Das Völkerschlachtdenkmal: Kultstätte des völkischen Nationalismus

Nationalismus von oben, von unten, von rechts? Trägerschaft des Völkerschlachtdenkmals

Das erste Referat am Völkerschlachtdenkmal hielten Meike Starke und Leony Reinemeyer mit der Leitfrage nach Idee, Planung, Propaganda und Eröffnung des Denkmals. Im ersten Teil wurden dazu verschiedene

Außenaufnahme seitlich vom Völkerschlachtdenkmal. Riesiges monumentales, steinernes Gebäude, das sich verjüngend von einem breiten Sockel aufragt.
Das Völkerschlachtdenkmal von außen. © Simon Bienentreu

Artikel verteilt anhand derer sich die Exkursionsteilnehmenden die Rahmendaten und Intention der Denkmalsentstehung erarbeiten und gleichzeitig verschiedenste Sichtweisen und Auffassungen des Denkmals erkennen konnten.

Die Frage, ob das Denkmal vom Volk oder vom Staat ausging, wurde ebenfalls kritisch diskutiert. Der Antwortkonsens ging dahin, dass das Denkmal kein „von oben“ initiiertes Denkmal sein kann. Die Initiative kam aus dem Volk und der Kaiser selbst stand dem Denkmal kritisch gegenüber. Da es jedoch keine Begeisterung der breiten Massen gab und das Denkmalsvorhaben auch in patriotischen Kreisen nicht unumstritten war, entwickelte die Gruppe eine These: Das Völkerschlachtdenkmal ist kein Denkmal von oben oder unten, sondern von rechts. Es handelt sich nicht um „Nationalismus von oben als Manipulationsinstrument".(Vgl. Gürlich, Yannis. "Protokoll Tag 2". 2023, S.[1].) Viel eher handelt es sich um das Vorhaben einer spezifischen, einflussreichen Bevölkerungsgruppe, deren völkisch-nationalistische Gesinnung sich nicht vollständig mit dem monarchischen Nationalismus deckte.

Salbungsvoll, einschüchternd, archaisch - Symbolik und Inszenierung am Denkmal

Darauffolgend schloss sich eine gemeinsame Begehung des Denkmals an, in der vor allem der Umgang mit der sogenannten Ruhmeshalle die Teilnehmenden verwunderte, da eine sakrale Stimmung aufgebaut wurde und dem Denkmal wie auch beim Kyffhäuserdenkmal kein Kontext oder Kritik entgegenstand.

Innenraum des Völkerschlachtdenkmals, zwei Etagen. Unten Säulen im Rund mit trauernden Soldaten. Oben links und rechts je ein großer Fensterbogen mit mehreren länglichen Fenstern. In der Mitte eine grob gestaltete Statue eines sitzenden Mannes mit einem Kind auf dem Schoß.
Der Innenraum des Denkmals. © Simon Bienentreu

Zur Vertiefung der äußeren Eindrücke des Völkerschlachtsdenkmals folgte das Referat von Max Dietrich zur Symbolik und Architektur des Denkmals. Er stellte besonders die germanische Architektur und das Germanenbild, welches aufgegriffen wurde, heraus. Dieses Bild basiert auf der Vorstellung, dass ein spezifisch deutsches Wesen existiert, dem in diesem Denkmal Ausdruck verliehen werden sollte. Besonders im Innenraum lässt sich diese Architektur wiederfinden, in der die sogenannten deutschen Tugenden „Volkskraft, Tapferkeit, Glaubensstärke und Opferbereitschaft“ in Form von riesigen männlichen Steinstatuen dargestellt sind.

 

Von deutschen "Tugenden" zum Symbol deutsch-russischer Freundschaft: Rezeption des Völkerschlachtdenkmals

Zuletzt erfolgte der Vortrag von Max Siegel und Julius Mehner über die Rezeption des Denkmals zu Beginn des 20. Jahrhunderts und zur Zeit der deutschen Teilung. Die Vortragenden stellten dazu die Positionen der Sozialdemokratie und der völkisch-nationalistischen Unterstützer*innen in einer inszenierten Diskussion zweier Vertreter der Lager dar. (Vgl. Gürlich, Yannis. "Protokoll Tag 2". 2023, S.[3].) Dies konterkariert das Bild einer homogen nationalistisch geprägten deutschen Gesellschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts zugunsten einer heterogenen Meinungslandschaft.

Es schloss sich der Blick in die DDR-Rezeption des Völkerschlachtdenkmals an. Zu diesem Zweck befragte Herr Mehner seine Großeltern, die in der DDR und teils in Leipzig lebten, nach ihrer Erinnerung an das Denkmal. Dabei wurde offenbar, dass das Denkmal hauptsächlich als Ausflugsziel diente und die intendierte Botschaft eines Nationaldenkmals nicht wahrgenommen wurde.

Außerdem zeigten die Referenten einen Ausschnitt der Tagesthemen aus den 1980er-Jahren, in dem die Teilnehmenden einen Nachrichtensprecher der Bundesrepublik abfällig über ein Volksfest der DDR sprechen hörte. Die Teilnehmenden erkannten auf beiden Seiten eine Umdeutung des Denkmals für eigene ideologische Zwecke. In der DDR feierte man am Völkerschlachtdenkmal den Sieg über Napoléon und die Verbrüderung der Deutschen und Russen in diesem Krieg. Auf Seiten der BRD bemühte man sich das Denkmal bedeutungslos und damit die Feierlichkeiten der DDR als lächerliche Propaganda darzustellen.

Das Denkmal im leeren Raum: Fehlende Kontextualisierung

Anschließend wurde erneut über die fehlende Information und Kontextualisierung für die Besucher*innen diskutiert. Dies war besonders deutlich geworden, als sich ein Besucher der Gruppe anschloss, weil er Informationen über das Denkmal von offizieller Stelle vermisste und nur über uns einen Einblick in die Geschichte und Bauweise des Denkmals erlangen konnte.

Die Gruppe der Exkursionsteilnehmenden vor dem Völkerschlachtdenkmal auf einer Treppe. Herr Dietrich im Vortrag begriffen.
Die Teilnehmenden und ein Gast während des Vortrags von Herr Dietrich vor dem Denkmal. © Meike Starke

Die Diskussion schloss mit dem Konsens, dass Denkmäler dringend mindestens eine Kontextualisierung brauchen, um von den Besucher*innen richtig verstanden zu werden, aber auch um politischer Manipulation durch Umdeutung und Propaganda zu entgehen.

Text: Aimée Hennecken | Änderungen: Meike Starke