Seit drei Wochen bin ich jetzt in Österreich. Die erste Lehrveranstaltungswoche ist vorbei, Zeit ein Resumeé zu ziehen und den Blog zu beginnen
Warum die Karl-Franzens-Universität Graz (KF)?
Um lernen zu können. Der Vorteil der Geschichte ist, dass die Themen sich von Uni zu Uni unterscheiden. Für die schottische Geschichte sind schottische Universitäten von Vorteil, für österreichische eben Graz. Insbesondere da in Deutschland eher die preußische Sicht auf die deutsche Geschichte gelehrt wird, scheint ein königlich&kaiserlicher Blick auf das lange 19. Jahrhundert interessant zu werden. Und da ich sprachlich keine Probleme habe, kann ich den Stoff auch verstehen.
Und wehe dem, der sagt: Der ist nur dahin gegangen, weil er kein Englisch kann! Zwar ist mein Englisch nicht gut genug, um Arbeiten zu verfassen, aber für die Kommunikation mit den anderen Erasmus-Studenten reicht es völlig - auch wenn ich teilweise anfange auf englisch zu denken.
Anreise/Unterkunft
Tipp für jeden, der ins Ausland will: Frühzeitig Termine recherchieren. Und dann sinnvoll planen.
Bis zum 15. Februar ging die Vorlesungszeit an der JGU, am Montag drauf war die Einführungswoche an der KF. Gut, reicht vollkommen wenn man keine Klausuren schreiben muss (planen), eine Hausarbeit werde ich hier vollenden. Allerdings habe ich das Wochenende zum gemütlichen Packen genutzt und bin erst am Sonntagabend in den Zug gestiegen. Pünktlich gegen Mittag kam ich ca. 15 Stunden später in Graz an. Gepäck ins Bahnhofschließfach und dann zur Uni, wo 45 Minuten nach Ankunft die Einführungsveranstaltung begann. Anschließend zurück zum Bahnhof und den Kram holen. Daher: Es ist sinnvoll, wenn der Anreisetag nicht der erste Veranstaltungstag ist!
Da ich ein Zimmer im Studentenwohnheim erst ab 1. März bekommen konnte (auch wenn ich mich frühzeitig darum bemüht habe), wohnte ich die erste Woche in einem private Fremdenzimmer (Wer mal nach Graz möchte: Brigitte Kaufmann bietet sehr preiswerte Fremdenzimmer in Innenstadtnähe an). Die zweite Woche wohnte ich bei einer Freundin aus meinem Abiturjahrgang, die ebenfalls ein Auslandssemester in Graz absolviert (Zufälle gibt’s) und in dieser Woche zurück musste, um Klausuren zu schreiben.
Jetzt bin ich in meiner eigenen Bude. Die Sanitäranlagen teile ich mir mit zwei Mitbewohnern und die Küche mit weiteren Wohneinheiten. Die Miete ist etwas höher als in Mainz, hält sich aber im Rahmen.
Das Wohnheim von außen... . ...und der Hauptflur von innen.
Stadt
Während viele deutsche Städte in der ersten Hälfte der 1940er Jahre weite Teile ihrer gründerzeitlichen Bebauung verloren haben und in den anschließenden Jahrzehnten eher moderne und sachliche Gebäude hochgezogen wurden, finden sich in Graz noch weite Teile altbaulicher Bausubstanz (trotz Bombardierungen im 2. Weltkrieg).
Insbesondere fällt hier das Studentenwohnheim in der Neutorgasse auf, in dem ich wohne. Ehemals war es das Gebäude der Grazer Hauptpost. Im Erdgeschoss ist (neben dem Arbeitsamt - ein Schelm wer böses dabei denkt, das Arbeitsamt ins Studentenwohnheim zu setzen...) auch immer noch eine Postfiliale, während die oberen Etagen jetzt Wohnheimzimmer sind. Dies führt zu einem etwas pompösen Haupttreppenhaus, während die Flure und Zimmer zwar über eine hohe Decke verfügen, sonst aber eher modern und nüchtern eingerichtet sind.
Das Wahrzeichen der Stadt, den Uhrenturm, ist von nahem bei weitem nicht so faszinierend wie von weiten. Aber es lohnt sich den Schlossberg hinauf zu gehen, da die Aussicht umwerfend ist.
Der weltberühmte Uhrenturm.
Sprache
„Ich möchte hier in Graz Deutsch lernen.“ Gerade skandinavische Kommilitonen wundern sich, wenn sie nach diesem Satz belächelt werden. Aber je mehr ich mit einheimischen in Kontakt trat, desto mehr wünsche auch ich mir, am Deutschkurs teilgenommen zu haben. Meine Mitbewohner kommen aus Kärnten und Tirol, teilweise muss ich zweimal hinhören, um sie zu verstehen. Und auch in der Bäckerei ist es Gewöhnungssache, einen „Großen Verlängerten zum Mitnehmen“ zu bestellen (wird lustig, wieder in Deutschland zu sein). Und auch der Kauf von Teigwaren ist eine Wissenschaft für sich, wenn keine Namensschilder vorhanden sind.
Lustigstes Erlebnis in der ersten Woche: Ich unterhielt mich mit einem Studenten der TU Leipzig, als wir von einer französischen Studentin gefragt wurden, wo wir so gut deutsch gelernt hätten.
Universität/Lehrveranstaltungen
Die alte Bausubstanz findet sich auch an der KF wieder, gemischt mit modernerem und ganz modernem, allerdings ohne dass wie im SB II der Stahlbeton aus der Wand schaut. Im hinteren Teil des Campus' findet sich das RESOWI-Gebäude, ein moderner Betonbau, in dem die Einführungsveranstaltungen stattfanden. Im Gegensatz dazu ist das Hauptgebäude der Uni alt. Hier findet sich die Alte Geschichte, Philosophie, Philologie u.a. sowie die Aula der Uni. Während die Hörsäle den Mainzern ähneln, ist die Aula doch deutlich festlicher.
Für alle, die sich in den letzten Wochen mit Jogustine herum gequält haben: Graz Online ist schlimmer. Mal davon abgesehen, dass die Personifikation schwierig ist, ist Jogustine deutlich übersichtlicher. Der Aufbau der Veranstaltungen unterscheidet sich kaum von Mainz.
Das Hauptgebäude der KF. Die Aula (zumindest ein Ausschnitt davon).
Helau!
Oder Alaaf, ich stamme schließlich aus dem nördlichsten Rheinland-Pfalz (Remagen). Hier in Graz hingegen war kaum was los. An Veilchendienstag hatte ich mein erstes Seminar (und Montags durchgehend frei), zeitgleich wand sich eine Art Festumzug durch die Stadt. Der erste Dozent, den ich hier hatte war gebürtiger Rheinländer (zufälle gibt’s). Er verabschiedete uns mit den Worten: „Ich entlasse Sie heute etwas früher, feiern Sie noch schön Fasching, oder was Sie hier als solchen bezeichnen.“ Und auch die rheinischen Erasmus-Kommilitonen waren von dem Zug nicht sehr begeistert.
Jetzt werde ich mich zum Beginn der zweiten Semester-Woche beginnen mit den Bibliotheken vertraut zu machen - oder zumindest sie zu finden. Und dann natürlich Pläne fürs Wochenende zu schmieden. Es gibt so viel was man hier machen kann - und vieles Zeitgleich oder wird (nach dem Herbsteinbruch nach den sommerlichen Karnevalstagen) erst einmal verschoben.
Frederik Adams