Armeniergräuel 1915/16: Gerüchte in der Region

Die Frage nach einer deutschen Mitverantwortung wurde schon während des Krieges von den unterschiedlichsten Akteuren gestellt – und meist bejaht. Insbesondere in Ostanatolien selbst gab es Gerüchte, nach denen die Deutschen selbst die Vernichtung der Armenier angeordnet hätten.

Das Deutschlandbild im frühen Kriegsverlauf

Karikatur aus dem „Punch“, 20.10.1915. Digitalisat aus der HeidICONDatenbank der Universität Heidelberg, Bild-ID 328789, CC-BY-SA.
Karikatur aus dem „Punch“, 20.10.1915. Digitalisat aus der HeidICONDatenbank der Universität Heidelberg, Bild-ID 328789, CC-BY-SA.

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges hatte das Deutsche Reich das neutrale Belgien besetzt. Beim Einmarsch kam es von Seiten deutscher Soldaten zur Tötung von möglicherweise mehreren tausend Zivilisten. Die Propaganda der Entente-Mächte stilisierte den Angriff auf das neutrale Land und die deutschen Verbrechen zum Rape of Belgium. In dieser Zuspitzung fanden die Kriegsgreuel auch Eingang in eine der ersten propagandistisch angelegten Quelleneditionen des Weltkriegs, in den "Bryce Report on Alleged German Outrages".

Auch die Massaker an den Armeniern wurden früh aus dieser Erfahrung heraus als deutsch beeinflusst wahrgenommen. Deutsche im Osmanischen Reich berichteten vielfach von einem im Osmanischen Reich kursierenden Gerücht, demzufolge die Deutschen für das Vorgehen gegen die Armenier im Osmanischen Reich verantwortlich seien. Der Vizekonsul Hoffmann in Alexandrette berichtete am 8. November 1915:

"Im hiesigen Lande selbst ist, darüber kann kein Zweifel bestehen, die nichtarmenische christliche - fremde wie einheimische - Bevölkerung, die Zeuge der Verschickung geworden ist, von Deutschlands Mitschuld an dieser und seiner gänzlichen Gleichgiltigkeit [sic] gegen ihre Greuel überzeugt, Greuel, die man bei aller Abneigung gegen die Armenier denn doch mit wenigen Ausnahmen verabscheut. Nach verbürgten Aeusserungen zu urteilen, sieht man darin den Ausfluss desselben Geistes, der sich in den 'belgischen Greueln' betätigt habe. Mit andern Worten: die Armeniergreuel und die 'belgischen Greuel' werden in Wechselbeziehung gesetzt; weil wir die armenischen nicht verhindert haben, glaubt man uns die belgischen und umgekehrt."

In einer Debatte über die Massaker im britischen House of Lords (Oktober 1915) formulierte der Marquess of Crewe:

"It is also we believe true, as the noble Earl opposite indicated, that these crimes have been countenanced, if not in some cases actually encouraged, by the German officials in Turkey, whose presence there and the influence which they have exercised has been an absolute and unmitigated curse both to the Christian and Moslem populations of Turkey."

Gerüchte von einer deutschen Verantwortlichkeit

Auszug aus einem Schreiben von Franz Günther an Arthur von Gwinner (© Deutsche Bank, Historisches Institut).
Auszug aus einem Schreiben von Franz Günther an Arthur von Gwinner (© Deutsche Bank, Historisches Institut).

Insbesondere im Kontext des diplomatischen Dienstes gab es Bemühungen, diesen Gerüchten entschieden zu widersprechen. So insistierte etwa der deutsche Botschafter Paul Metternich gegenüber dem Großwesir:

"Ich habe ihm schließlich von dem Mißbrauch gesprochen, den türkische niedere Beamte sich zu Schulden kommen ließen durch die falsche Behauptung, daß die Deutschen die Armenierverfolgungen begünstigten. […] Wir seien durchaus nicht gesonnen, die Verantwortung für die Armenierpolitik mit der türkischen Regierung zu teilen, und ich bäte ihn, diesen Gerüchten mit Nachdruck entgegenzutreten."

Die Gerüchte, der Kriegspartner Deutschland habe das Vorgehen gegen die Armenier angeordnet, fanden jedoch vor allem in der (armenischen und nicht-armenischen) Bevölkerung in Ostanatolien Anklang. Der stellvertretende Generaldirektor der Bagdadbahn erfuhr, dass armenische Bahnarbeiter nur auf deutschen Baustellen deportiert würden, und beklagte "das […] Bild, dass die Armenier bei uns auf deutsches Drängen hin brotlos gemacht werden, während der türkische Bauherr als ihr Schutzherr in Erscheinung tritt". Ein anderer berichtete:

"Ich sah, wie auf Lasttieren und Wagen der armselige Hausrat dieser Leute fortgeführt wurde. Die Plünderer liessen sich durch meine Gegenwart nicht etwa stören, im Gegenteil, sie versicherten mir freudig, Deutschland habe das befohlen […]."

Mancherorts wurden die Gerüchte auch konkreter:

"Bezeichnend für die Stimmung der Armenier gegen Deutschland ist die hier umlaufende Lesart von der Ursache des türkischen Vorgehens gegen Dörtjol. Ein Deutscher, heisst es, habe als Engländer auftretend die Dörfer jener Gegend besucht und den armenischen Einwohnern eröffnet, sie, die Engländer, beabsichtigten eine Besetzung der Gegend; was sie, die Armenier, wohl davon dächten. Die so Befragten hätten 'natürlich' geantwortet, ihnen könnte nichts Lieberes geschehen. Das habe der Deutsche darauf den türkischen Behörden angezeigt. Wenn auch einige Bessergestellte unter den Armeniern diese Lesart für unglaubwürdig erklärten, so wird sie vom Volk zweifellos geglaubt."

Reaktionen auf die Gerüchte

Der deutsche Auswärtige Dienst beobachtete die ausländische Berichterstattung aufmerksam - hier die Abschrift einer Meldung aus einer französischen Zeitung, die inhaltsgleich auch in der Westminster Gazette erschienen war. Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, R 14089, Anlage zu A 469.
Der deutsche Auswärtige Dienst beobachtete die ausländische
Berichterstattung aufmerksam - hier die Abschrift einer Meldung aus
einer französischen Zeitung, die inhaltsgleich auch in der Westminster
Gazette erschienen war. Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, R
14089, Anlage zu A 469.

Es gibt Hinweise, dass osmanische Beamte das Gerücht von der deutschen Initiative in die Welt gesetzt hatten. So berichtete eine Vertrauensperson im Dezember 1915 an das k. u. k. Ministerium des Äußeren:

"Diese Auffassung, dass es der besondere Wunsch des deutschen Kaisers sei, die Armenier völlig auszurotten, ist in Anatolien von den türkischen Behörden planmässig verbreitet worden."

Der k. u. k. Konsul Nadamlenzki erklärte im November 1915: "Ich bin überzeugt, dass diese ganze anti-deutsche Bewegung vom [jungtürkischen] Komité ausgeht." Für die Bevölkerung vor Ort war das eine plausible Erklärung für das Ausmaß der Verfolgungen. Der im November 1914 durch eine Fatwa des Scheichülislam ausgerufene Heilige Krieg (Dschihad) gegen England, Frankreich und Russland wurde vor Ort auch als Krieg gegen Nichtmuslime verstanden; und es war bekannt, dass diese Dschihadproklamation auf deutsche Initiative hin erfolgt war. Die für ein deutsches Hilfswerk arbeitende Alma Johansson erklärte im November 1915:

"Da der Hl. Krieg ausgerufen wurde, sahen wir, wohin es kommen würde. Es wurden zündende Reden gehalten, daß, 'da wir doch gegen den Christen Krieg führen, müssen wir zunächst die Christen im Lande ausrotten'."

Das wohl prominenteste Opfer dieser Gerüchte war der deutsche Konsul in Aleppo, Walter Rößler. Um Armeniern in der syrischen Wüste unter der Hand Hilfsgelder in großer Höhe zukommen lassen zu können, pflegte er engen Umgang mit osmanischen Beamten, die er teilweise auch für ihr Schweigen bestach. Hiervon profitierten auch amerikanische (und schweizerische) Unterstützungsinitiativen. Diese Tätigkeiten betrieb er jedoch im Geheimen. Schon früh verbreiteten britische Zeitungen das Gerücht, ausgerechnet Rößler persönlich leite die Deportationen und Massaker. Diesen Gerüchten konnte er nicht öffentlich widersprechen, ohne seine Arbeit zu gefährden. Er bat daher die amerikanische Botschaft für die Nachkriegszeit um die schriftliche Bestätigung, dass er auch amerikanische Gelder an Armenier weitergeleitet hatte; diese Bestätigung wurde ihm jedoch verwehrt.


Autor: Benedikt Chaßeur


Materialien, Teil I

Quelle 1

Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts (Jagow) an den Botschafter in Konstantinopel (Wangenheim). Telegraphischer Erlaß. No. 1918. Berlin, den 9. Oktober 1915

Feindliche, neuerdings auch neutrale Presse fährt fort Deutschland der Mitschuld und Anstiftung bei angeblichen Ausschreitungen zu bezichtigen die anläßlich türkischer Maßnahmen gegen Armenier begangen sein sollen. Westmister Gazette vom 30st. vor. Mts. behauptet daß deutsche Konsuln, so Hr. Rössler in Aintab, das türkische Vorgehen geleitet und dazu ermuntert hätten. Ähnliche Beschuldigung aussprachen kürzlich Lord Cromer und Lord Crewe im Oberhaus unter Berufung auf amerikanische Augenzeugen.

Kurze Notiz die solche Behauptungen als lächerliche Lügen bezeichnet wird hier veröffentlicht. Schleuniges ausführliches Dementi erscheint jedoch unerläßlich, da deutsche öffentliche Meinung stark beunruhigt. Im türkischen Interesse liegt es daß die Pforte selbst die Beschuldigungen dementiert auch soweit sie sich gegen Deutschland richten. Türkisches Dementi wäre wirksamer als deutsches, würde auch unserer Presse weniger Anreiz zur Erörterung der armenischen Frage bieten wovon wir sie bisher nicht ohne Mühe zurückgehalten haben. Vielleicht könnte die Pforte an Artikel der Westminster Gazette und Erklärungen im Oberhaus anknüpfen, das Verhalten der Armenier und die Notwendigkeit der türkischen Gegenmaßregeln nochmals kurz darlegen und anschließend daran etwa sagen, sie lege Wert darauf festzustellen daß deutsche Botschaft und Konsulate sich auch während des Krieges stets der Armenier angenommen, ihre Beschwerden zur Kenntnis der Behörden gebracht und auf milde Behandlung hingewirkt hätten.

Falls Ew. Exzellenz entsprechende vorsichtige Sondierung bedenklich erscheint oder die Pforte Dementi ablehnt, müßte Dementi diesseits erfolgen. Bitte gegebenenfalls Vorschläge für Formulierung drahten.

Ferner wollen Ew. Exzellenz die Angelegenheit im Hinblick auf die im Oberhaus angerufenen amerikanischen Zeugen mit Botschafter Morgenthau besprechen und wenn möglich auch ihn zu einer Gegenerklärung veranlassen.

Entwurf eines Dementis

Die feindliche Presse und selbst die Presse des neutralen Auslands beschäftigt sich erneut mit der armenischen Frage und schreckt nicht einmal davor zurück, eine verbündete Macht angeblicher Exzesse gegen die Armenier bei den von der kaiserlich-osmanischen Regierung ergriffenen Maßnahmen zu beschuldigen. Als Beispiel dient die Behauptung der Westminister Gazette vom 30. September, deutsche Konsuln hätten persönlich solche Vorgänge angeregt und geleitet und die Anschuldigungen im britischen Oberhaus, wo die Adligen Lord Cromer und Crewe meinten sich darüber auslassen zu müssen, indem sie sich auf angebliche Augenzeugen eines neutralen Staates beriefen.

Angesichts dergleichen übertriebener Lügen gegenüber einer verbündeten Macht, die sich seit langem als wahrer Freund der Türkei erwiesen hat und unentwegt seine von reinsten humanitären Gefühlen inspirierten guten Dienste anbietet, können wir nur ein formelles Dementi wiederholen. Jeder, der etwas von den internationalen Beziehungen versteht, weiß, daß kein souveräner Staat es einer fremden Macht erlauben würde, auch nicht einer verbündeten Macht, sich in seine inneren Angelegenheiten einzumischen.

Angesichts der wiederholten Lügen höheren Ortes müssen wir erneut darauf hinweisen, 1) daß es durch unwiderlegbare Fakten erwiesenermaßen eine große Verschwörung gegeben hat, die sich unter den türkischen Armeniern in den der russischen und persischen Grenzen benachbarten Gebieten ausgebreitet hat, deren Bevölkerung durch russische Agitatoren aufgehetzt worden war; 2) daß die gleichen hochverräterischen Verhältnisse zwischen Armeniern und feindlichen Mächten in anderen Teilen des Osmanischen Reichs herrschten; und daß 3) die souveräne Türkei nicht nur das Recht hatte, die strengsten Maßnahmen gegen die Verschwörer zu ergreifen, sondern es auch angesichts des Kriegszustands gegen all diese Mächte es auch eine Pflicht der legitimern Verteidigung war, mit aller Härte des Gesetzes die durch die Ereignisse erzwungenen Maßnahmen durchzuführen. Wenn in vereinzelten Fällen die lokalen Verantwortlichen in ihrem vaterländischen Eifer zu weit gegangen sind, hat die Regierung sofort dafür gesorgt, den angerichteten Schaden so weit wie möglich zu beheben; und sie hat darüber hinaus, dem Rat der befreundeten Mächte folgend, in mehreren Fällen ihren armenischen Untertanen Erleichterungen verschafft und Ausnahmen erlassen, wenn diese Mächte in der Lage waren, ihr die einwandfreie Führung dieser Personen zu garantieren. Deshalb müssen wir anerkennen, daß die befreundeten Konsuln, weit davon entfernt, die osmanischen Behörden zu illegalen Maßnahmen anzuhalten, ihre Anstrengungen darauf verwandt haben, das Elend zu mildern, das die durch den Krieg notwendigen strengen Maßnahmen für die Bevölkerung mit sich bringen konnten.

[Jagow]

[Notiz des deutschen Auswärtigen Amts]

Die feindliche Presse und neuerdings auch die Presse der neutralen Staaten erneuert seine Beschuldigungen gegen Deutschland, das sich schuldig gemacht habe, anläßlich der gegen die Armenier erhobenen Maßnahmen zu angeblichen Exzessen zu ermuntern. Die „Westminster Gazette“ vom 30 September gibt vor, daß deutsche Konsuln (ausdrücklich genannt Herr Rößler in Aintab) zu diesen Exzessen aufgefordert und sie betrieben habe. Die gleichen Anschuldigungen sind im britischen Oberhaus von Lord Cromer und Lord Crewe erhoben worden, die sich auf neutrale Augenzeugen berufen.

Nach derzeitigem Stand wird die deutsche Regierung eine kurze Notiz herausgeben, in der solche Anschuldigungen als lächerliche Lügen charakterisiert werden. Es scheint ihr aber absolut notwendig zu sein, daß diese Anschuldigungen so schnell wie möglich durch ein detaillierteres Dementi zurückgewiesen werden, denn die deutsche Öffentlichkeit ist stark beunruhigt. Es liegt im türkischem Interesse, daß die Hohe Pforte selbst diesen Anschuldigungen, soweit sie sich gegen Deutschland richten, ein formelles und präzises Dementi entgegenstellt. Ein Dementi seitens der osmanischen Regierung wäre wirksamer als ein deutsches, und es wäre weniger Gegenstand von Diskussionen in der deutschen Presse, die, nicht ohne Anstrengungen, bislang davon abgehalten werden konnte, sich mit der armenischen Frage zu befassen. Somit würde ein deutsches Dementi die deutsche öffentliche Meinung in einem negativen Sinn für die Türkei beeinflussen, wenn nicht ein osmanisches Dementi gleichzeitig käme oder besser noch davor.

[Reutermeldung]

11. Okt. 15

von Admiral, Berlin (9. Okt. 7.15 pm.)

an Etappe (entziffert 10.35 am.)

No. 365. Reuter London 6. Oktober:

Oberhaus besprach heute Armenier Mord. Lord Cromer sagte, werde behauptet 8 hundert tausend kamen um, das halte er übertrieben. Deutschland sei wegen Einfluss den Konstantinopel ausübe moralisch mit verantwortlich; wenn Grossbritanien nichts anderes tun könne, wolle es Tatsache mitteilen. Lord Crewe sagte namens Regierung halte wünschenswert, dass Tatsachen soweit offiziell bestätigt bekannt werden. Britische Konsularberichte brachten bedauernswerten Stand Sachen ans Licht. Einem Bezirk sei Bevölkerung mit Ausnahme weniger Flüchtlinge gänzlich gemordet. Viele Flüchtlinge seien nach kaukasischen Provinzen gekommen. Durch einen Bezirk zogen 160 tausend. Zustand Flüchtlinge furchtbar. Viele verhungerten. Russen helfen ihnen, wenn aber nicht mehr Hilfe komme, werde wahrscheinlich Hälfte sterben. Regierung besitze keine offizielle Mitteilung betreffs Mitschuld Deutscher; amerikanischer Augenzeuge erzählte, dass deutsche Konsular-Vertreter Klein-Asien Gräuel zusehen dann ermutigen. England habe türk. Regierung mitgeteilt, dass sie für Untaten verantwortlich machen werde, sei nutzlos gewesen. Vorsitzende Untersuchungs-Kommission Bryce sagte, halte 8 hundert tausend nicht für übertrieben, fast ganze Nation sei vertilgt. Einzige Möglichkeit Rest retten, sei ganzen Welt Meinung sagen; das werde deutsche Regierung vielleicht veranlassen Türken zurückzuhalten.

[Notiz Mordtmann 12.10.]

ich habe die Notiz mit der Anlage heute früh Talaat bej mit den erforderlichen Bemerkungen übergeben; er wollte sich sofort mit dem Ausw. Ministerium in Verbindung setzen um das Gewünschte zu veranlassen, u. wird evtll. auch in der Kammer die Sache zur Sprache bringen.

[Notiz Neurath]

Ich bitte am Donnerstag wieder nachzufragen, was geschehen ist.

[Notiz Mordtmann 14.10.]

Talaat bej formalisierte sich über die Notice, da er in keinem direkten Schriftverkehr mit der Botschaft stehe und verwies an das Ministerium des Äußeren, dem er die Sache übergeben hat; der Musteschar des Ausw. Ministers bat mich Sonnabend bei ihm vorzusprechen, da er anderweitig stark in Anspruch genommen war. Von einer Besprechung in der Deputiertenkammer will Talaat bej lieber absehen, da er voraussieht, daß die Mitteilung der von den Armeniern in Van verübten Greuel zu Ausschreitungen hier führen würde.

[Telegramm Botschaft Konstantinopel an Auswärtiges Amt (Nr. 2354) 14.10.]

Antw. auf Tel. No. 1918.

Hatte Talaat Bey, mit welchem bisher armenische Angelegenheit besprochen worden ist, Notiz bezüglich unserer Dementiwünsche übergeben. Nachdem er zuerst zugesagt, auch Besprechung in der Kammer erwogen hatte, formalisiert er sich nunmehr und verweist auf auswärt. Ministerium. Werde dort auf schleuniges Dementi drängen, widrigenfalls wir dazu in eigenstem Interesse gegenüber feindlichen Behauptungen und zum Nachteil türk. Regierung genötigt sein würden, verspreche mir jedoch wenig Erfolg.

Weitere Meldung Sonntag.

[Wangenheim]

[Telegramm Botschaft Konstantinopel an Auswärtiges Amt ( No. 2359) 15.10.]

Im Anschl. an Tel. No. 2354.

Mr. Morgenthau, mit welchem Angelegenheit eingehend besprochen, erklärt sich zu Dementi außer Stande, will aber Bericht amerik. Konsuls Aleppo über Haltung Konsuls Roessler in Armenierfrage einfordern und nach Genehmigung seiner Regierung uns zur Verwendung überlassen.

Morgenthau betonte wiederholt, er wisse genau, daß deutscherseits alles geschehen sei, um die türkische Regierung von ihrem Vorgehen gegen den unschuldigen Teil der Armenier abzubringen und die Ausschreitungen zu verhindern. Auch sei ihm aus Berichten seiner Konsuln bekannt, daß die deutschen Konsuln sich stets und überall der unglücklichen Armenier angenommen haben.

[Wangenheim]

[Botschaft Konstantinopel an Konsulat Aleppo 15.10.]

Feindliche, neuerdings auch neutrale Presse fährt fort Deutschland der Mitschuld und Anstiftung bei angeblichen Ausschreitungen zu bezichtigen die anläßlich türkischer Maßnahmen gegen Armenier begangen sein sollen. Westmister Gazette vom 30st. vor. Mts. behauptet daß deutsche Konsuln, so Hr. Rössler in Aintab, das türkische Vorgehen geleitet und dazu ermuntert hätten. Ähnliche Beschuldigung aussprachen kürzlich Lord Cromer und Lord Crewe im Oberhaus unter Berufung auf amerikanische Augenzeugen.

Nach Rücksprache mit hiesigem amerikanischen Botschafter ersuche ich Sie Ihren amerikanischen Kollegen zu einer schriftlichen an Sie gerichteten Erklärung über Ihr Verhalten den Armeniern gegenüber zu veranlassen und diese umgehend einzureichen.

[Wangenheim]

Quelle 2

Der Konsul in Aleppo (Rößler) an den Botschafter in außerordentlicher Mission in Konstantinopel (Wolff-Metternich). Bericht No. 10. Aleppo, den 3. Januar 1916. Anlage 1: Kaiserliches Konsulat. BN. 944. Alexandrette, den 8. Nov. 1915.

[...]

5. Zu der Frage des Verhältnisses Deutschlands zu der Verschickung möchte ich auf Grund meiner Aleppiner und hiesigen Beobachtungen gehorsamst bemerken:

Hinsichtlich der Schädigung deutscher Gläubiger und deutscher Ausfuhrindustrien (wie Farbstoffe) nimmt Deutschland vor den andern fremden Staaten keine wesentliche Sonderstellung ein. Dass auf solche deutsche Interessen türkischerseits auch nicht die geringste Rücksicht genommen worden ist, habe ich oben gestreift.

Dagegen weisen bekanntlich feindliche und neutrale Auslandsstimmen in Parlament und Presse Deutschland eine besondere Rolle als Mitschuldiger, wenn nicht gar als Anstifter, zu. Es wird nicht leicht zu sagen sein, welche Schädigungen deutscher Interessen sich daraus ergeben.

Im hiesigen Lande selbst ist, darüber kann kein Zweifel bestehen, die nichtarmenische christliche - fremde wie einheimische - Bevölkerung, die Zeuge der Verschickung geworden ist, von Deutschlands Mitschuld an dieser und seiner gänzlichen Gleichgiltigkeit gegen ihre Greuel überzeugt, Greuel, die man bei aller Abneigung gegen die Armenier denn doch mit wenigen Ausnahmen verabscheut. Nach verbürgten Aeusserungen zu urteilen, sieht man darin den Ausfluss desselben Geistes, der sich in den "belgischen Greueln" betätigt habe. Mit andern Worten: die Armeniergreuel und die "belgischen Greuel" werden in Wechselbeziehung gesetzt; weil wir die armenischen nicht verhindert haben, glaubt man uns die belgischen und umgekehrt. Es ist zu erwarten, dass nach Friedensschluss der Chor der zurückkehrenden feindlichen Wettbewerber diese Auffassung nach Kräften verstärken wird. Ich kann mir keinen wirksameren Agitationsstoff in dieser Frage denken als das Bild: auf der einen Seite Deutschland, der mächtige Verbündete der Türken, das ungerührt hunderttausende von Frauen und Kindern zum Verkommen in die Wüste schicken lässt, und auf der andern Seite die französischen Kriegsschiffe, die (bei Suedije) 6000 dieser Unglücklichen, die sich schon dem Tode verfallen wähnten und wenigstens mit den Waffen in der Hand sterben wollten, aufnehmen und in Sicherheit bringen. Die Folgen für den Ruf des deutschen Namens in den christlichen Kreisen der Türkei sind klar.

Dieselbe Zustimmung Deutschlands nehmen auch die Muhammedaner an. Nur scheint die grosse Mehrheit, soweit sie überhaupt denkt, uns für die Duldung dieser radikalen "Operation" dankbar zu sein.

Andrerseits werden aber auch nach Berichten von vertrauenswürdiger Seite allerlei muhammedanische Stimmen laut, die die vorgekommenen Greuel, besonders die an Weibern und Kindern, als Sünde gegen die Gebote des Islams verdammen. Diese Stimmen sind besonders unter den arabischen Muhammedanern zu finden, denen bekanntlich die eigentlichen Türken und was sie tun von vorn herein unsympathisch und minderwertig erscheinen.

    • Damit stimmt die wiederholt gemachte Beobachtung überein, dass die verschickten Weiber und Kinder bei den muhammedanischen Fuhrleuten und Treibern die für ihren Transport requiriert waren, Schutz gegen die Roheiten der begleitenden Gendarmen fanden. Vizekonsul Holstein teilte mir u.a. mit, zwischen Tell-Abiad und Dscherabluss habe ein Scheich der Anese-Beduinen einen Armenierzug getroffen und ihm in sehr anständiger Weise bis Tell-Abiad Schutzgeleit gegeben. Von dem dortigen Etappenkommandanten sei er dafür mit Vorwürfen überhäuft worden. Uebrigens sei der Kommandant zwei Tage darauf spurlos verschwunden gewesen.

Leider scheint nach Aeusserungen, die mir von VK Holstein und andrer zuverlässiger Seite berichtet wurden, auch bei den Muhammedanern unsere Duldung zum Teil deswegen natürlich gefunden zu werden, weil wir "es in Belgien ja auch nicht anders gemacht" hätten.

Die Armenier selbst endlich sind natürlich allgemein von unsrer Mitschuld, wenn nicht gar von unsrer Anstiftung überzeugt. Auch wo ausnahmsweise klar gesehen und erkannt wird, dass unser Gehenlassen nicht Billigung sondern das bedauerliche Ergebnis empfindlicher politischer Verhältnisse ist, wird den Deutschen eine Mitschuld beigemessen, weil sie das armenische Volk in Sicherheit gewiegt hätten. So sagte mir ein ruhig denkender armenischer (protestantischer) Geistlicher: "Wir waren willens, loyal zu bleiben. Bis dann die Verschickung begann. Hätten wir uns damals allgemein der beginnenden Ausrottung unseres Volks widersetzt, so wären wir Herren der Lage geworden und wären heut nicht dem Untergange geweiht. Aber alle unsere deutschen Freunde in Marasch, Harunije, Urfa, Malatia und Ma'muret-ul-Asis haben uns dringend geraten, uns zu unterwerfen; dann werde uns nichts geschehen. Das haben wir geglaubt, und dass wir auf den deutschen Einfluss gebaut haben, ist unser Verhängnis geworden."

Würde die Verschickung der Armenier wirklich zu ihrer Ausrottung führen, so wären diese armenischen Stimmungen belanglos. Es wird aber, selbst wenn die Verschickung noch Monate fortdauert, immer noch ein nennenswerter Bruchteil der Armenier übrig bleiben, sei es, dass eine Anzahl bei der Zähigkeit der Rasse durch alle Lebensgefahren durchhalten oder bei der Vielgewandtheit der armenischen Intelligenz Mittel und Wege zur Rettung finden, sei es, dass sie von der Verschickung überhaupt verschont bleiben, wie jetzt noch die obenerwähnten Bahnangestellten, die Bevölkerung der oben genannten Grossstädte und einzelne reiche Einwohner andrer Städte (z.B. Adanas). Gerade die einflussreichsten Elemente werden also die Verschickung voraussichtlich überdauern. Ebenso die rund 25000 Armenier, die nach armenischer Angabe in den nordöstlichen Wilajets den Islam angenommen haben, um sich zu retten, ferner Dienstboten, aufgelesene Kinder u.a..

Alle diese werden natürlich gegen Deutschland aufs Tiefste erbittert sein, selbst die, welche unserm Eingreifen ihr Leben verdanken (Bahnangestellte), da Dankbarkeit bekanntlich eine dem armenischen Charakter unbekannte Eigenschaft ist.

Ihnen werden sich die zahlreichen Nichtarmenier zugesellen, die durch die Armenierverschickung Verluste gehabt haben oder gar zu Grunde gerichtet worden sind.

Beide werden den Chor unsrer Gegner in der Türkei nach dem Friedensschluss verstärken und dabei einen günstigen Boden bei allen Teilen der Bevölkerung finden, die in dem Kriege wirtschaftlich gelitten - und wer hätte das nicht - oder Angehörige verloren haben. Denn dass diesen Leiden bei der übergrossen Mehrheit der Bevölkerung, auch der muhammedanischen, kein Ideal das Gegengewicht hält, bedarf wohl keiner Hervorhebung.


Material für Projektarbeit, Teil II

(zusammengestellt von Andreas Frings)

Das folgende Material kann genutzt werden, um der Wahrnehmung der deutschen Rolle in der Region weiter nachzugehen. Als Ergänzung bietet sich ein Blick in die Quellensammlung unter http://www.armenocide.net/ an, die mit Suchbegriffen durchsucht werden kann, wie auch eine Arbeit mit Wikipedia und anderen online verfügbaren Materialien insbesondere zu den Akteuren.

Der Konsul in Aleppo (Rößler) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg). Bericht, K No 79 / B No. 1553. Aleppo, den 17. Juli 1915

„Im Uebrigen verlautet auch, dass unter der Bevölkerung des nördlichen Mesopotamien und im Wilayet Diarbekr Druckschriften verteilt worden sind, welche gegen die Armenier hetzen. Es scheint, dass sogar der Versuch gemacht wird, diese Verteilung als von deutscher Seite ausgehend hinzustellen, ein Versuch, der dadurch erleichtert wird, weil sonst von deutscher Seite Druckschriften verteilt worden sind.“[1]

Der Konsul in Aleppo (Rößler) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg). Bericht, K. No. 81 / B. No. 1645. 27. Juli 1915

„Die geschilderte Behandlung des armenischen Volkes verdient meines gehorsamen Erachtens ausser aus anderen Erwägungen auch aus dem Grund besondere Aufmerksamkeit von deutscher Seite, als sie von weiten Kreisen der Bevölkerung, auch der muhammedanischen, auf deutsche Einwirkung bei der türkischen Regierung zurückgeführt wird. Es heisst, Deutschland sei der Anlass zu dem Entschluss der türkischen Regierung das armenische Volk bis zur völligen Bedeutungslosigkeit zu zerschmettern. Die türkische Regierung wird vermutlich alles tun, dieser Ansicht Vorschub zu leisten. Sie wird froh sein, das Odium ihrer Massregeln auf uns abwälzen zu können. Deutschlands Name aber wird dadurch in den Schmutz gezogen.“[2]

Der Konsul in Aleppo (Rößler) an den Botschafter in außerordentlicher Mission in Konstantinopel (Wolff-Metternich). Bericht No. 10. Aleppo, den 3. Januar 1916. Anlage 1: Kaiserliches Konsulat. BN. 944. Alexandrette, den 8. Nov. 1915.

"Im hiesigen Lande selbst ist, darüber kann kein Zweifel bestehen, die nichtarmenische christliche - fremde wie einheimische - Bevölkerung, die Zeuge der Verschickung geworden ist, von Deutschlands Mitschuld an dieser und seiner gänzlichen Gleichgiltigkeit [sic] gegen ihre Greuel überzeugt, Greuel, die man bei aller Abneigung gegen die Armenier denn doch mit wenigen Ausnahmen verabscheut. Nach verbürgten Aeusserungen zu urteilen, sieht man darin den Ausfluss desselben Geistes, der sich in den 'belgischen Greueln' betätigt habe. Mit andern Worten: die Armeniergreuel und die 'belgischen Greuel' werden in Wechselbeziehung gesetzt; weil wir die armenischen nicht verhindert haben, glaubt man uns die belgischen und umgekehrt.“[3]

Geschäftsbericht der Deutsch-Armenischen Gesellschaft, Mai 1919

„Die schon seit dem Hamidischen Massakers im Orient bestehenden deutschen Liebeswerke haben, so viel sie konnten, zur Unterstützung der deportierten Armenier getan. Neben dem Werk der deutschen Orientmission in Urfa, dessen Beamte das erst während des Krieges ins Leben gerufene Hilfswerk von D. Lepsius ebenfalls geleitet haben, sind vor allem die Stationen des deutschen Hilfsbundes für christliches Liebeswerk im Orient, das Blindenheim in Malatia und die Anstalten des Kaiserswerter Diakonissenhauses in Aleppo zu nennen. In Aleppo hatten wir den tatkräftigen Förderer des Unterstützungswerks in dem dortigen deutschen Konsul Rößler. Aus den Nachrichten, die wir aus dem Orient erhielten, ging aber hervor, daß es allen den genannten Stellen nur gelegentlich gelang, einzelne Deportationslager zu erreichen, während andere ohne jede Unterstützung blieben.“[4]

Der Botschafter in außerordentlicher Mission in Konstantinopel (Wolff-Metternich) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg). Bericht Nr. 714. Pera, den 9. Dezember 1915

„Ich habe diesmal absichtlich bei dem Großwesir und nicht bei einem Mitgliede des Triumvirats Vorstellung erhoben, weil mir bekannt ist, daß er die Armenierverfolgungen mißbilligt. Er hat zwar nicht die Macht sie einzustellen, es wird ihm aber ganz erwünscht sein, meine Vorstellungen bei seinen Kollegen zu verwerten. Ich habe ihm schließlich von dem Mißbrauch gesprochen, den türkische niedere Beamte sich zu Schulden kommen ließen durch die falsche Behauptung, daß die Deutschen die Armenierverfolgungen begünstigten. Diese Verleumdung sei in Anatolien, wie ich von Reisenden und aus anderen Quellen unumstößlich wisse, weit verbreitet. Wir seien durchaus nicht gesonnen, die Verantwortung für die Armenierpolitik mit der türkischen Regierung zu teilen, und ich bäte ihn, diesen Gerüchten mit Nachdruck entgegenzutreten. Dem Großwesir war über derartige Gerüchte nichts bekannt. Er versprach aber ausdrücklich, sie dementieren zu lassen.“[5]

Max Erwin von Scheubner-Richter an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg). Bericht Tgb. Z. 243.  München, den 4. Dezember 1916

„Auf dem Wege nach Mossul, der uns in den neugeschaffenen Befehlsbereich der 6. Armee führte, erhielten Omer Nadjis und meine Abteilungen den Befehl, ein Armenierdorf bei Hesak, in dem sich angeblich aufständische Armenier verschanzt hatten, zu stürmen und zu bestrafen. Ich erfuhr rechtzeitig, dass die angeblich ‘Aufständischen’ Leute waren, die sich, aus Furcht vor einem Massaker, verschanzt hatten und gern bereit wären, ihre Waffen auszuliefern, wenn ihnen nur ihr Leben zugesichert würde. Ein von dem Verweser des deutschen Konsulates in Mossul und von mir angebotener Vermittelungsversuch wurde seitens des Oberkommandos der 6. Armee, dem ich den Sachverhalt mitgeteilt hatte, abgelehnt. Ich entzog mich dem mir drohenden Konflikt dadurch, dass ich die mir unterstellten Deutschen, Offiziere und Mannschaften, nach Mossul berief und den Befehl über die mir anvertrauten türkischen Truppen einem meiner türkischen Offiziere übergab, mit der Motivierung, dass es sich um eine ‘innertürkische’ Angelegenheit handele, und ich es daher nicht für angebracht halte, dass Deutsche hierbei den Befehl über ‘Gendarmeriedienst’ tuende türkische Truppen führten. Mein Verhalten fand nachträglich die Billigung des Generalfeldmarschalls v. d. Goltz. Auch von türkischer Seite wurde dasselbe als ‘gewandt’ anerkannt. Die dabei zutage tretende Enttäuschung legt die Vermutung nahe, dass es sich bei diesem mir erteilten Befehl um einen Versuch Halil Bejs handelte, mich und die mich begleitenden Deutschen, in uns kompromittierender Weise, in die Armenier-Angelegenheit hineinzuziehen.“[6]

Bericht des Pfarrers Grafen von Lüttichau über seine persönlichen Beobachtungen und Feststellungen im Sommer 1918

„Nicht nur die Feinde, auch die breite Masse des Volkes belastet uns mit der Schuld, eine Bürde, an der wir noch lange schwer tragen werden. Der Glaube an unsere Schuld sitzt auch bei den Armeniern selbst so unausrottbar fest, dass man aus Zorn und Scham zugleich rot werden möchte. Wie konnte es dahin kommen? Dass wir mittelbar insofern die Schuld tragen, als wir die Türkei in den Krieg genötigt und damit die Situation geschaffen haben, in der das überhaupt nur möglich war, ist deutlich, fällt aber nicht ins Gewicht. Bedenklicher ist, dass leider zu wiederholten Malen höhere deutsche Offiziere, ohne sich der politischen Konsequenzen bewusst zu sein, ausschliesslich strategisch militärischen Gesichtspunkten stattgebend, Aeusserungen getan haben, die schweren Schaden anrichteten. Es ist sehr wohl möglich, dass solche Aeusserungen absichtlich provoziert und dann geflissentlich verbreitet wurden. […] Von Ohrenzeugen wurde mir zum Beispiel in Malatia folgendes berichtet: Als der Abgeordnete von Malatia, Haschim Bey, im Spätherbst 1915 oder Frühjahr 1916 von seiner Sitzungsperiode in Konstantinopel nach Malatia zurückkehrte, versammelte er alle Notabeln der Stadt, um ihnen mitzuteilen, er sei selber dabei gewesen, wie eines Tages der deutsche Botschafter auf der Hohen Pforte erschienen wäre, um offiziell im Namen seiner Regierung der Kaiserlich osmanischen Regierung seine Glückwünsche auszusprechen zu der umfassend durchgeführten und glänzend gelungenen Ausrottung des armenischen Volkes. Eine solche Schamlosigkeit übersteigt alle Grenzen. Man muss bedenken, wie abgeschnitten von der Welt die Städte des Ostens sind. […] Wenn da einer kommt, der auf seine Augen und Ohren hindeuten kann und einen Bericht aus Stambul bringt, so ist das ebenso wahr, als hätte der Prophet gesprochen.“[7]

[1] DE/PA-AA/R14086. URL: http://www.armenocide.net/armenocide/armgende.nsf/$$AllDocs/1915-07-17-DE-002.

[2] DE/PA-AA/R14087. URL: http://www.armenocide.net/armenocide/armgende.nsf/$$AllDocs/1915-07-27-DE-001.

[3] DE/PA-AA/R14090. URL: http://www.armenocide.net/armenocide/armgende.nsf/$$AllDocs/1916-01-03-DE-001.

[4] DE/PA-AA/R14106. URL: http://www.armenocide.net/armenocide/armgende.nsf/$$AllDocs/1919-05-21-DE-001.

[5] DE/PA-AA/R14089. URL: http://www.armenocide.net/armenocide/armgende.nsf/$$AllDocs/1915-12-09-DE-001.

[6] DE/PA-AA/R14094. URL: http://www.armenocide.net/armenocide/armgende.nsf/$$AllDocs/1916-12-04-DE-001.

[7] DE/PA-AA/R14104. URL: http://www.armenocide.net/armenocide/ArmGenDE.nsf/$$AllDocs/1918-10-18-DE-001.