Lehrtipps: Methoden

heutiges Thema: Vorlesung mit aktiven Pausen

Öde Vorlesungen, von denen nichts bleibt - das muss nicht sein! Versuchen Sie es doch einmal mit folgendem:

Sie halten 12 bis 15 Minuten Vorlesung. Danach sind angesagte 2 Minuten Pause, in der die Studierenden ihre Notizen noch einmal durchsehen sollen. Sie können das alleine tun oder sie können zu zweit zusammenarbeiten, um ihre Aufzeichnungen zu vergleichen. Ein Gong als Zeitsignal ist hilfreich. Von Ihnen ist Disziplin gefordert: Sagen Sie zwei Minuten lang wirklich gar nichts.

Nach etwa 30 Minuten wiederholen Sie den Prozess.

In den letzten 3 Minuten der Vorlesung fordern Sie die Studierenden auf, alles aufzuschreiben, an das sie sich aus dieser Stunde erinnern können, ohne (!) ihre Notizen zu Hilfe zu nehmen. Nach der Stunde sollen sie es dann mit ihren Notizen vergleichen und ergänzen oder korrigieren.

Das Behalten und das Verständnis des Stoffs erhöhen sich durch diese Methode drastisch. Erfolg werden Sie freilich nur haben, wenn Sie Ihren Studierenden den Sinn und Zweck der Übung eindringlich erläutern.

(nach Adi Winteler, Professionell lehren und lernen, Darmstadt 2004)


heutiges Thema: witzige Variante zum Fragen

"Gerade hat mich unser Mathe-Professor in der Vorlesung kalt erwischt!" - "Wie das?" - "Er wollte was über komplexe Zahlen wissen, was aber sehr schwierig zu formulieren war. Deshalb hat sich auch keiner gemeldet. Dann hat er gemeint, er nimmt jetzt den dran, der links von dem sitzt, der sich meldet. Und da war ich nicht schnell genug - und schon war ich dran!" -

"Wieso Du? Versteh ich nicht!" - "Na ja, wenn ich mich sofort gemeldet hätte, wäre ich nicht drangekommen, sondern mein linker Nachbar. Der rechts von mir hat das aber schneller durchschaut als ich und sich gemeldet." - "Da hätte ich auch länger gebraucht!"

(Als witzige Einlage zum Muntermachen geeignet, aber nicht als grundsätzliche Methode.)


heutiges Thema: formulieren müssen

"Die Methode hab ich durch Zufall entdeckt", erzählte der Kollege. "Ich hatte einen Diplomanden, der sich sehr schwer tat mit der Kommunikation. Sobald ein Höhergestellter mit ihm sprach, verstummte er fast völlig und brachte nur äußerst mühsam und stockend seine Gedanken hervor. Insgeheim nannte ich ihn den Stotterer.

Dann mußte ich für einige Monate ins Ausland und vereinbarte mit ihm, dass er mir jede Woche einen kurzen Bericht mit seinen Fragen und Problemen schicken sollte. Ich war völlig überrascht, als ich die erste Mail erhielt: sauber gegliedert und mit großer Klarheit waren präzise Anfragen formuliert, wie ich das gar nicht für möglich gehalten hätte. Ich antwortete ebenso, was mir übrigens wegen der guten Strukturierung ziemlich leicht fiel.

Im Laufe der Zeit entdeckte ich, welch wertvoller Mitarbeiter dieser Diplomand war und welche Potentiale in ihm steckten. Wir haben dieses schriftliche Verfahren dann auch beibehalten, als ich wieder zurückgekehrt war. (Natürlich haben wir auch miteinander geredet.)

Das Verfahren, das ich eigentlich mehr zufällig entdeckt hatte, habe ich dann auch mit meinen anderen Diplomanden und Studenten praktiziert. Es zeigte sich, dass die Notwendigkeit, die Gedanken niederschreiben zu müssen, für alle Beteiligten fruchtbar und vorteilhaft war. So ist aus einer zufälligen Entdeckung eine richtige Arbeitsmethode geworden."


heutiges Thema: Ergebnisdarstellung

"... und damit erhalten wir als Endergebnis: L ist gleich 2,75 Zentimeter. Wir kommen damit zur nächsten Aufgabe ..." So hört man es sehr oft in den Übungen, in denen Aufgaben gerechnet werden, z. B. in der Physik, in der Elektrotechnik, im Maschinenbau.

Über das Ergebnis selbst wird kaum geredet.

Die erste Frage wäre doch: Kann das Ergebnis überhaupt stimmen? (Wenn L die Länge eines Tisches wäre, würde das wohl nicht der Fall sein.) Welche Möglichkeiten habe ich zur Kontrolle? … und was mache ich, wenn das Ergebnis nicht stimmen kann? - Aber nein, dieser Fall kommt nur in der Praxis und in der Prüfung, aber niemals in der Übung vor.

Weiter: Was bedeutet das Ergebnis? Welche Einflussgrößen verändern es und um wieviel? Wovon hängt das Ergebnis überraschenderweise vielleicht gar nicht ab? Was bedeuten die Einschränkungen, die Randbedingungen? Gibt es eine Übertragbarkeit auf ähnliche Fälle?

Dass Ergebnisse so wenig diskutiert werden, ist eigentlich sehr merkwürdig, denn schließlich ist mit dem Ergebnis ja ein Problem - manchmal sogar auf raffinierte Weise - gelöst worden. Da ist doch eigentlich erst einmal Jubel angesagt und selbstverständlich ein Rückblick auf die Aufgabenstellung, ein "Einfahren der Ernte", bei längeren Lösungsverfahren vielleicht auch ein Blick auf den absolvierten Lösungsweg.

Machen Sie es doch beim nächsten Mal! Sie haben keine Zeit? Für einen der wichtigsten Punkte? - Überschlagen Sie ein paar der reinen Rechenschritte, die der Student auch alleine ausführen kann.


heutiges Thema: Spickzettel

Die Wirkung von selbstgemachten Spickzetteln ist bekannt: In der Prüfung braucht man sie gar nicht mehr oder nur in der Tasche - zur Sicherheit.

Den Effekt können Sie nutzen.

Bei reiner Informationsvermittlung, also zum Beispiel bei der klassischen Vorlesung, sollten Sie nach spätestens 20 Minuten das Erarbeitete erstmals in den Gehirnen Ihrer Studenten sichern, indem Sie sie dazu anregen, den Stoff aktiv zu verarbeiten. So die 20-Minuten-Regel (Lehrmail 79).

Das können und sollten Sie in verschiedenen Variationen tun, schon damit es nicht langweilig wird. Skript noch einmal sichten; zwei, drei Fragen, eine Aufgabe stellen; Zusammenfassungen machen, Prüfungsfragen erfinden lassen; mündlich, auf Zuruf oder schriftlich; einzeln oder in Murmelgruppen …

Wie wäre es mit: "Stellen Sie sich einen Spickzettel zu diesem Thema her!" Kurz, knapp, konzentriert.


heutiges Thema: Lösungsansatz finden

Bei den Naturwissenschaftlern und Ingenieuren gibt es häufig Übungen, in denen "Aufgaben gerechnet" werden. Das geht dann meistens so: "Die Aufgabe lautet … und die Lösung ist folgende ..." Anschließend wird die angesetzte Lösung sehr aufwendig ausgerechnet - bis hin zum Endergebnis.

Der eigentliche Knackpunkt aber - nämlich das Finden des richtigen Ansatzes - wird rasch übergangen. Manchmal werden ein paar Sätze dazu gesagt, aber zum zentralen Problem wird das Finden des Lösungsansatzes nicht gemacht.

Fatale Folge: Zu hause sitzen die Studenten und wollen eine für sie neue Aufgabe lösen, aber sie kommen einfach nicht auf den Trichter - und dabei war es in der Übung doch so einfach, so selbstverständlich! Sie sind frustriert, bekommen Selbstzweifel, schreiben in ihrer Not irgendwo ab und so weiter ...

Fatale Folge: Zu hause sitzen die Studenten und wollen eine für sie neue Aufgabe lösen, aber sie kommen einfach nicht auf den Trichter - und dabei war es in der Übung doch so einfach, so selbstverständlich! Sie sind frustriert, bekommen Selbstzweifel, schreiben in ihrer Not irgendwo ab und so weiter ...

  • Aufgabe laut lesen,
  • Schlüsselwörter raussuchen,
  • Assoziationen niederschreiben, auch absurder Art ("Da war doch was mit dem …"),
  • Skizze anfertigen ...

Systematik der Fragestellung erarbeiten: Was und wie kann ich überhaupt fragen? Welche Fragen kehren immer wieder?

Systematik der Fragestellung erarbeiten: Was und wie kann ich überhaupt fragen? Welche Fragen kehren immer wieder?


heutiges Thema: Erstens, zweitens, drittens ...

"Die beobachteten Unterschiede der menschlichen Intelligenz lassen sich durch drei Faktoren erklären", sagte Jeannie. "Erstens:unterschiedliches Erbmaterial; zweitens: eine unterschiedliche Umwelt; drittens: experimentelle Meßfehler." Sie hielt inne, während die Studenten in ihre Notizbücher kritzelten.

Dieser Mechanismus war Jeannie aufgefallen: Jedesmal wenn sie irgend etwas vortrug, dem sie Zahlen voranstellte, schrieben die Studenten es nieder. Hätte sie einfach gesagt: "Unterschiedliches Erbmaterial, unterschiedliche Umwelt und experimentelle Meßfehler" hätten die meisten ihr Schreibzeug nicht angerührt. Seit Jeannie diese Beobachtung zum erstenmal gemacht hatte, verwendete sie bei ihren Vorlesungen so viele nummerierte Listen und Aufzählungen wie nur möglich.

(Aus: "Der dritte Zwilling" von Ken Follett)

Kann man ja mal ausprobieren!


heutiges Thema: Handys

In der ersten Stunde einer Veranstaltungsreihe reden Sie mit Ihren Studenten über die Modalitäten dieser Veranstaltung: Wie machen wir das mit den Zuspätkommenden, mit den Skripten usw. ?

Damit die Handys nicht während der Veranstaltung klingeln: "Sie haben jetzt die letzte Gelegenheit, Ihrer Freundin - Ihrem Freund - per Handy mitzuteilen, dass Sie in meiner Vorlesung sitzen." Besser: Vereinbaren Sie, dass jeweils kurz vor Beginn ein Aufruf zum Abschalten der Handys erfolgt. Am besten übertragen Sie diese Aufgabe zwei Studenten. Zwei, weil einer immer mal fehlen kann. Wenn sich niemand dafür meldet, gehen Sie ruhig auf zwei Studenten zu und bitten Sie sie, diese Aufgabe "für uns (!)" zu übernehmen. So wird ein wenig gemeinsame Verantwortung für die Veranstaltung erzeugt.


Haiti - Übungen

Die große Hörsaalübung geht oft so: Dozent "übt auf der Bühne vor", das heißt: rechnet Aufgabe, trägt Lösungen vor usw.; Studenten schreiben - aber arbeiten nicht - mit.

Das geht auch anders, ohne mehr Personal, (fast) ohne Mehrarbeit, dafür: aktive Mitarbeit der Studenten.

Erste Übungsstunde: Studenten bilden 6er-Gruppen (für das ganze Semester). Gruppensprecher erhalten ein Gruppenheft. Dozent erläutert Verfahren, teilt erste Aufgabe aus. Aufgabe besteht aus Teilaufgaben ansteigender Schwierigkeit. Studenten befassen sich (übers Wochenende) einzeln mit der Aufgabe, treffen sich dann mit ihrer Gruppe, tauschen Ergebnisse aus, versuchen weitere Teile zu lösen. Sprecher entnimmt dem Gruppenheft einen Vordruck, auf dem die Gruppe ankreuzt, welche Teilaufgaben gelöst wurden und mitteilt, wo Probleme steckten. Vordruck wird in Briefkasten geworfen. Dozent entnimmt alle Vordrucke und wertet sie aus. Folgt

Zweite Übungsstunde: Dozent behandelt Aufgabe, allerdings braucht er gar nicht auf das Problem einzugehen, da alle genau wissen, um was es geht und auch die Problematik der Aufgabe erfasst haben (ein Punkt, der bei fast allen normalen Übungen viel zu kurz kommt!). Er braucht auch die ersten (leichten) Teilaufgaben, die von allen gelöst wurden, nicht vorzuführen. Nebeneffekt: Nur-Mitschreiber ("Eichhörnchen", siehe Lehrmail 06-27/97) haben wenig davon. Verstärkt widmet er sich den Teilen, die nicht gelöst wurden, bringt eventuell noch zusätzliche Vertiefungsaufgaben. Dann teilt er die Aufgabe für das nächste Mal aus - und der Zyklus beginnt von vorne.

Ich habe dieses Verfahren mit Physikübungen für Erstsemester mit recht gutem Erfolg ausprobiert. (Vorbild: Juristische Fallübungen an der Uni Bielefeld.)

Referate einmal anders

Referate halten (lassen) ist oft langweilig, die anschließende Diskussion zuweilen getrübt von übermächtiger Dominanz des Seminarleiters und der Einstellung der Studenten, niemandem wehe zu tun, weil es ihnen sonst genauso geht, wenn sie selbst dran sind.

Götz von Rohr und Gerald Kuhnt berichten von einer alternativen Gestaltung ihrer Oberseminare. Sie lassen vier Studenten das gleiche Thema vorbereiten (wie für ein Referat); zwei dieser Studenten sind die Experten, die anderen beiden die Moderatoren, die sie in der Veranstaltung zum Thema befragen ("interviewen") werden.

Die Vorbereitung erfolgt für die Moderatoren mit dem Ziel, durch Befragen das Thema aus den Experten "komprimiert herauszuholen" (wie in den bekannten Fernsehveranstaltungen); für die Experten gilt es, entsprechendes Wissen konzentriert und anschaulich von sich geben zu können.

Die Experten haben dabei eine Zeitbegrenzung von 3 Minuten je Antwort. Fragen der Publikumsstudenten sind besonders erwünscht, sie haben sogar Vorrang.

Vorteile:

  • für Publikum: spannende Darstellung des Themas, das dadurch auch besser verarbeitet wird;
  • für Moderatoren: Moderationstraining und Konzentration auf das Thema;
  • für Experten: Konzentration auf das Wesentliche; freies Sprechen; Stoff muss voll präsent sein.

Am Schluss empfehlen die Autoren eine Wertung durch die Seminarleitung. Ich würde eine gemeinsame Kritik aller Teilnehmer bevorzugen. (Rundbrief Geographie 144, 9-14, 1998)

Studentische Diskussionsleitung

In Seminaren mit Studenten gibt es im Anschluss an den Vortrag eine Diskussion. Die Diskussionsleitung liegt meist beim Dozenten, der aber in der Regel auch der Fachmann ist. Das ist ungünstig, weil es den Glauben an die "rechte Lehrmeinung" unnötig verstärkt und eine echte Diskussion erschwert. Zudem vergibt man die Chance, dass Studenten Kompetenzen jenseits des Fachlichen erwerben.

Studenten können die Diskussionsleitung ohne weiteres selbst übernehmen. Da jeder einmal drankommt, richtet sich die Aufmerksamkeit der Teilnehmer nicht mehr nur auf das Fachliche, sondern auch auf die Tätigkeit des Diskussionsleiters und auf die übergeordneten Vorgänge in der Gruppe. Daraus lernt jeder! Von Zeit zu Zeit kann auch die Aufgabe des Diskussionsleiters zum Thema gemacht werden, insbesondere wenn "Störfälle" auftreten, z.B. Vielredner.

Zu Beginn der Veranstaltungsreihe sollten einige Aufgaben des Diskussionsleiters verabredet werden, zum Beispiel: Rednerliste führen, Fragen initiieren, Schweigsame aktivieren, zum Thema zurückführen, Stimmung beobachten, Störungen auffangen, keine Wertungen vornehmen, Zeitrahmen beachten, Zusammenfassung geben.

Es gibt bereits Schulen (!)‚ die Ähnliches im Unterricht praktizieren. Wer sich näher interessiert, nimmt Kontakt auf mit Jean-Pol Martin, KU Eichstätt, unter

http://www.ku-eichstätt.de/SLF/LdL

Instruktionen

Wenn unsere Studenten etwas tun sollen, müssen wir ihnen dazu Instruktionen geben. Immer wieder passiert es, dass man vorher nicht genug über mögliche Missverständnisse nachgedacht hat. Vor allem bei Massenveranstaltungen führen unpräzise Instruktionen schnell zu Chaos. Die Wahrscheinlichkeit zur Fehlinterpretation ist zwar gering, aber wegen der großen Zahl wird aus der Möglichkeit dann doch Realität – und nach einem geheimnisvollen Gesetz breitet sich unter Studenten nichts schneller aus als Falsches oder Unsinniges. - Erfahrene Dozenten bereiten daher ihre Instruktionen bis in den Wortlaut hinein vor und begnügen sich nicht mit einem raschen "da sag ich dann was dazu". Bei größeren Aktionen sind vorbereitete Tafelanschriebe, Folien oder Handzettel empfehlenswert.

Es gibt ein nettes Beispiel - mit 100 Prozent Fehldeutung:

An der Universität der Bundeswehr hatten wir den Dozenten gesagt, dass Wichtiges in der Vorlesung auch entsprechend deutlich markiert werden müsse. Einer unserer Instruierten sprach demnach so zu seinen Studenten: "Nun kommt eines der wichtigsten Gesetze unseres Fachgebiets. Bitte legen Sie einen Moment Ihre Stifte weg, und hören Sie mir aufmerksam zu: - Achtung! ..." Bei dem Wort "Achtung!" sprang die ganze Mannschaft mit einem Satz geschlossen in die Höhe und stand stramm – einschließlich derer, die gerade pennten. Dann begann der eine oder andere, sich langsam wieder niederzulassen. Offenbar war "das" hier doch nicht gemeint.