Auf nach Krakau! Ein Erasmus-Aufenthalt an der Uniwersytet Jagielloński w Krakowie

Polen? Warum gerade Polen? Wenn Ihr Euch für dieses Land entscheiden solltet, bereitet besser eine gute Antwort auf die Frage vor. Denn mein "Warum“ musste ich in diesem Jahr wirklich sehr oft erklären. Glücklicherweise gibt es einen Haufen von Gründen, die dafür sprechen, ein Semester in Polen zu verbringen. Ein paar davon, gerade für Krakau, möchte ich Euch in diesem Einblick in mein Erasmus-Semester im SoSe 2022 mitgeben.

Europa-Stimmung vor den Krakauer Tuchhallen

Voraussetzungen und Bewerbung

Eins vorneweg: Der Bewerbungs- und Anmeldeprozess mag überfordernd wirken. Aber im Endeffekt ist alles mit etwas Selbstorganisation sehr gut händelbar und im Vergleich zu der Auslandserfahrung echt ein sehr geringer Preis. Habt einfach die verschiedenen Fristen und To-Do's im Blick (auch während und nach dem Aufenthalt!) und fragt im Zweifel im Erasmus-Büro der JGU oder bei Eurem Koordinator im Fachbereich nach, dann geht nix schief

Um in Krakau studieren zu können, müsst ihr keine Vorkenntnisse in Polnisch mitbringen. B2-Niveau in Englisch wird aber vorausgesetzt. Damit könnt Ihr aus einem breiten Kursangebot auf Englisch wählen und werdet hauptsächlich mit anderen internationalen Studis lernen. Ich würde auf jeden Fall dazu raten, im Semester einen Sprachkurs zu belegen. Auch kann man schon im Vorfeld gut mit Sprachapps üben. Falls Euer Polnisch gut genug ist, könnt Ihr auch Kurse auf Polnisch wählen. In Absprache mit Euren Koordinatoren in Krakau und Mainz könnt Ihr auch fachfremde Veranstaltungen besuchen. Eine coole Möglichkeit, auch mal in ganz andere Bereiche zu gucken.

Bedenkt, dass das Sommersemester in Polen bereits im Februar beginnt. Auf der Website der Uni könnt Ihr auch die examination periods und holidays einsehen. Bei mir waren alle Prüfungen zu Beginn der Klausurenphase Mitte Juni bereits geschrieben.

Marienkirche und Hauptmarkt

Organisation

In Polen wird mit Złoty gezahlt. Bargeld abheben kann teuer werden, aber allermeist kann man auch mit Karte oder digital zahlen. Erkundigt Euch am besten bei Eurer Bank, wie hoch die Transaktionsgebühren sind. Etwas Bargeld sollte man aber auch immer dabei haben.

Über Facebook könnt Ihr Euch schon vor Eurer Anreise mit anderen Studis vernetzen. Folgt am besten auch dem ESN Krakau (Erasmus Student Network) bei Instagram. Dort erfahrt Ihr z.B. alles zur Orientierungswoche. Polnische Studentinnen und Studenten engagieren sich ehrenamtlich im ESN, um Euch das ganze Semester über coole Veranstaltungen wie Ausflüge, Partys und eben die O-Woche bieten zu können.

Wohnen müsst Ihr natürlich auch irgendwo. Ich habe gute Erfahrungen mit "Pepe Housing" gemacht. Auf dem Portal werden WG-Zimmer von verschiedenen Vermietern angeboten. Wenn Ihr Euch für ein Zimmer interessiert, stellt das Portal den Kontakt zum Vermieter her. Pepe Housing ist Partner vom ESN und bietet definitiv mehr Sicherheit vor Betrug als die Suche ganz ohne Vermittler, so zumindest meine Erfahrung. Ihr könnt Euch aber auch auf Plätze in den Wohnheimen der Uni bewerben. In der Regel teilt man sich hier allerdings zu zweit einen Raum. Soweit ich weiß werden auch keine Kühlschränke und Kochutensilien gestellt – das wird aber auch transparent so beschrieben.

Mit Eurer europäischen Krankenversicherungskarte könnt Ihr auch in Polen zum Arzt oder ins Krankenhaus gehen. Wer auf Nummer sicher gehen will, kann sich eine zusätzliche Auslandskrankenversicherung holen, z.B. für einen möglichen Krankentransport nach Deutschland. Bei Krankheit oder im Notfall solltet Ihr aber darauf achten, dass Ihr in eine Vertragspraxis des Nationalen Gesundheitsfonds (Narodowy Fundusz Zdrowia – NFZ) geht. Sonst müsst Ihr selber zahlen.

Wenn Ihr nicht per Flugzeug anreisen möchtet, könnt Ihr von zusätzlichen EU-Geldern für eine „grüne“ Anreise profitieren. Vom Berliner HBF geht z.B. jeden Tag ein Direktzug gegen 11 Uhr nach Kraków Główny (dem Hauptbahnhof). Der liegt auch sehr zentral am Altstadtring.

Blick auf den Wawel

Leben in Krakau

Nur zur eingangs erwähnten Frage: Warum Polen? Warum Krakau?

Krakau ist gerade für geschichtsinteressierte Menschen ein toller Ort. Lange Zeit war Krakau Polens Hauptstadt. Hier steht der Wawel, die alte Königsresidenz und Grablege vieler polnischer Könige. Zusammen mit der Altstadt gehört er zum UNESCO-Weltkulturerbe. Die Stadt wurde im Zweiten Weltkrieg kaum beschädigt, ist meiner Meinung nach wunderschön und hat eine einzigartige Atmosphäre (leider auch im Negativen: Krakau rangiert in der europäischen Liga der luftverschmutzten Städte noch immer weit oben). Es gibt einen Haufen spannender Museen hier, die staatlichen sind Dienstags sogar für alle kostenlos. Die bewegte polnische Geschichte wird hier richtig spürbar: vom mittelalterlichen Krakau über die Zeit als Teil des Habsburger Reichs, den Zweiten Weltkrieg unter deutscher Besatzung, bis zur Revolution in den späten 80ern. In Krakaus Stadtteil Podgórze steht die ehemalige Emaillewarenfabrik von Oskar Schindler und zur Gedenkstätte Auschwitz ist es nicht weit. Auch der Stadtteil Kazimierz mit seinem jüdischen Viertel ist unbedingt einen Besuch wert. Und es gibt noch so viel mehr zu entdecken! Man kommt übrigens per Bus und Straßenbahn überall unkompliziert und günstig hin. Der ÖPNV ist so billig, dass sich für mich nicht mal ein Monatsticket gelohnt hat (man zahlt als Studi etwa 50 Cent für 20 Minuten Fahrt und kommt damit schon recht weit). Ähnlich wie im "DB-Navigator" kann man mit der App "Jakdojade" die richtige Verbindung suchen und sogar direkt per Prepaid-Wallet in der App bezahlen.

Krakau ist eine offene und junge Großstadt mit einem sehr aktiven Nachtleben. Es gibt unzählige Bars und Kneipen, oft mit Livemusik. Die Preise sind im Vergleich zu Deutschland sehr angenehm.  Gerade in Kazimierz steppt der Bär, hier kann man sich auch nachts noch Zapiekanki holen, typisch polnisches Streetfood. Aber aufgepasst: in Polen darf man auf der Straße keinen Alkohol trinken!

In Krakau ist eigentlich immer was los. Gerade die nationalen Feiertage und die traditionellen Feste sollte man nicht verpassen, daher hier noch eine Liste ausgewählter Termine im SoSe:

  • Feierlichkeiten an und um Ostern
  • Nationaler Flaggentag am 2. Mai
  • Tag der Verfassung des 3. Mai
  • Juwenalia: Studentenfestival im Mai mit vielen Konzerten
  • “Lajkonik”-Marsch nach Fronleichnam
  • Jewish Culture Festival im Juni
  • Drachenfest mit Parade im Juni

Um Krakau herum gibt es natürlich auch eine Menge zu sehen. Zum Beispiel ist es nicht weit zu den Salzminen von Wieliczka. Und wer Natur sucht, ist fix im Tatra-Gebirge südlich von Krakau. Fernzüge sind in Polen für Studis glücklicherweise viel billiger als in Deutschland und man kommt auch schnell voran. Der Weg nach Warschau und Breslau z.B. lohnt sich schon für ein Wochenende (Hinweis: auf den Bahntickets werdet Ihr keine Gleisnummer finden, dazu müsst Ihr direkt im Bahnhof auf die Anzeigen gucken. Außerdem reserviert man immer automatisch und kostenlos einen Sitzplatz dazu).

Drachenparade an der Weichsel
Wandern in der polnischen Tatra
Jüdische Restaurants in Kazimierz
Die berühmte "Schindler-Fabrik"

Studieren in Krakau

Erasmus heißt natürlich auch: studieren! Ihr müsst mindestens 15 Credits einsammeln, mehr geht natürlich auch. Mir hat das Studium in Krakau super viel Spaß gemacht. Es ist sehr erfrischend, geschichtliche Themen mal aus einer ganz anderen Perspektive zu betrachten. Auch hatte ich mehrere Kurse mit field trips in die nähere Umgebung, z. B. zum ehemaligen Konzentrationslager Płaszów oder zur sowjetischen Planstadt Nowa Huta. Meine Dozentinnen und Dozenten waren allesamt fair, freundlich und kompetent. Nur das Anmeldeportal ist etwas tricky zu bedienen, ich würde mir früh genug einen Überblick verschaffen, damit man am Ende auch die Kurse bekommt, die man gerne hätte. Hier auch noch einmal der Tipp, einen Sprachkurs an der Uni zu machen. Der kostet zwar leider Geld, aber es lohnt sich meiner Meinung nach auf jeden Fall! Genauso wie der generelle Austausch und Kontakt mit jungen Polinnen und Polen sehr bereichernd ist. Als Historikerin oder Historiker hat man übrigens das Glück, in den ältesten Gebäuden der Uni zu studieren, mitten in der Altstadt. Mal eine schöne Abwechslung zum Mainzer Campus 😉 Also: Auf nach Krakau, ich kann Stadt, Uni und Land nur empfehlen!

Im Collegium Novum kommt etwas Hogwarts-Feeling auf

Hier noch ein paar nützliche Links:

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