Tere!
Das heißt nicht nur "Hallo" auf Estnisch, sondern ist auch ein super Einstieg in so einen Text. Ansonsten halten sich meine Estnisch-Kenntnisse sehr in Grenzen. Ich kann mich noch bedanken ("Aitäh") und beherrsche das Wort für Käse ("Juust"), was natürlich essentiell für jede Konversation ist. Mehr unbeabsichtigt benutze ich manchmal, wenn ich gerade nicht weiter weiß, auch das Wort für Nacht ("Öö").
Nach diesem kurzen lingualen Exkurs und fulminanten Einstieg ein bisschen mehr zu meiner bisherigen Zeit in Tallinn. Am 24. August ging mein Flieger und ich sagte Mainz und der JGU für ein Semester Lebewohl, um für 5 Monate an der Tallinna Ülikool zu studieren. Ich bin schon ein paar Tage vor dem Semesterstart geflogen, um mir die Stadt ein wenig anzuschauen und - noch viel wichtiger - nach eine Bleibe zu finden. Die Suche von zuhause aus war nämlich nicht allzu erfolgreich gewesen und ich dachte mir auch, dass ich vielleicht etwas cooleres finden kann, wenn ich vor Ort suche und die Stadt schon ein wenig kenne. Im Endeffekt hat das geklappt; ich wohne mit 4 anderen Menschen zusammen in einem schönen Haus mit Garten. Es ist zwar ein Stück außerhalb der Stadt, aber wir hätten kaum mehr Glück haben können. Die Suche hat sich nämlich als schwieriger und anstrengender herausgestellt, als man das vielleicht anfangs angenommen hat. In der Einführungswoche hat sich ziemlich schnell herausgestellt, dass ich nicht die einzige Person war, die sich ohne Perspektive auf ein Dach über dem Kopf in ihr Erasmus-Semester gestürzt hat. Die ersten Kontakte zu knüpfen, ist sowieso nicht sonderlich kompliziert, wenn man sich nicht kennt, aber in der gleichen Situation steckt. Hat man dann noch gemein, dass man völlig verzweifelt nach einer Unterkunft sucht, ist man fast schon seelenverwandt. Lange Rede, kurzer Sinn, zu viert durchforsteten wir das Internet, ließen unsere Handys heiß laufen - auf Mails reagierten die meisten Makler*innen oder Privatpersonen nämlich nicht - und dann, als wir fast schon wieder hätten aufgeben wollen, bekamen wir einen Besichtigungstermin für unser schmuckes Häuschen und hielten keine Stunde später schon die Schlüssel in der Hand. Alles in allem würde ich also sagen, dass sich die ganze Anstrengung durchaus gelohnt hat.
Die Einführungswoche ging entsprechend schnell vorüber. In der darauffolgenden Woche ging es dann los mit meinen Kursen. Da mir für meinen Bachelor-Abschluss nicht mehr allzu viel fehlt, ich also hier nicht wirklich viele "Pflichtkurse" hatte, konnte ich ein wenig nach Lust und Laune meine Veranstaltungen wählen. Und die Auswahl der englischsprachigen Vorlesungen und Seminare ist wirklich bunt gemischt. Eigentlich studiere ich Geschichte und Mathematik auf Lehramt. Zwei Kurse in Geschichte und einen in den Bildungswissenschaften habe ich jetzt auch gewählt. Dazu tummelt sich aber beispielsweise noch Russisch A1 und beispielsweise "Paradigmen der Internationalen Beziehungen", was ich beides mal aus Interesse gewählt habe und bisher nur sagen kann, dass es sich definitiv lohnt, auch mal in andere Sparten reinzuschauen. So ein Erasmus-Semester bietet sich dafür sicherlich an.
Tallinn selbst gefällt mir sehr gut. Die Altstadt ist wirklich traumhaft und daher vor allem am Wochenende voll mit Touris. In der restlichen Stadt findet man ziemlich viele hohe, moderne Glasbauten und breite Straßen, was die Stadt nicht gerade attraktiver macht. Und gerade das ist auch wiederum so spannend. An jeder Ecke, an der man noch Platz findet, werden neue Gebäude hochgezogen oder ältere renoviert. Man merkt, dass diese Stadt ziemlich im Aufschwung steckt. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der wiedererlangten Unabhängigkeit hat sich Estland ziemlich direkt darum bemüht, so schnell wie möglich so "europäisch" wie möglich zu werden. Zumindest ist das mein bisheriger Eindruck aus Estlands Hauptstadt. Geht man etwas aus der Innenstadt heraus, findet man aber auch noch viele Gebäude und Fabriken, die wohl in der Zeit der Estnischen Sozialistischen Sowjetrepublik entstanden sind.
Und hier noch ein paar Bilder