Nora Szabo-Jilek, BA Geschichte und American Studies
Das Harvard Project for Asian and International Relations (kurz: HPAIR) wurde 1991 von der Harvard University ins Leben gerufen, um den Austausch zwischen Studenten, Young Professionals sowie Vertretern aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft zu fördern. Im Mittelpunkt stehen, wie auch schon der Name verrät, die internationalen Beziehungen auf dem asiatischen Kontinent. HPAIR ist eine Plattform für Diskussionen mit Entscheidungsträgern über bevorstehende Herausforderungen aus den Bereichen Politik, Technik und Wirtschaft. Jährlich finden zwei Treffen mit jeweils bis zu 300 Teilnehmern aus der ganzen Welt statt, die Hauptkonferenz im Februar auf dem Campus der Harvard University und eine Sommerkonferenz im August in einem jährlich wechselnden asiatischen Land. Die HPAIR Konferenz ist als eine Kombination von Vorträgen, Seminaren und praktischen Übungen zu verstehen, wobei natürlich das Networking auch nicht zu kurz kommt. Es gibt Veranstaltungen basierend auf sechs thematischen Schwerpunkten, von denen man sich einen bereits in der Bewerbungsphase aussucht.
Ich bin während der Weihnachtsferien zufällig auf die Website von HPAIR gestoßen, habe aber nicht lange gezögert und zügig mit der Zusammenstellung meiner Bewerbung angefangen. Ein Lebenslauf und drei kurze Essays wurden in der ersten Runde verlangt, hier ging es in erster Linie um die eigene Motivation, aber auch Arbeitserfahrung und Noten wurden berücksichtigt. Warum möchte ich Teil von HPAIR werden? Ich bin weder Asienexperte, noch habe ich einen persönlichen Bezug zum Kontinent. Aber genau das wollte ich ändern. In meinem Studium und auch bei meinen Praktika standen überwiegend die transatlantischen Beziehungen im Mittelpunkt, doch je mehr ich mich mit globaler Politk beschäftigte, umso deutlicher wurde, dass es für das Gesamtverständnis zunehmend wichtiger ist sich mehr mit Asien auseinanderzusetzen: geschichtlich, gesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich, auf jeden Fall intensiver als durch die herkömmlichen Nachrichtenprogramme möglich. Nach der erfolgreichen Absolvierung der zweiten Bewerbungsrunde, einem Skype Interview mit den Organisatoren, stand meinem Vorhaben nichts mehr im Weg.
Im Februar landete ich in Boston und konnte endlich auch die anderen Teilnehmer kennenlernen. Ungefähr Zweidrittel kamen aus den verschiedensten asiatischen Ländern, die Anderen aus ganz Europa, USA, Afrika, Australien und sogar Lateinamerika. Am interessantesten fand ich, dass die überwiegende Mehrheit, wie ich, außerhalb ihres Heimatlandes studiert. Einige arbeiteten bereits, zum Beispiel als Berater eines Premierministers, Andere absolvierten gerade ihren zweiten Master in einem der renommierten Stipendienprogramme Schwarzman Scholars oder Yenching Academy. So verschieden wir auch waren, unser gemeinsames Interesse für Asien und die internationalen Erfahrungen sorgten für spannenden Gesprächsstoff.
Nach einer Campustour am Nachmittag und einer Eröffnungsfeier am Abend, bei der u.a. der Vizepräsident von Starbucks über Innovation in der Region Asien-Pazifik sprach, ging es am nächsten Morgen direkt los. Ich besuchte zwei Vorträge innerhalb meines im Voraus gewählten Schwerpunkts, Politik und Diplomatie. Im ersten ging es um die Cybersicherheit. Vier Podiumsgäste, darunter auch ein Berater des U.S. Justizministeriums und der Leiter eines großen Softwareunternehmens, präsentierten anhand von tagesaktuellen Beispielen ihre Perspektive bezüglich des Potentials und der Gefahren, sowie den Kooperationsmöglichkeiten zwischen Staat und Wirtschaft. In der darauffolgenden Fragerunde wurde besonders die Rolle der internationalen Gesellschaft und die Rechtslage heiß diskutiert.
Im Rahmen des zweiten Vortrags wurde die aktuelle geopolitische Lage in Asien, insbesondere Nordkorea, mit Abrüstungsexperten und Harvard Dozenten debattiert. Besonders spannend war es Teilnehmer aus China und Südkorea dabeizuhaben, die über den Umgang mit der nordkoreanischen Bedrohung und den Wirtschaftsinteressen im Alltag berichten konnten.
Doch HPAIR legt nicht nur auf fachspezifisches Wissen, sondern auch auf Interdisziplinarität Wert. Somit hatte ich die Möglichkeit ein Seminar außerhalb meiner gewählten Fachrichtung zu belegen. Ich entschied mich für eines mit dem Titel „Künstliche Intelligenz: Die Zukunft der Arbeit“, das von einem MIT Dozenten gehalten wurde. Viele Menschen haben Angst davor, dass ihre Arbeit in der absehbaren Zukunft von Robotern übernommen werden könnte. Im Rahmen des Seminars beleuchteten wir die möglichen positiven Perspektiven und analysierten wie sich die Wirtschaft zu einer sog. „gig economy“ wandelt und wie sich in Folge dessen die Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber verändert. Besonders spannend fand ich die Einblicke des Dozenten: zum Beispiel, dass das Betreiben einer Drohne mehr Personal benötigt, als das Fliegen eines Kampfjets oder, dass sich trotz unglaublicher technologischen Fortschritte weiterhin zwei Sitze in der Pilotenkabine eines Passagierflugzeugs befinden, genau wie vor 60 Jahren.
Besonderes Highlight der vier Tage war für mich das sog. Impact Challenge, ein Wettbewerb, bei dem Teams eine Unternehmensstrategie entwerfen müssen. Hier konnte man wieder zwischen mehreren Optionen wählen, ich entschied mich für eine Fallstudie von Deloitte. Mein Team bestand aus einem Pakistaner, einem Chinesen und einem Taiwanesen. Keiner von uns studierte BWL oder hatte Erfahrung mit Fallstudien, trotzdem waren wir uns einig, dass wir es versuchen wollten. Die Jury meinte, dass es ein besonders komplexer Fall sein. Wir sollten uns davon aber nicht einschüchtern lassen, sondern um die Ecke denken und vor allem Spaß haben. Genau das taten wir dann auch. Am Ende des Tages reichten wir unseren Strategievorschlag ein, waren mit dem Ergebnis nicht nur zufrieden, sondern uns auch einig, dass es unglaublich viel Spaß gemacht hat. Die Jury, bestehend aus zwei Deloitte-Beratern wählte aus den insgesamt 28 Teams die besten fünf, die dann ihre Lösung im Plenum präsentieren durften und sie in einer Fragerunde verteidigen mussten. Wir konnten es kaum glauben als wir aufgerufen wurden. Bei der Abschlusszeremonie wurden dann noch die besten drei Teams geehrt, wir schafften es insgesamt bis auf Platz 2.
Die Stärke des HPAIR liegt in der Interdisziplinarität und in dem Netzwerk, dessen Teil man wird. Unter den geladenen Gästen befanden sich Investoren, Manager und Geschäftsführer von Firmen wie Boeing, Citigroup und sogar eine Mitarbeiterin von Richard Branson. Auch die Wissenschaft war vertreten mit Dozenten aus u.a. Harvard, MIT, Toronto, New York und Experten in führenden Think Tanks, wie dem Carnegie Endowment for International Peace. Mit meiner Teilnahme wollte ich nicht nur mehr über asiatische Wirtschaft und Politik lernen, sondern auch neue, internationale Kontakte knüpfen und herausfinden auf welche Bereiche ich mich bei meinem Master und weiteren Aktivitäten konzentrieren möchte. Dies waren alles Ziele, für die HPAIR die bestmöglichen Voraussetzungen geschaffen hat.
Ein kurzes Video über die Konferenz im Februar: https://www.youtube.com/watch?v=tx_QqUTT_DI&feature=youtu.be