielländer nach Präferenz anzugeben. In meinem Fall war die National University of Ireland, Galway (NUIG) zwar nicht die erste Wahl, als ich jedoch die Zusage für Irland bekommen habe, habe ich mich natürlich trotzdem sehr gefreut, da ich bereits von Kommilitonen, die auch ihren ERASMUS+-Aufenthalt an dieser Universität absolviert haben, wusste, dass die NUIG zu den besten 1% der Universitäten weltweit gehört. Dementsprechend waren auch Planung, Organisation und Bewerbung an der Gasthochschule ein wenig umfangreicher als zunächst angenommen.

Das schönste Gebäude auf dem Campus der NUIG

Die Bewerbung an der Gasthochschule erfolgt primär über das eigene Fach der eigenen Hochschule, sodass man sich sehr gut an den hochschulinternen Vorgaben orientieren kann. Ich rate jedoch dazu, bereits lange im Voraus zu planen und sich über die Gasthochschule zu informieren, um diese Informationen auch im Motivationsschreiben verarbeiten zu können. Sofern man bereits einen sehr guten Einblick in die Gasthochschule hat und sich mit dieser generell, und besonders mit ihren sozialen wie wissenschaftlichen Richtlinien identifizieren kann, kann man sich als Bewerber eventuell auch von anderen Bewerbern hervorheben.

Für die NUIG bedeutet dies vor allem, soziales Engagement zu zeigen, sodass primäre Studienleistungen und Noten eher eine untergeordnete Rolle spielen. Ich habe mich zuerst gewundert, warum auf soziale Interaktion und Kollegialität so viel Wert gelegt wird bei der Bewerbung für die Universität in Galway, habe dann aber relativ schnell die Lösung gefunden – die NUIG ist mehr als nur eine reine wissenschaftliche Universität. Was Studenten hier erleben, gleicht vielmehr einer riesengroßen Gemeinschaft anstatt einem reinem Bildungsstudiums, wobei die Bildung an dieser Uni wohl nicht zu Unrecht zur besten weltweit gehört! Warum soziales Miteinander an dieser Universität so wichtig ist, werde ich im späteren Verlauf des Erfahrungsberichts noch genauer erläutern.

Zuerst möchte ich jedoch nach der Beschreibung des Bewerbungsverfahrens die negativen Aspekte erörtern und auf die miserable Wohnsituation in Irland generell und ganz besonders in Galway zu sprechen kommen. Vorweg: Wenn Ihr Euch für die National University of Ireland, Galway bewerben möchtet, seid euch bewusst, dass die Wohnungssuche nicht nur sehr anstrengend, sondern auch kompliziert, kostspielig und zeitaufwendig sein wird.

Es gibt im Grunde 3 Möglichkeiten, sich eine Unterkunft hier zu suchen:

  • Die Universität stellt verschiedene Wohnheime zur Verfügung. Diese sind in der Regel jedoch sehr teuer (etwa 600-700 € pro Monat), etwas schmutzig und laut, da die meisten Studenten, die hier wohnen, Erstsemester sind (und irische Erstsemester sind bekannt für ihre Feierlichkeiten), oder internationale Austauschstudenten, sodass man selten seine Ruhe hat. Des Weiteren enden die meisten Bewerbungsfristen für diese universitären Wohnheime bereits im April/Mai und man kann ein Zimmer in der Regel nur von August bis Mai mieten (für das gesamte akademische Jahr), sodass man sich schon sehr sicher sein muss, bevor man den Vertrag unterschreibt.
  • Internationale Studenten haben ebenfalls die Möglichkeit über externe Organisationen, wie etwa „EazyCity“ schon vorab ein Zimmer zu mieten. Hierbei ist jedoch zu bedenken, dass man nicht weiß, in welchem Haus man ein Zimmer bekommt und mit wem man später zusammenwohnt. Zimmer Ensuite (mit eigenem Badezimmer) sind in der Regel sehr teuer (etwa 160 € pro Woche) und die Zustände in diesen Häusern sind alles andere als ideal, da man wöchentlich kündigen kann, sodass die meisten, die in solchen Unterkünften wohnen, nur für wenige Wochen da sind und man immer wieder neue Mitbewohner hat. Allerdings muss festgehalten werden, dass man hier in der Regel schnell eine gesicherte Unterkunft findet und nicht ewig lange nach einem Zimmer suchen muss.
  • Es gibt auch die Option, im privaten Sektor ein Zimmer zu suchen. Hierfür eignen sich rent.ie oder www.daft.ie für die Suche. Hierbei ist jedoch Vorsicht geboten! Ein Großteil der hier anbietenden Vermieter sind Betrüger, sodass man keinesfalls die Kaution bezahlen sollte, bevor man das Zimmer und die realen Vermieter gesehen hat. Außerdem gibt es hier ebenfalls drei Arten des Wohnens: 1. Man wohnt zusammen mit dem Vermieter im Haus und teilt sich Küche (und eventuell Badezimmer), sodass es oftmals nicht möglich ist, Freunde einzuladen. 2. Man sucht ein Zimmer in einem Haus, das bereits von anderen Studenten/arbeitenden jungen Menschen bewohnt ist. Für diese beiden Varianten gibt man am besten auf den Internetoptionen „sharing“ als Suchbegriff ein. 3. Man kann sich auch ein komplettes Haus mieten und eigenständig Leute suchen, mit denen man sich diese Wohnung teilt. Dies ist jedoch meistens mit hohem Aufwand verbunden und organisatorisch nicht unkompliziert.

Was alle 3 Optionen (Wohnheim, privater Sektor, externe Organisationen) gemeinsam haben, ist die Tatsache, dass oftmals keine richtigen Mietverträge unterschrieben werden, sondern das Geld bar auf die Hand einmal wöchentlich oder einmal monatlich bezahlt werden muss. Daher versuchen viele Vermieter auch, die Kaution am Ende einer Miete einzubehalten im Wissen, dass die Austauschstudenten keine Möglichkeit haben, rechtlich dagegen vorzugehen.

Zusätzlich zu den Risiken, die eben genannt wurden, würde ich noch folgendes vorschlagen: Anstatt blind das erstbeste Angebot anzunehmen, wohlmöglich auch schon von Deutschland aus, lieber ein bis zwei Wochen früher anreisen, sich in eins der vielen Hostels einquartieren und täglich auf die Suche gehen und sich die Wohnungen in der Realität anzuschauen, da die Mehrzahl der Wohnungen hier in Irland Schimmelbefall aufweisen oder generell sehr altmodisch sind.

Ich persönlich empfehle auf jeden Fall ein Zimmer in einer Wohnung zu suchen, bei der man sich mit mehreren anderen Studenten, am idealsten sogar aus verschiedenen Ländern und Kulturen, die Wohnbereiche teilt, sodass man viel miteinander in Kontakt kommt und Zeit miteinander verbringt. Wer zudem sein Englisch enorm verbessern möchte, sollte keinesfalls mit anderen Deutschen zusammenziehen, sondern mit Amerikanern (die hier in hoher Anzahl vertreten sind), Engländern oder Iren eine Wohnung teilen. Außerdem ist es eine gute Idee, sich kostenlos ein Konto bei einer der irischen Banken anzulegen (was in der Regel in den ersten 2 Wochen problemlos möglich ist, da sich viele Banken auf Ausstellungen/Messen an der Uni vorstellen und man sich folglich auch kostenlos anmelden kann), um die Miete besser bezahlen zu können, ohne dass dabei Überweisungsgebühren fällig werden.

In Bezug auf das Studium lässt sich speziell für das Fach Geschichte folgendes sagen: Die NUIG gehört meiner Meinung nach zu einer der besten Universitäten in Hinblick auf historische Wissenschaften. Das System hier ist, ähnlich wie in Deutschland, in Vorlesungen, Colloquien und Seminare gegliedert.

Vorlesungen haben in der Regel einen „Wert“ von 5 ECTS und haben keine Anwesenheitspflicht. Im Gegensatz zu Deutschland sind die Vorlesungen hier aufgeteilt in zwei einstündige Vorlesungen, die an unterschiedlichen Tagen der Woche gehalten werden. Zudem werden pro Semester etwa 4-6 Tutorien gehalten, für die die meisten Geschichtsdozenten extra „Textbücher“ anfertigen lassen, die für die jeweiligen Tutorien zu lesen sind. Diese Tutorien werden im kleinen Rahmen gehalten, sodass hier die Mitarbeit durchaus in die Endnote mit einfließt. Die Vorlesungen sind dabei normalerweise größer, sodass bis zu 200 Studenten in einem Vorlesungssaal Platz finden können. Als Studienleistung/Modulleistung müssen 2 Essays angefertigt werden, nämlich ein „mid-term essay“ von etwa 2000 Wörtern und ein „final essay“ von etwa 3000 Wörtern, die 33% bzw 67% der Endnote ausmachen und eher von Sekundärliteratur, aber auch teilweise von Primärquellen handeln.

Da ich leider kein Colloquium besucht habe, kann ich diesbezüglich nicht viel sagen. Nur, dass hier das System ähnlich der Seminare ist und ebenfalls, wie die Seminare, 10 ECTS einbringen.

Die Seminare im Fach Geschichte an der NUIG bringen, wie erwähnt, 10 ECTS ein, sodass Anwesenheit verpflichtend ist. Hierzu müssen wöchentlich Texte gelesen und vorbereitet werden. Zusätzlich zählen Mitarbeit im Seminar und qualitative Beiträge zur Endnote. Des Weiteren müssen 1-2 Referate pro Semester gehalten werden und Quellenarbeit geleistet werden. Am Ende eines Seminars erfolgt ein großes Essay von 4000-6000 Wörtern, das sich in der Regel auf eine Primärquelle bezieht. Die Anzahl internationaler Studenten ist bei Seminaren begrenzt auf 1-3, währen Vorlesungen keine Begrenzung aufweisen und jederzeit gewählt werden können. Für Seminare muss man sich jedoch „bewerben“ und sich bei den jeweiligen Dozenten vorstellen, sodass diese entscheiden können, ob man für die Seminare geeignet ist (vor allem in Hinblick auf Fachwissen und Sprache).

Ich empfehle auf jeden Fall einen abwechslungsreichen Stundenplan mit verschiedenen Dozenten zu wählen und ganz genau zu überprüfen, ob sich Vorlesungen oder Tutorien überschneiden, da dies oft auch dazu führt, dass sich Klausuren (für den Fall, dass man sich für Klausuren und nicht Essays entscheidet, was durchaus nach Absprache mit dem Dozenten für Vorlesungen auch möglich ist) nicht überschneiden.

Die NUIG bietet jedoch nicht nur in wissenschaftlicher Hinsicht viel Abwechslung, sondern auch enorme soziale Möglichkeiten. Was in Irland sehr beliebt ist, sind Societies und Clubs. Societies haben oftmals ein gemeinsames Interesse, so etwa die Yoga Society, International Student Society, German Society, DJ Society, Manga Society etc. Hierbei treffen sich die Mitglieder mehrmals im Semester, oft wöchentlich, auf Pizza und Softdrinks, oder Brettspiele, oder zu „Stammtischen“ in Pubs. Es gibt hierbei oft etwas zu gewinnen, da diese Societies von der Universität finanziell unterstütz werden und daher die Mitglieder oft zu Gewinnspielen oder „raffles“ oder „Table Quizzes“ eingeladen werden, bei denen es natürlich Preise gibt.

Wenn man 2 Semester bleiben möchte, empfehle ich auch auf jeden Fall nicht nur Mitglied zu werden, sondern auch im Komitee mitzuarbeiten. So habe ich zum Beispiel während meines Aufenthaltes im Komitee der International Student Society mitgearbeitet. Wir haben uns mehrmals wöchentlich getroffen und Veranstaltung für internationale Studenten, z.B. Bowling, Ausflüge, Valentinstags-Spiele, Oktoberfeste, Weihnachtsfeiern, Wanderungen, geplant. Am Ende bekommen alle Komitee-Mitglieder auch vom Präsidenten der Uni Zertifikate ausgestellt, die sich immer gut im Lebenslauf lesen lassen.

Die Stadt Galway an sich ist wohl einer der schönsten Städte, die ich je in meinem Leben gesehen habe. Besondern Salthill ist hierbei ein schöner Ort in der Stadt. In Salthill gibt es eine kilometerlange Promenade direkt am Strand. Außerdem lohnt sich jeden Tag ein Spaziergang durch Galways Fußgängerzone, der sogenannten Shop Street. In dieser Straße spielen jeden Tag, unabhängig vom Wetter, dutzende Straßenmusikanten und „buskern“ (das irische Wort für Straßenmusik machen) um die Wette. Hier hat vor Jahren übrigens bereits Ed Sheeran gebuskert, bevor er berühmt wurde. Falls man gerne „ausgeht“, was essen geht oder Lust auf ein kühles Getränk hat, ist Shop Street ebenfalls erste Anlaufstelle. Hier reihen sich Pub an Pub, in der jeden Tag Live-Musik gespielt wird und man die gute irische Tradition ausleben kann.

Damit es in Galway nicht zu langweilig wird, solltet Ihr auf jeden Fall auch Mitglied in ganz vielen verschiedenen Societies werden, da jede Society in der Regel 1-2 Mal pro Semester Ausflüge in die abgelegensten Orte Irlands für wenig Geld organisiert. Außerdem solltet Ihr Mitglied im „Mountaineering Club“ werden. Dieser Club trifft sich jeden Sonntag für Wanderungen in ganz Irland, die jeweils nur 10 € Buskosten kosten. Dafür solltet Ihr allerdings gutes Schuhwerk haben, da Ihr sonst aus sicherheitstechnischen Gründen nicht mitgenommen werdet.

Mein Fazit:

Keine großen Worte, sondern einfach nur: Möglichkeit nutzen und die Erfahrung sammeln! Diese Auslandssemester werden die besten Monate Eures Lebens und ihr werdet viele viele viele internationale Freundschaften schließen und neue Kulturen kennenlernen. Außerdem werdet ihr Euer Englisch enorm verbessern und auch einmal andere wissenschaftliche Herangehensweisen und Standpunkte kennenlernen, die vor allem wichtig sind, um „outside the box“ zu denken, was Euch für Eure Zukunft sehr hilfreich sein kann.

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