Ausstellungsbegleitende Überlegungen

"[...] welche Hilfestellung kann die Geschichtsdidaktik dem Geschichtslehrer geben, der die türkischen Verbrechen an der armenischen Bevölkerung im Ersten Weltkrieg thematisiert und mit seiner Fachautorität keinen Ausgleich zwischen den sich gegenüberstehenden Bewertungen als 'Vertreibung' oder als 'Völkermord' erzielen kann?"

Diese Fragen formulierte Martin Sabrow 2005 in seinem Aufsatz "Nach dem Pyrrhussieg. Bemerkungen zur Zeitgeschichte der Geschichtsdidaktik" (Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, 2 (2005), H. 2, URL: http://www.zeithistorische-forschungen.de/2-2005/id=4668). In der Tat: Der Umgang mit dem Völkermord an den Armeniern gehört wohl zu den schwierigsten Themen; und es ist leicht, ihn zu umgehen, da er nicht Teil verpflichtender Lehrpläne ist. Die berühmte Ausnahme des Landes Brandenburg nennt ihn jedenfalls auch nur optional. Sabrow spricht den Völkermord ja selbst als "Verbrechen" an und vermeidet den juristischen Terminus des Genozids. Genau an diesem Begriff entzünden sich aber meist die sehr schwierigen Diskussionen, hier beginnt das verminte Diskursgelände. Soll das Ziel des Unterrichts denn wirklich ein Ausgleich zwischen den Bewertungen als "Vertreibung" oder als "Völkermord" sein? Oder soll nicht vielmehr die wissenschaftliche Einsicht, dass das Geschehen mit dem Begriff "Völkermord" zutreffend beschrieben werden kann, allenfalls Ausgangspunkt für viel spannendere Fragen sein?

Das alles mag man kritisch anfragen, aber es bleibt das von Sabrow zu Recht angedeutete Unbehagen, dass dieses Thema für die Lehrerin und den Lehrer im konkreten Unterricht vor allem Probleme bedeutet: Zu groß ist die Gefahr, dass manche Schülerinnen und Schüler über dieses Thema auch in innerfamiliäre Konflikte gestürzt werden, zu deren Lösung die Lehrer/innen nichts mehr beitragen können, während andere Schülerinnen und Schüler mit dem Thema nichts anfangen können oder - im schlimmsten Falle - Ressentiments bestätigt sehen, weil sie den feinen Differenzierungen der Lehrperson nicht folgen können.

In jedem Fall stellen die Armeniergräuel ein heikles Unterrichtsfeld dar. Diese Homepage soll Lehrer/innen helfen, dennoch in den Themenkomplex hineinzufinden und ihn für einen konkreten Geschichtsunterricht aufzubereiten. Wir haben uns dazu nicht nur Gedanken darüber gemacht, was das inhaltlich bedeutet, sondern auch darüber, welche didaktischen Implikationen das haben kann. Diese Überlegungen finden Sie auf den folgenden Unterseiten. Rückmeldungen aus Ihrer eigenen Unterrichtserfahrung würden uns daher sehr interessieren.