Manahoana aus Madagaskar!!!

Hallöchen! Einige tausend Kilometer entfernt und um einige Erfahrungen reicher, schreibe ich heute meinen ersten Beitrag von Madagaskar aus. Dem geschäftigen Treiben vor meiner Haustür lauschend, die Strahlen der afrikanischen Sonne genießend. Es brauchte wohl so einen besonderen Moment, um die letzten Wochen rekapitulieren zu können. Seit Ende Mai bin ich nun in der Hauptstadt der großen Insel, Antananarivo, kurz und liebevoll Tana genannt. Ich werde noch bis Anfang September bleiben, um ein Praktikum im lokalen Auslandsbüro der Friedrich-Ebert Stiftung zu machen. Auf Madagaskar verfolgt die Stiftung vor allem das Ziel einen politischen Diskurs zwischen den einzelnen Akteuren zu stimulieren und dabei vermittelnd einzuwirken. Den politischen Parteien etwa fehlt oft eine ideologische Basis, sie verfolgen keine klaren politischen Zielen und stützen sich allzu häufig auf einen „homme providentiel“ den starken Mann, der alles zum Guten wendet und dabei vielleicht nicht immer auf die Einhaltung der Verfassung achtet. Ein solches politisches System ist extrem instabil. Im Jahr 2009 putschte der damalige Bürgermeister Tanas, Andry Rajoelina mithilfe des Militärs gegen den 2006 gewählten Präsidenten Marc Ravalomanana und ernannte sich selbst zum Chef der Übergangsregierung. Da diese international nicht anerkannt wurde, entzog die internationale Gemeinschaft Madagaskar jegliche Entwicklungshilfe. Das Land gehört zu den ärmsten der Welt, besonders die „einfache“Bevölkerung leidet sehr unter der politischen und wirtschaftlichen Isolation. Erst mit der Wahl des amtierenden Präsidenten Hery Rajaonarimampianina Anfang 2014 konnte diese Krise überwunden werden. (Das heißt allerdings nicht, dass sich das System stabilisiert hat, Ende Mai hat die Mehrheit der Abgeordneten verfassungskonform die Absetzung des Präsidenten gefordert, da sie ihn beschuldigen, die Verfassung mehrfach gebrochen zu haben. Der Haute Cour Constitutionnelle, dem die Entscheidung darüber obliegt, hat dies mittlerweile abgelehnt).
Trotzdem hat sich an der Armut der Menschen nicht viel geändert. Jede/r zweite/r Inselbewohner/in lebt von weniger als einem Euro am Tag. Hinzu kommt, dass dieser Euro nicht etwa in geregelten Arbeitsverhältnissen erwirtschaftet wird, sondern vielmehr auf einem täglichen „Erfindungsreichtum“ basiert, was man denn heute verkaufen oder anbieten könnte. Oft bleiben diese Anstrengungen ohne Erfolg und man hat nicht einmal den einen Euro verdient. Auch für jene die einen Hochschulabschluss haben, bietet der Arbeitsmarkt weder genügend, noch ihrer Ausbildung entsprechende Stellen.
Das Flaggschiff der FES Madagaskar ist das YLTP das Youth Leadership Trainee Program, das junge und vor allem engagierte Menschen ein Jahr lang unter diversen Gesichtspunkten weiterbildet und sensibilisieren möchte, damit sie die Zukunft des Landes einmal in eine bessere wandeln können. Ein Teil dieses Programms sieht beispielsweise Studienreisen innerhalb des Landes, aber auch in andere Länder, vor. Ich hatte die Möglichkeit die YLTP’s auf ihrer binnenländischen Reise nach Antsirabe, Ambositra und Antoetra zu begleiten. Thema der einwöchigen Reise war Identität und Kultur. Vor Ort wurden Debatten zur Dezentralisierung und regionalen Themen veranstaltet. Mein persönlicher Höhepunkt war der Besuch des kleinen Dorfes Antoetra, das zum UNESCO Kulturerbe gehört, bzw. das Wissen der Dorfbewohner, Häuser komplett aus Holz zu bauen, ohne dabei auch nur einen einzigen Nagel zu verwenden. Auch wenn Tana keinesfalls als eine moderne Stadt bezeichnet werden kann, war der Kontrast, zwischen der Hauptstadt und diesem Dorf, enorm. Die Menschen leben ohne Strom, ohne fließendes (geschweige denn warmes) Wasser, ohne sanitäre Anlagen und sehr abgeschieden von der nächstgrößeren Stadt. In dieser Umgebung hat sich das jahrhundertalte Wissen des Holzhäuserbaus konserviert.
Mehr als 80 Prozent der madagassischen Bevölkerung lebt so, wie die Bewohner/innen Antoetras. Daher bot sich mir ein viel authentischeres Bild der Lebensrealität auf der Insel, das mir Tana nicht vermitteln kann. Wir sind mit den Dorfbewohner/innen ins Gespräch gekommen, haben zugeschaut wie sie alles Mögliche aus Holz herstellen, wie das Zusammenspiel zwischen weltlicher und traditioneller Verwaltung funktioniert (der Bürgermeister als Vertreter der politischen Verwaltung und des Dorfältesten als traditionelles Oberhaupt der Gemeinschaft) und haben uns auch nützlich gemacht, indem wir den Tafeln der Schule einen neuen Anstrich verpasst, Spiele für die Kinder organisiert und abends auch einen Film über Madagaskar gezeigt haben. Ich als einzige nicht madagassische Besucherin, wurde besonders genau unter die Lupe genommen. Während einer kleinen Feedbackrunde am Nachmittag versammelten sich immer mehr neugierige Kinder, die ihren Kreis stets enger um mich zogen, bis sie letztendlich auf meinem Schoß saßen, meine Kamera bestaunten und mit mir zu reden begannen. Das war wirklich ein sehr schöner Moment eines insgesamt sehr aufregenden Tages, der seinen Abschluss in einer Nachtwanderung durch die madagassische Wildnis fand.
Mit den Eindrücken, die ich auf dieser Reise sammeln durfte, könnte ich noch Seiten füllen, allerdings möchte ich auch den anderen Ereignissen, die sich in meinem Alltag in Tana abspielen, einen Platz in diesem Beitrag einräumen: Bevor ich im Büro der FES meine Arbeit beginne, besuche ich einen Madagassisch-Sprachkurs. Meine Arbeitssprache ist zwar Französisch, allerdings wird dieses Relikt der Kolonialzeit nur von sehr wenigen Menschen wirklich gesprochen. Vor allem bei täglichen Besorgungen auf dem Markt oder beim Busfahren, bin ich darauf angewiesen wenigstens Grundkenntnisse in der Landessprache zu haben, um mich verständigen zu können. Auch viele unserer Aktivitäten vor Ort, wie etwa öffentliche Debatten, werden auf Madagassisch gehalten, ebenso sprechen meine Kollegen/innen im Büro die meiste Zeit in ihrer Muttersprache, es sei denn sie reden mit mir oder dem Büroleiter, der auch deutsch ist.
Eine der vielen madagassischen Besonderheiten im Vergleich zum afrikanischen Festland, ist die Tatsache, dass Madagassisch die gemeinsame und theoretisch auch verbindende Sprache der Inselbewohner/innen ist. Es gibt zwar phonetische Unterschiede von Region zu Region, allerdings können sich die Menschen mithilfe einer einzigen Sprache verständigen. Leider hat dieser große Vorteil der gemeinsamen Sprache noch nicht als Bindeglied funktionieren können. Die Madagassen/innen verstehen sich nicht als ein Volk, sie betonen ihre regionalen Unterschiede, ihre Bräuche und ihre Herkunft. Phänotypisch kann man zwischen zwei Hauptgruppen unterscheiden: Der asiatischen und der afrikanischen. Je weiter man an die Küsten kommt, umso afrikanischer/dunkler sehen die Menschen aus. In der Hauptstadt Tana im Hochplateau trifft man vor allem den asiatisch/indonesischen Typen an.
Die französische Kolonialmacht hat sich auf diese äußerlichen Unterschiede gestützt und eine Unterteilung in „höherwertige bzw. minderwertige“ Ethnien vorgenommen. Hierbei galt natürlich das Motto: Je heller, desto wertvoller. Dies diente den Franzosen um ihre eigenen Herrschaftsansprüche zu festigen und sich dabei auf eine einheimische Ethnie zu stützen. Die Auswirkung dieser Unterteilung zeigt sich heute in einem innermadagassischen Rassismus, der zwar nicht mit erst mit den Methoden der Kolonialisten Einzug auf der Insel hatte, der sich dadurch aber fester in den Köpfen verankern konnte. Diese Vorurteile zu überwinden, ist sicherlich eine der wichtigsten Aufgaben der Madagassen/innen.
Ich hingegen backe erstmal kleinere Brötchen: Zu meinen täglichen Aufgaben gehörte es bisher, die Facebookseite der FES Madagascar täglich mit Zeitungsartikeln, Bildern und Veröffentlichungen zu füttern, Eventkonzepte nach Vorgaben zu korrigieren und von Französisch auf Englisch zu übersetzen, falls ausländische Referenten eingeladen sind. Auch das Recherchieren zu Themen, je nach inhaltlichem Schwerpunkt der Veranstaltung (bspw. Migration und Xenophobie, Gender Mainstreaming in afrikanischen Wahlkontexten oder aber der Entwicklung eines afrikanischen Industriestaates) gehört zu meinen Aufgaben. Aus den gesammelten Texten wird im Anschluss ein Reader erstellt, der eine kurze Einführung in die Themen bieten soll. Momentan lese ich eine Publikation, die sich mit Methoden der Industriepolitik in Afrika beschäftigt, um diese dann nach Ländern sortiert, zusammenzufassen. Nebenher fallen natürlich auch organisatorische und logistische Aufgaben an, so hole ich etwa verschiedene Preisangebote für Saalmieten etc. ein. Oft bin ich auch außerhalb des Büros unterwegs, wie bspw. bei einem Empfang der amerikanischen Botschaft zum Thema Gleichberechtigung von Homosexuellen und Transgenders vor ein paar Tagen. Ich hatte auch die Möglichkeit mir die Nationalversammlung anzuschauen und bei einem Gespräch zwischen dem Büroleiter und dem Vizepräsidenten der Versammlung dabei zu sein. Kurzum, bisher war jeder Tag anders und sehr spannend und ich freue mich auf die nächsten zwei Monate, von denen ich hier natürlich hin und wieder berichten werde!
PS: Falls ihr Fragen zu Madagaskar oder auch zu einem Praktikum bei der FES habt, scheut euch nicht davor, mir auf filiz.m.yildirim@gmail.com zu schreiben!
Bis bald  !!

PPS: Nein, auf Madagaskar gibt es keine Pinguine!

Mit selbstgebastelten Laternen zum Nationalfeiertag haben wir besonders den kleinen Dorfbewohner/innen für ihre Gastfreundschaft gedankt!
Mit selbstgebastelten Laternen zum Nationalfeiertag haben wir besonders den kleinen Dorfbewohner/innen für ihre Gastfreundschaft gedankt!
Alle Lemurarten Madagaskars sind endemisch, das heißt sie existieren nur auf der Insel. Hier ein besonders süßer Vertreter seiner Art!
Alle Lemurarten Madagaskars sind endemisch, das heißt sie existieren nur auf der Insel. Hier ein besonders süßer Vertreter seiner Art!
Ein YLTP in Aktion!
Ein YLTP in Aktion!
So sehen die Holzbauten Antoetras aus!
So sehen die Holzbauten Antoetras aus!
Blick auf Reisfelder: Reis ist DAS Grundnahrungsmittel überhaupt. Er wird bereits zum Frühstück gegessen!
Blick auf Reisfelder: Reis ist DAS Grundnahrungsmittel überhaupt. Er wird bereits zum Frühstück gegessen!
Hier werden die typischen Verzierungen in einen selbstgebauten Schrank eingearbeitet.
Hier werden die typischen Verzierungen in einen selbstgebauten Schrank eingearbeitet.
Im botanischen Garten Tanas: Tsimbazaza!
Im botanischen Garten Tanas: Tsimbazaza!
Auf Mada lohnt es sich, auch mal genauer hinzuschauen !
Auf Mada lohnt es sich, auch mal genauer hinzuschauen !
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