Anfang

Den Zauber von Erasmus erleben

"Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten, an keinem wie an einer Heimat hängen, der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen, er will uns Stuf‘ um Stufe heben, weiten". Ja, es mag etwas abgedroschen klingen, den Blog zu einem Auslandssemester gleich mit den diesen bekannten Worten Hermann Hesses zu beginnen. Aber es ist tatsächlich sein Gedicht "Stufen", an das ich seit meiner Ankunft in Bologna dauernd denken muss.

Vor etwa einem Jahr habe ich mich dazu entschieden, internationale Erfahrungen in meinem Studium zu sammeln und ein Auslandssemester in Italien zu beginnen. Vor ein paar Wochen erst habe ich mein Grant Agreement unterschrieben, den Erasmus-Vertrag und damit mein Vorhaben verbindlich gemacht. Und vor vier Tage kam ich dann in Bologna, der Hauptstadt meiner Lieblingsregion Italiens, der Emilia Romagna, an. Heiter Raum und Raum durchschreiten: Check. Trotz Heiterkeit: So richtig glauben konnte ich bei der Abfahrt noch nicht, dass ich wirklich für längere Zeit weg sein werde. Ich reise gerne, liebe es, andere Kulturen und Geschichten kennenzulernen, neue Sprachen zu sprechen und Menschen zu treffen.

Und doch sind da Zweifel...

Bologna aber ist anders. Weil es eben nicht „nur" eine zweiwöchige Reise ist oder ein Wochenendtrip. Bologna ist für mich mehr: 5 Monate. Ein fremdes Land. Eine fremde Sprache. Eine fremde Geschichte und eine fremde Uni. Aufregend, aber eben auch angsteinflößend – spätestens nach meiner Unterschrift auf dem Grant Agreement schwirrten diese Gedanken ständig in meinem Kopf herum. Hatte ich mir das wirklich gut überlegt oder mich überstürzt für einen der Restplätze beworben? Und selbst wenn ich an keinem Ort wie an einer Heimat hängen soll, brauche ich wirklich diesen Neuanfang? Wäre ich vielleicht nicht doch besser in Mainz geblieben, zuhause im gewohnten Umfeld? Während mich diese Zweifel auf der etwa zehnstündigen Fahrt nach Bologna noch immer etwas quälten, kann ich nur wenige Tage später darüber lachen.

Schließlich wusste auch Hesse weiter: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben". Und ich kann gar nicht in Worte fassen, wie sehr Bologna mich verzaubert hat. Es sind die kleinen Gassen und die alten Bogengänge, die sich durch die Stadt ziehen, die matten, warmen Verputzfarben an den Gebäuden, die antiken Bauwerke, die vielen Kirchen. Es ist die Melodie der italienischen Sprache und natürlich auch der Duft von Pizza und Pasta in den Straßen.

Ein Blick, der verzaubert: Aussicht vom Torre degli Asinelli, einem der Wahrzeichen von Bologna, etwa 100 Meter über der Stadt. (Foto: Janine Arendt)

Bologna ist die siebtgrößte Stadt Italiens und Namensgeber des auch Mainzer Studenten wohl gut bekannten Bologna-Prozesses zur Reformierung und Vereinheitlichung des Europäischen Hochschulraums. Bologna ist aber auch eine sehr lebhafte Stadt. Etwa ein Viertel der fast 400 000 Einwohner sind Studenten, viele kommen - genau wie ich - aus dem Ausland.

Ein Auslandssemester bedeutet Gemeinschaft

So ist es nicht nur die Stadt, sind es nicht nur die kulturellen Besonderheiten oder die kulinarischen Highlights, die mich begeistern. Es ist ganz allgemein der Zauber von Erasmus, der mich immer noch mit einem breiten Grinsen durch die Stadt laufen lässt. Es sind die vielen Möglichkeiten, abwechslungsreiche Kurse an der Uni zu besuchen, auf die ich mich jetzt freuen darf, neue Blickwinkel kennenzulernen und Gleichgesinnte zu treffen. Reisen zu unternehmen, Kulturen kennenzulernen und das alles gemeinsam zu feiern.

Bei mir dauerte es keine 5 Minuten bis ich im Büro für Exchange Students die ersten Kontakte knüpfen konnte. Ich hatte gerade eine Nummer gezogen, um meine Anreisebestätigung unterschreiben zu lassen und mir die ersten Infos über meine neue Uni abzuholen, als mich eine Australierin ansprach: „Hi! Are you an exchange student as well?". Wir studieren beide am selben Lehrstuhl „Lettere e Beni Culturali" und für uns beide ist es das erste Auslandssemester. Beide voller Vorfreude und beide völlig aufgeregt. Seitdem haben wir gemeinsam an der Einführungsveranstaltung teilgenommen, uns mit anderen Studenten verabredet, Kontakte geknüpft und – was in Italien ganz wichtig ist – caffè getrunken. Es ist wahr: Ein Auslandssemester bedeutet Gemeinschaft. Und das wohl von Anfang an.

Arkaden an der Piazza Santo Stefano: Viele Wege in Bologna stehen mir offen. (Foto: Janine Arendt)

Natürlich heißt der Zauber von Erasmus auch Herausforderungen anzunehmen, aus schlechten wie aus guten Erfahrungen zu lernen und das Beste daraus zu machen. Für mich spielt das gerade in meinem Wohnheim eine Rolle oder wenn ich noch von sprachlichen Schwierigkeiten konfrontiert werde. Aber auch diese Wege will ich gehen und die Erfahrungen werde ich hier irgendwie gerne machen und in diesem Blog darüber berichten.

Meine Kurse an der Uni beginnen erst in ein paar Tagen. Solange habe ich noch Zeit, mich etwas mehr von der Stadt verzaubern zu lassen, Pizza und Pasta zu essen, meine Lieblingsplätze im schönen Bologna auszumachen und mich in der neuen Umgebung einzuleben. Ich freue mich auf alle neuen Eindrücke und hoffe, dass der Zauber von Erasmus noch lange anhalten wird!

Janine Arendt