Lehrtipps: Rahmenbedingungen

heutiges Thema: Lehrraumgestaltung

genauer: Die ultimative Antwort auf die Frage nach der Lernraumgestaltung im 21. Jahrhundert(neulich gesehen im Seminarraum einer bayerischen Universität anläßlich einer Veranstaltung zur Professionalisierung (!!!) der Hochschullehre)

Es gab dort:

2 Bongo-Trommeln; 4 alte Computer-Bildschirme; 6 jungsteinzeitliche Tastaturen; 20 alte, beschriebene Flipchartbögen, schön zusammengerollt auf einem Schrank drapiert; 3 kohlebefeuerte Computer; Bilder an der Tür aus einer fröhlichen Zeit Ende der 70er; eine Umzugskiste mit undefinierbarem Schrott; mehrere vorchristliche Drucker mit eklatanten Spuren des Zerfalls; einen Büroschreibtisch mit einer weiteren, nicht funktionsfähigen Computereinheit; ein offenes Regal, mit Koffern, Tastaturen, Druckern, Telefonen bestückt, deren stärkste Phase in der Amtszeit von Konrad Adenauer lag; ein elektronisches Tasteninstrument aus den Gründertagen des Punk - malerisch zugedeckt mit einem südindischen Wandteppich, der vermutlich von Indira Ghandi persönlich geknüpft wurde;

2 Stahlschränke, verschlossen, mit unbekanntem Inhalt, unbekannter Funktion; eine kleine Leiter für Fluchtversuche durch das Fenster; 10 absolut überflüssige, orangefarbene Plastikstühle, vermutlich eine Leihgabe des ortsansässigen Designmuseums; eine unbrauchbare Pinwand; eine begrenzt funktionsfähige Stahlrohr-Pinwand, die offenbar einem Selbstbausatz entstammte;

einen Kleiderständer;einen Sperrholz–Stahlrohr–Projektionstisch, auf dem, gestalterisch wohlgeformt, ein Ghetto-Blaster aus den 80er Jahren thronte; einen Overhead-Projektor, defekt, nicht zur Benutzung vorgesehen; einen defekten Deckenfluter; einen Fernseher, fest montiert, in der Ecke, auch nicht benutzbar; einen Videorecorder, ebenfalls nicht zur Benutzung vorgesehen

… und in so einer Rumpelkammer bilden wir die Elite unseres Volkes aus. Es sind die Besten - bessere haben wir nicht.


heutiges Thema: Eine einfache Rechnung

Angenommen, Ihre Studenten haben 30 Semesterwochenstunden, 3 davon (= 10%) sind für Ihr Fach vorgesehen. Von Studenten können Sie eine 50-Stunden-Arbeitswoche erwarten. Auf Ihr Fach entfallen dann auch 10% dieser Arbeitszeit, also 5 Stunden. Allerdings sind davon bereits 3 Stunden für Ihre Lehrveranstaltungen vorgesehen (die 15-Minuten-Pausen sollten Sie miteinrechnen). Verbleiben 2 Stunden als freie Arbeitszeit für Ihr Fach.

Was folgt aus dieser Rechnung?

  1. Zwei Stunden für "Nacharbeit", evtl. Hausaufgaben und Lernen sind nicht viel. Vergegenwärtigen Sie sich bitte, wie viel zwei Stunden für Sie selbst sind, wenn Sie sich in ein völlig neues Gebiet einarbeiten - und Sie machen das routiniert!
  2. Sorgen Sie dafür, dass die Zeit Ihrer Lehrveranstaltungen wirksam genutzt wird, wirksam für das Lernen der Studenten.
  3. Mehr Arbeitszeit für Ihr Fach haben die Studenten wirklich nicht. Sie brauchen also keine Schuldgefühle zu entwickeln, wenn Sie nicht "alles bringen" können. Die Fakultät hat nicht mehr Zeit für Ihr Fach vorgesehen.
  4. Wenn Sie - trotz dieser Überlegung - von Ihren Studenten mehr verlangen, zwingen Sie sie in eine unlösbare Situation. Meist folgt daraus, was einer so beschrieb: "Kurz vor der Prüfung zieh' ich mir den Stoff rein, und in der Prüfung kotz' ich ihn dann wieder aus!"

Licht und Luft

"Die sicherste Methode, wie Du alle zum Pennen kriegst, ist genau die: Verdunklung runter, Licht aus, Dias zeigen und langweilig reden. Du kannst auch noch die Lüftung abschalten." - So mein Moderator nach einer Lehrberatung.

Auf gewohnte Reize reagieren wir in gewohnter Weise: dunkel = Nacht = schlafen. Monotone Geräuschkulisse (= Sleep-taste am Radio gedrückt ) und mäßig gute Luft unterstützen die Botschaft - für alle Sinne.

Wir schließen daraus: Wenn schon verdunkeln, dann so wenig wie möglich. Lichtstarke Projektoren und gut reflektierende (Lein-) Wände sind kein Luxus. Saalbeleuchtung nur so weit herunter dimmen, als unbedingt erforderlich. Vorher ausprobieren! Nachdenken, ob (lichtschwache) Dias die einzig mögliche Vermittlungsform sind. Medienwechsel?

All das hilft. Aber oft nicht genug, weil die Art der Beleuchtung ungeeignet ist. Sind die Beleuchtungskörper so angeordnet, dass abwechselnde Hell-Dunkel-Streifen entstehen, garantiert das nach der Fachliteratur gesunden Schlaf ("...wirkt ermüdend"). - Und was finden wir in vielen Hörsälen?

Wenn es keine Lüftung gibt oder diese - wie so oft - nach staatlicher Vorschrift zu schwach dimensioniert ist: nach 45 Minuten (!) rigoroses Stoßlüften. Eine gemeinsame Körperübung wäre jetzt sinnvoll. Aber wer in Europa traut sich das schon?

Körper - ver - spannung

Zum guten Reden ist die richtige Gespanntheit von Geist und Körper nötig. Beides bedingt einander. So kann eine körperliche Verspannung durch psychische Überspannung verursacht sein. Und bewusste seelische Ent-Spannung kann auch körperliche Verspannungen lösen.

Nach Allhoff wird Verspannung gefördert durch

Verschränkung der Arme vor der Brust,

Faust machen,

Hochziehen der Schultern,

Hände auf dem Rücken,

Aufstützen auf dem Tisch,

Festhalten am Pult, am Tisch,

und das kann ich auch einsehen, weil all das ja irgendwie "eng macht" oder "krampfhaft" erfolgt.

Spannungsregulierende Techniken kann man nur schwer aus Büchern lernen. Anleitung durch einen professionellen Trainer ist empfehlenswert.

Autogenes Training wirkt meist zu stark in Richtung schlaff und lasch. Entspannung darf aber nicht so weit gehen, dass wir schlaff herumhängen, eine gewisse Gespanntheit ist zum Reden unbedingt erforderlich.

Was man vor Lehrveranstaltungen mindestens tun sollte: Nicht einfach - schnell, schnell - in den Hörsaal sausen, sondern sich vorher 10 Minuten echter Ruhe im Büro oder im Dozentenzimmer gönnen. Dazu Türe abschließen und Schild aufhängen: "Bitte nicht stören!"

Von links nach rechts

Mitglieder von Kulturen, die von links nach rechts lesen und schreiben, sehen darin eine "natürliche" Richtung, die sie auch zeitlich interpretieren. Wenn man Abläufe darstellt, sollte man darauf Rücksicht nehmen. Bei graphischen Darstellungen an der Tafel, bei experimentellen Aufbauten ist einem das meist unbewusst klar: von links nach rechts. So findet der Student es auch im Lehrbuch, im Skript vor. Bei Gesten, mit denen man zum Beispiel einen Ablauf unterstreicht, ist zu bedenken, dass man sie von rechts nach links - also gerade umgekehrt - ausführen sollte, wenn man zum Publikum hingewendet ist. Das erfordert ein wenig Übung, wenn es "natürlich" aussehen soll.

Ein reizvoller Nebeneffekt dieser geistigen Voreinstellung des Publikums ist der Auftritt auf der Theaterbühne: die guten Figuren kommen aus der Sicht der Zuschauer immer von links, die Bösewichter von rechts auf die Bühne. Das gibt ganz neue Aspekte für die Eröffnung unserer Lehrveranstaltungen!

Ein hochwertiger Arbeitsplatz

Unseren Arbeitsplatz im Büro richten wir uns so effizient wie möglich ein. Wir statten ihn mit allen technischen Hilfsmitteln aus und sorgen für eine angenehme Arbeitsatmosphäre. Was ist mit Hörsaal und Seminarraum? Auch sie sind hochwertige "Arbeitsplätze", an denen anspruchsvolle Arbeit geleistet wird. Ist die Ausstattung entsprechend?

Ein Besuch unserer TU-Räume zeigt, dass die erstklassige Ausstattung eher selten ist: Die Tafeln haben weder geeignetes Format noch eine optimale Anordnung. Die Projektionsflächen sind zu klein oder zu groß und nicht zugleich mit den Tafeln nutzbar. Eine Experimentiertheke (die niemand braucht) versperrt den Weg zwischen Tafel und Overhead-Projektor. Die Beleuchtung irkt einschläfernd. Der amtlich vorgeschriebene Luftwechsel bringt nicht genug Sauerstoff in die Räume. Die Akustik ist auch nicht das Wahre, und von "angenehmer Arbeitsatmosphäre" - z. B. Blumen - hat dort noch nie jemand etwas bemerkt.

Was Wunder, wenn schon aus diesem Grunde unsere Lehre wenig wirksam ist! Freilich sind Änderungen teuer. Noch viel teurer ist allerdings eine ineffiziente Lehre. Das wird nur deswegen nicht offenbar, weil die Kosten dieser Ineffizienz die Studenten treffen und nicht die Hochschule.

Das Mindeste, was wir tun können, ist, unsere konkreten Bedürfnisse und Probleme zu artikulieren und immer wieder darauf hinzuweisen. Betriebstechnik und Hausverwaltung sind meist guten Willens, aber oft überfordert, weil sie nicht wissen, welche Probleme wir haben und weil das Problem so vielschichtig ist.

Wenn wir in unserem Büro keinen Email-Anschluss haben, lassen wir auch nicht locker!

Ein angenehmer Arbeitsplatz?

Empfinden wir unseren Hörsaal (Seminarraum~, Zeichensaal) eigentlich als schönen und angenehmen Ort, und freuen wir uns darauf, gerade dort zu lehren - oder ist es doch mehr eine kahle, freudlose Höhle?

Wenn ich bedenke, dass dort die besten Experten mit den besten Nachwuchskräften arbeiten, die unsere Gesellschaft hat, sollte sich das eigentlich auch in den Räumen wiederspiegeln. Die Experten fügen hinzu, dass wirksames Lehren, effizientes Lernen durch eine geeignete Atmosphäre erheblich intensiviert werden können. Wirtschaft und Industrie haben das längst erkannt.

In unseren Lehrräumen sieht es oft anders aus. Neulich war ich in einem Seminarraum, der zugleich als zentraler Abstellraum des Instituts fungierte. Muss ein Student sich da nicht zwangsweise auch so fühlen? Wie kann dort Freude zum Lernen aufkommen?

Natürlich ist es so (und das bestätigen die Fachleute,) dass die Begeisterung für ein Thema über manches hinwegsehen lässt und Unangenehmes ausgeblendet wird. Das geht aber nur bis zu einer gewissen Toleranzschwelle - und die ist noch dazu bei jedem verschieden hoch.

Entrümpeln ist angesagt - von blühenden Blumen im Seminarraum oder im Hörsaal wage ich nur zu träumen.

Sie sitzen ganz hinten!

Etwa 30 Studenten in einem 200-er Hörsaal. - Ein verlorenes Häuflein? - Ein verlorener Dozent? - Ein sinnloses Unterfangen?

Ja! - zumindest eine sehr schwierige Situation. - Versuchen Sie mit aller Macht, einen kleineren Raum zu bekommen. (Manchmal sieht die Verwaltung Ihr Problem gar nicht; schließlich passen 30 Studenten doch locker in einen 200-er Hörsaal.)

Wenn das nicht geht, müssen Sie und Ihre Studenten damit zurechtkommen. Bedenken Sie zwei Punkte:

In die ersten Reihen setzt sich niemand gern. Das hängt auch mit unserem Blickwinkel zusammen, im Hörsaal zum Beispiel mit dem Blickwinkel auf die Projektionswand. Lehrmail 18 erläutert, wie groß das Feld (Kantenlänge a) auf der Projektionswand sein soll. Die besten Sehplätze sind ungefähr 4 a von der Projektionswand entfernt. Dort hinten setzen sich die Studenten also auch deshalb besonders gern hin, weil sie von da den optimalen Blickwinkel haben.

Die große Distanz zum Geschehen auf der Bühne "da unten" wirkt sich auch auf die geistige Haltung der Studenten aus - sie sind distanziert und machen nicht mit.

Versuchen Sie also, sie ein wenig nach vorne zu holen. Jemand hat hinten Schilder aufgestellt "Reserviert für Besucher"; ein anderer hat in der Veranstaltung beiläufig vorgetragen, dass - nach neueren Untersuchungen - die schlechteren Studenten dahin tendierten, sich hinten hin zu setzen. Unsere Empfehlung ist wie immer: Mit den Studenten reden. Missliche Situation, gemeinsam meistern, Hilfe der Studenten erforderlich, erster Punkt: Bitte nach vorne kommen (nicht gerade in die ersten Reihen) und sich zusammenzusetzen. Das müssen Sie aber dann auch durchsetzen.