Ausgangs- und Endpunkt der 10-tägigen Exkursion des Arbeitsbereichs Osteuropäische Geschichte (vom 05. bis 15. September 2016) bildete die Hauptstadt Baku. Als politisches Zentrum des Landes bot diese Stadt der Reisegruppe am Beginn die Möglichkeit sich durch die Erkundung der wichtigsten repräsentativen Bauten und im Gespräch mit dem stellvertretenden Direktor des Historischen Instituts in der Nationalen Akademie der Wissenschaften ein Einblick in die staatlichen Geschichtsleitbilder zu gewinnen. Mit den hauptstädtischen Eindrücken ausgestattet besuchten wir verschiedene Städte und Sehenswürdigkeiten im ganzen Land.
Einen roten Faden bildete dabei die bewusste Konfrontation mit der historischen und gegenwärtigen Heterogenität Aserbaidschans. So war der Besuch in der Stadt Quba mit seiner großen und aktiven bergjüdischen Gemeinde und seiner Bevölkerung aus diesen, Taten, Lesginen und Aseris in dieser Hinsicht ebenso bereichernd wie der Besuch der Kolchose Ivanovka, die eng auf eine molokanische wie auch sowjetische Identität verwies. Diese Heterogenität scheint sich trotz der mitunter sehr geringen Größe zwar durch die Abwanderung in die städtischen Regionen bedroht aber noch relativ stabil oder gar, im Falle der kleinen udinischen Kirche, von einer gewissen Wiederbelebung gekennzeichnet. Im Falle des Verschwindens, wie das der deutschen Minderheit in Helenendorf, aber zumindest erinnernswert und im lokalen Gedächtnis bewahrt. Einzig der in Gesprächen, Baudenkmälern und historischen Artefakten immer wieder gefundene Verweis auf die Armenier erfährt eine ganz gegenteilige, negative Würdigung.
Dieser konfliktreiche Umgang mit dem armenischen Erbe Aserbaidschans zieht sich dabei als eine Konstante durch die historische Mythenbildung des Landes und begegnete uns in staatlichen Denkmälern, Gesprächen, zerstörten Grabsteinen und Verweisen auf eine frühere Nutzung von Gebäuden durch Armenier. Eine Konstante in diesem Geschichtsbild ist auch der Versuch des Nachweises historischer Siedlungskontinuität, der sich auf prähistorische Zeiten erstreckt und einer ‚eigenen‘ Einordnung in die von Thor Heyerdahl propagierte ‚Suche nach Odin‘.
Nach diesen eindrucksvollen fünf Tagen im Land kehrten wir nach Baku zurück und konnten unsere Exkursion und unsere Eindrücke in Gesprächen mit dem deutschen Botschafter, sowie Vertretern der aserbaidschanischen Zivilgesellschaft gerade auch über die politisch als brisant erscheinenden Themen abrunden. Die Exkursion stellte für uns eine große Bereicherung dar, verschaffte uns einige Eindrücke über den postsowjetischen Raum und einen Einblick in das Fortbestehen des langwierigen Karabach-Konfliktes.
(Manuel Lautenbacher)