Der Senat empfiehlt sie, die Fakultäten organisieren sie, und die Studenten führen sie durch: die Evaluierung von Lehrveranstaltungen. Was hat man davon zu halten?
Gute Lehre bedarf der Rückmeldung, wie die Lehre ankommt. Jeder Dozent wird versuchen, aus unmittelbaren Beobachtungen während seiner Veranstaltung solche Rückmeldungen zu erhalten und daran seine Lehre auszurichten. Darüber hinaus möchte er aber auch Informationen über die Gesamtveranstaltung bekommen, die ihm signalisieren, ob die Art und Weise seiner Lehre den Studenten beim Lernen wirklich effizient hilft. Dazu kann die studentische Evaluierung beitragen.
Was einem zu schaffen macht, ist, dass manche Äußerungen der Studenten unqualifiziert und verletzend sind. Die Studenten müssen wohl erst lernen, mit diesem - für sie neuen - Instrument umzugehen. Die Erfahrung zeigt, dass es dort, wo es Evaluierung schon länger gibt, beleidigende Äußerungen überhaupt kein Thema. sind.
Eine Diskussion mit den Studenten über das Ergebnis der Evaluierung ist essentiell. Man sollte wirklich Veranstaltungszeit dafür "opfern‘ - es zahlt sich aus. Der Student fühlt sich ernstgenommen und merkt, dass der Dozent an seinem Lernfortschritt interessiert ist. Das verbessert die Beziehung, stärkt die Motivation und erleichtert damit das Lernen.
Die studentische Evaluierung ist eine (!) Möglichkeit, über die eigene Lehre etwas zu erfahren. Nicht alles, was dort geäußert wird, muss relevant sein. Weitere Informationen sind nötig, um ein richtiges Gesamtbild zu erhalten: etwa Beobachtungen von Kollegen, die Aussagen von Absolventen oder von ehemaligen Studenten aus der Rückschau auf das Studium.
Der Beschluss des Senats (er ist erhältlich) enthält folgende Regelungen:
Der Dozent hat die Möglichkeit, für seine Veranstaltung die Evaluierung abzulehnen. Er kann auch die Veröffentlichung der Auswertung untersagen. Der Veröffentlichung der Auswertung muss sein Kommentar beigefügt werden, wenn der Dozent das verlangt. (Von diesem Recht würde ich immer Gebrauch machen.)
Nachlassender Besuch
Gegen Ende des Semesters nimmt der Besuch unserer Veranstaltungen häufig ab - und das nicht nur, wenn oder weil Fasching ist. Eine Abstimmung mit den Füssen?
Auf jeden Fall kränkt es uns Dozenten in unserem Selbstwertgefühl. Manche reagieren mit bissigen Bemerkungen oder erhöhen die Zahl der Hinweise "Das brauchen Sie für die Prüfung!" Andere prägen sich die Gesichter der noch erscheinenden Studenten ein, um dann in der Prüfung
Viel besser ist es, die Studenten zu fragen! Oft stellt sich eine ganz banale Ursache heraus, dass nämlich eine bevorstehende Klausur, ein Entwurfstermin, die Studenten zu verstärkter Heimarbeit zwingt, und deshalb lassen sie alle anderen Veranstaltungen sausen.
Dazu die Frage: Wenn häusliche Arbeit wirklich notwendig ist, - warum geben wir den Studenten dann nicht die (Stundenplan-) Zeit dafür, so dass sie kein schlechtes Gewissen wegen Versäumens von Veranstaltungen haben müssen? Sie handeln doch richtig, wir (!) machen etwas falsch.
Solche Erscheinungen sind zwar der Alltag, aber sie zeugen von schlechter Organisation und Koordination unserer Lehrveranstaltungen. Eine Aufgabe für unsere neuen Studiendekane?
Ganz sicherlich! - aber auch unsere Aufgabe.
Ja oder Nein - eine Umfrage
Nicht immer sind Studenten bereit, ihre wahre Meinung kund zu tun. Auf die Frage "Wer hat das nicht verstanden?" meldet sich meist keiner.
Das wird schon besser, wenn alle ihre Aussage zur gleichen Zeit machen, so dass sich keiner exponieren muss.
Ich hab's zunächst mit einem roten und grünen DIN A4-Blatt (Kopierpapier) versucht, das ich zu Beginn des Semesters an jeden Studenten austeilte. Wer meine Frage mit "Ja" beantworten wollte, hielt seinen grünen, wer mit "nein", seinen roten Zettel hoch - alle zusammen. Man überblickt das Umfrageergebnis auch bei mehreren hundert Studenten ganz gut. In der ersten Stunde funktionierte es prima, aber dann hatten zu viele die Zettel nicht dabei.
Jetzt lasse ich die Studenten einfach ein DiN A4-Blatt hochhalten; hochkant halten heißt "ja" - wie Kopfnicken und quer halten heißt "nein" - wie Kopfschütteln. So ein Blatt hat jeder dabei, und das funktioniert auch ganz gut.
Die meisten Studenten verstecken sich übrigens hinter ihrem Blatt - "anonyme Umfrage"! Am Semesterende kann man ja mal fragen, wie es denn war.
Tagebuch der Lehre - Lehrportfolio
Das Semester geht zu Ende. Nach meiner letzten Stunde werde ich meine Veranstaltungsunterlagen weglegen - bis zum nächsten Mal. In der Rückschau auf das vergangene Semester denke ich darüber nach, ob diese Veranstaltung so war, wie ich mir das anfangs vorgestellt habe.
- Die äußeren Bedingungen: Hörsaal, Zeit, Pause, technische Einrichtungen, Folien, Skript. - Kann ich an ungünstigen Bedingungen etwas ändern?
- Das Ziel meiner Veranstaltung: Was wollte ich erreichen? Was sollten meine Studenten nach der Veranstaltung können, wissen, verstanden haben?
- Die Art meiner Veranstaltung: Halte ich die gewählte Vermittlungsmethode immer noch für optimal? Verhalten sich die Studenten so, wie ich es dazu für erforderlich halte?
Der Erfolg meiner Veranstaltung:
- Aus meiner Sicht: War ich zufrieden mit mir selbst? Was hätte ich besser, geschickter machen können?
- Aus der Sicht meiner Studenten: Wie kann ich feststellen, ob sie das Ziel erreicht haben? Gab es eine Evaluierung meiner Veranstaltung durch die Studenten? Was sagt das Ergebnis der Prüfungen über meinen Lehrerfolg?
Der Zeitpunkt ist geeignet, ein "Tagebuch der Lehre" anzulegen. Wie immer im Leben hilft der Zwang des Formulierens, sich selbst Klarheit zu verschaffen. Man kann auch schon während des Semesters Aufzeichnungen machen - über Beobachtungen, über Dinge, die man ausprobiert, über Fragen, die auftauchen.
Verschiedene Bundesländer verlangen inzwischen bei Bewerbungen auf eine Professur ein "Lehrportfolio". Darunter versteht man eine Dokumentation der Veranstaltungen, die man gehalten hat, eine Erörterung der Lehrziele, der Methoden, mit denen man diese Ziele verfolgt hat und der Erfolge (Portfolio = Portefeuille = Mappe, wie bei Künstlern oder Architekten). Diese Beschreibung der Lehrtätigkeit tritt neben die entsprechende Darstellung der Forschungstätigkeit.
Auch dafür ist das "Tagebuch der Lehre" eine gute Basis.
Kollegiale Hilfe
Um Ihre Lehrveranstaltung zu verbessern, können Sie einen Kollegen oder eine Kollegin bitten, sich zu den Studenten zu setzen und zu beobachten: was Sie tun und was die Studenten tun. Auf diese Weise erfahren Sie etwas aus der Sicht eines Zuhörers - und die ist nicht selten ganz anders als Ihre eigene.
Wenn Sie sich scheuen, jemanden darum zu bitten, sind Sie in guter Gesellschaft. Viele unter uns sprechen nicht gerne über die Lehre - das ist etwas Persönliches, vielleicht könnten Defizite offenkundig werden usw.
Sie sollten Ihre Scheu überwinden! Haben Sie trotzdem Bedenken, suchen Sie in Kreisen von Nicht-Fachkollegen. Für eine wirksame Hilfe ist fachliches Wissen nicht unbedingt erforderlich. Es geht um übergeordnete Dinge, um pädagogisch-didaktische, atmosphärische Beobachtungen, und da sieht und erspürt der Nichtfachmann oft sogar viel besser, was los ist.
Besonders günstig ist wechselseitige Hilfe; bieten Sie an, auch in die Lehrveranstaltung ihres Kollegen, ihrer Kollegin zu gehen. Das Wichtigste ist, dass Sie zueinander volles Vertrauen haben.
Ist Ihnen schon jemand eingefallen?