Vowel Harmony in Longuda

Vokal Harmonie im Longuda
(ATR Vowel harmony in Longuda aka Nʋngʋrama)

Ulrich Kleinewillinghöfer (1994/2019)

[This paper is a slightly updated version of my presentation to the 11. Afrikanistentag in Köln 1994.  Updated are those passages, where new insights demanded corrections.  In the appendix I quote from a study of Sabe 2014, where he outlines the vowel system of the Gwaandəma lect of Nʋngʋrama.]

 

Die Varianten/Dialekte des Longuda Cluster (Nʋngʋrama) werden in Nordost Nigeria nordwestlich des Zusammenflusses von Gongola und Benue gesprochen. Nach Greenberg 1963 eine eigene Gruppe, die Longuda Gruppe, innerhalb der sogenannten Adamawa-Sprachen.[1]

  • (1)
  • Longuda =  Nʋngʋra
    Nʋngʋra-ma                                  Longuda language
    Nʋngʋra-ya / Nʋngʋra-ba                Longuda person / ~ people

Anlass zu diesem Vortrag ist der Wunsch, die bisher publizierten Angaben zum Vokalsystem des Longuda zu ergänzen, sowie einige der Ausführungen zu korrigieren. Zu korrigieren wäre zunächst einmal, das was Raymond Boyd 1989 in The Niger-Congo Languages in dem Kapitel 'Adamawa-Ubangi' zu Vokalsystemen im Adamawa-Ubangi schreibt. "Considerable attention has been devoted in recent years to the question of 'cross-height' vowel harmony in Niger-Congo languages. ..." [so beispielsweise John Stewart 1983 über Vokalharmonie im Akan, Anm U.K.] "...In Adamawa-Ubangi only the Zande group has this feature, ..." (Boyd 1989: 197). In einer Fußnote zu dieser Passage räumt Boyd ein, dass es aber noch weiterer Informationen über Vokalsysteme einiger Sprachen bedürfe, wobei er aus dem Ubangi das Ma sowie Sprachen der Sere Untergruppe anführt. Dem Abschnitt "Vowel Systems" auf den Seiten 201-202 ist weiterhin zu entnehmen: "Adamawa-Ubangi vowel systems seem to be triangular and composed of either 5 or 7 vowels. An additional central vowel will sometimes be found."

Ohne Zweifel treffen diese Angaben Boyds auf den Großteil der Adamawa-Ubangisprachen zu. Boyd bezieht sich jedoch ausdrücklich auf die Gesamtheit der Adamawa-Sprachen. Er hat nicht wie Bennett 1983 die im Nordwesten gelegenen Gruppen des Adamawa unter dem neuen Namen 'Trans Benue' aus dem Verband des Adamawa-Ubangi herausgelöst. Somit wären seine Aussagen zu Vokalharmonie und Vokalen für einige der nordwestlichen Adamawa-Sprachen zu korrigieren und zu ergänzen. In mehreren Sprachen, die drei verschiedenen Gruppen angehören und zwar der Tula-Waja-Gruppe, der Bikwin-Gruppe und, wie im Folgenden präsentiert, der Longuda-Gruppe, kommen nämlich ATR Vokalharmoniesysteme vor, wie sie analog in vielen Volta-Congo-Sprachen belegt sind.

In Benue-Congo-, Kwa- und Gur-Sprachen sind Vokalharmoniesysteme mit bis zu 10 oralen Vokalen beschrieben. Hierbei werden zwei jeweils harmonisierende Vokalklassen durch das artikulatorische Merkmal der Zungenwurzelstellung [ATR] (=Advanced Tongue Root) (vgl. Ladefoged 1964, Stewart 1967) bzw. durch das Merkmal [EXPANDED (Pharinx)] (Lindau 1975) unterschieden.

  • (2)
  • [+ATR] bzw. [+EXPANDED]:                         i, e, ʌ, o, u
  • [-ATR] bzw. [-EXPANDED]:                           ɩ, ɛ, a, ɔ, ʋ

John Stewart 1976 rekonstruiert Vokalharmonie für das Proto-Volta-Congo, das auch als Vorläufer für Adamawa-Sprachen anzusehen ist, schränkt aber ein, dass nicht unbedingt auch 10 kontrastierende orale Vokalphoneme für das Volta-Congo vorhanden gewesen sein müssen. Kay Williamson, ebenfalls in The Niger Congo Languages, hingegen meint, es sei: "likely that proto-Atlantic Congo and possible proto Niger-Congo had ten original contrasting vowels." (1989: 23), und zwar eben jene, wie sie unter (2) oben aufgeführt sind.

Dass ATR Vokalharmoniesysteme, die denen von Stewart (1976) und Williamson (1989) beschrieben entsprechen, auch in sogenannten 'Adamawa'-Sprachen nördlich des Benue belegt sind, (z.B. in Kleinewillinghöfer 1990 und 1991) sei hier nochmals betont.

Dem Vokalsystem des Nʋngʋrama sei in dieser Studie besondere Aufmerksamkeit gewidmet, weil zum Nʋngʋrama und insbesondere zum Dialekt von Guyuk, einem der fünf Dialekte, bereits eine für Sprachen dieser Region vergleichsweise große Zahl von Publikationen vorliegt, von denen aber nicht eine auf das Vorhandensein einer [ATR] Vokalharmonie mit 2 artikulatorisch unterschiedenen Vokalklassen eingeht. So sind zum Longuda bereits von Meek 1931 Wortlisten und Beispielsätze aus 2 Dialekten des Longuda veröffentlicht worden. Dass keine Angaben zum Vokalsystem vorhanden sind, entspricht dem Standard der Meek'schen Darstellung auch für andere Sprachen. Lexeme des Longuda, allerdings aus verschiedenen Dialekten, zum Teil einer unveröffentlichten Wortliste von John Ballard entnommen, zum Teil von Herrmann Jungraithmayr beigetragen, sind auch in Benue Congo Comparative Wordlist (BCCWL) enthalten, die in zwei Bänden, 1968 von Kay Williamson & Kiyoshi Shimizu, sowie 1973 von Kay Williamson herausgegeben wurde. Jungraithmayr (1968/69) skizziert in seiner vergleichenden Studie: "Class Languages of Tangale-Waja District" u.a. auch das Nominalklassensystem des Longuda von Nyuar (= Gwaanda), ohne das Vokalsystem näher zu erörtern.

Aus den Belegen in den verschiedenen Veröffentlichungen lässt sich allerdings bereits erkennen, dass Nominalklassensuffixe im Longuda in Varianten mit unterschiedlichen Vokalen vorkommen. Die Nomina unter (3), die aus dem Material von Ballard in der Benue Congo Comparative Wordlist stammen, zeigen Nomina von denen einige im Suffix der jeweils gleichen Nominalklasse den Vokal /a/, andere hingegen den Vokal /e/ aufweisen. Quelle: BCCWL Vol 1, 1968,  Vol 2, 1973.

  • (3)
    su-la / sw-a                     'heart'                          du-le / dw-e                  'head'
  • suya-nwa / suya -nha      'chicken'                       beli-nwe / beli -nhe        'cow'
  • du-ma                            'sleep'                           nu-me                          'oil'

Bemerkenswert, oder besser gesagt, bedauerlicher ist, dass auf dieses Phänomen in den Publikationen von John & Bonnie Newmann, die nach ihren eigenen Angaben immerhin 10 Monate in Guyuk lebten, nicht näher eingegangen wird. In der 1977 veröffentlichten Longuda Phonology, für die zusätzliche Untersuchungen sogar im Phonetics Labratory, Institute of Linguistics (vermutlich in Jos, Nigeria) durchgeführt wurden, findet sich lediglich eine kürzere Passage unter der Überschrift "Limited Vowel Harmony."

" There is limited vowel harmony. In disyllabic words if the first vowel is /e/ the second vowel must be /e/; if the first vowel is /a/ the second vowel must be /a/. When the negative marker ga, clause marker na, and interrogative marker na, occur following a verb which has the final vowel /e/ in its basic (i.e. isolate) form, then the final vowel of the marker becomes /e/. (1977: 61)."

Diesen Gedanken greift in abgewandelter Form Bonnie Newman (1978) in ihrem Aufsatz The Longuda Verb wieder auf. Unter der Überschrift Morphophonemic rules for suffixes führt sie aus:  "The final vowels of the base form, e and a affect the vowel quality of the suffixes by vowel harmony. Suffixes have the same vowel as the base form:

  • (4)   (B. Newman 1978: 44)
  • zúw          'spin'                zú-           'spin something'
    sìl           'split'                 síl-            'split something'
    pìr-è          'tear'                  pír-gé          'tear something'              pìr-    'tear in small pieces'
    sìm        'know'                sìm-         'know each other'

Ihre Beispiele, hier unter (4) wiedergegeben, gehören zum Zitat. B. Newman geht also davon aus, dass bei Verben nicht die Stammvokale die Vokalqualität der Suffixvokale bestimmen, sondern maßgeblich sei die Qualität des Auslautvokals bzw. Suffixvokals der base form.

"The final vowels e or a on the base form of the verb affect the vowel quality of the suffixes by vowel harmony even when they drop. For example, the distributive suffix -na added to the short form of círé 'greet' yields cír-né-ng (along with nasalisation of the last vowel of the word to show present tense); but added to nyìrà 'spread' the same suffix yields nyìr-ná-ng. In other words the vowel harmony rule precedes the rule that drops the final vowel in certain tenses." (B. Newman 1978: 39).

Keine Erklärung oder Deutung wird jedoch dafür angeboten, warum dieser Auslautvokal einmal /e/ und einmal /a/ lautet.  Unklar bleibt auch, warum ebenfalls bei Nomina die Klassensuffixe mal auf /e/ und mal auf /a/ auslauten, wie in den folgenden Beispielen, die alle der gleichen Nominalklasse angehören (vgl. auch die Beispiele (3)).

  • (5)      (J. & B. Newman (1977: 42-45)
  • mᴜ̀n-khá            'moon'               dᴜ́m-khé         'horn'
  • dɨ́ -khá               'cloth'                sɨ̀ -khé           'stream'

Mit ihren Angaben, die zur limited vowel harmony angeboten werden, lassen sich diese und vergleichbare Fälle nicht wirklich erklären, sondern nur die, in denen in zweisilbigen Wörtern der erste Vokal und folglich auch der zweite /a/ bzw. /e/ lautet wie beispielsweise unter (6) dargestellt. Die Beispiele sind meinen eigenen Aufzeichnungen entnommen.

  • (6)   
  • jwe-le                   'mortar'                kwḛ-hḛ́                 'bush'
  • nya-khá                 'mouth'               bál-khá                 'stick'

Vielleicht haben Newman & Newman diesem Phänomen keine weitere Bedeutung beigemessen, vielleicht hat aber auch bei ihrer Analyse das Ziel eine Rolle gespielt, eine möglichst Schreib-maschinentastatur-gerechte Verschriftlichung des Longuda bzw. des Guyuk-Dialektes zu erreichen, um so, so rasch wie möglich die Bibel im Longuda vorzulegen. In den Dialekten des Longuda ist eines der Probleme der Verschriftlichung, die interkonsonantisch auftretende Zentralisierung sowohl des hohen vorderen Vokals aber auch anderer Vokale, sowie die Darstellung der nasalierten Vokale. Und diesen Problemen widmeten sie ihr Hauptaugenmerk. Das von ihnen in ihrer Longuda Phonology 1977 vorgeschlagene und auch so in weiteren Publikationen verwendete Alphabet (suggested orthography) sieht demnach auch nur 6 orale und 6 nasalierte Vokale vor. (Letztere werden durch nachfolgendes ng markiert; Beispiel: [] bzw. [] orthographisch |ung|).

  • (7a)    Vokalphoneme des Longuda (von Guyuk)   nach Newman & Newman. 1977:67.
    i, e, a, ə (= ɨ), u, o
    ing, eng, ang, əng, ung, ong   (nasaliert)

In dem ebenfalls 1977 erschienenen Longuda Dialect Survey geben John und Bonnie Newman ergänzend an, dass die Vokale in allen Dialekten des Longuda im Großen und Ganzen gleich seien.

Neuere Arbeiten zur Longuda-Sprache wurden in der Folgezeit meines Wissens nur noch von Longuda selbst verfasst, so z.B. eine B.A. Thesis (von 1987?) an der Uni Jos über das Nominalklassensystem eines der Dialekte,[2] sowie zwei Magisterarbeiten ebenfalls an der UniJos verfasst. Aus dem Jahr 1986 stammt die Studie von Francis T. Hiraki  Noun-Phrases of Languages in Contact. A case Study of English and Nungura, und aus dem Jahr 1989 die von Charles G. Z. Sabe: A contrastive Analysis of Verb tenses in English and Nungurama. Beide M.A. Arbeiten wurden in der Faculty of Education vorgelegt. Francis T. Hiraki und Charles G. Z. Sabe stammen beide aus Nyuar (= Gwaanda), wo das Gwaandəma, gesprochen wird. In beiden Arbeiten werden in den entsprechen Abschnitten die Laute des Nʋngʋrama nach den Konventionen des IPA transkribiert, eine Unterscheidung der Vokale nach Stellung der Zungenwurzel [+/-ATR] bzw. nach der Merkmalsopposition [tense] versus [lax] findet jedoch nicht statt. Ihre Darstellungen der Vokale decken sich somit mit der bereits zitierten von J. & B. Newman.

 "There are six vowel positions in all: high front, high back, mid front, mid back, low front and mid central. The contrasts tense versus lax and short versus long, do not exist."
(Sabe 1989: 13)  [3]

Die uns jetzt vorliegenden neuen Sprachdaten aus den verschiedenen Varianten/Dialekten bergen hingegen weitere eindeutige Evidenz, dass das bisher Publizierte zu den Vokalen des Longuda zu korrigieren ist. In den Varianten des Longuda sind demnach zwei Vokalklassen zu unterscheiden; die Vokale jeder einzelnen Klasse harmonieren miteinander. Insgesamt sind in den fünf Varianten des Longuda folgende orale Vokale belegt, deren Verteilung die Merkmale einer [ATR] Harmonie besitzen:

  • (7b)    orale Vokale in den Longuda – Varianten    (Aktualisierung und Korrektur)
  • [-ATR]                   ɩ              ɛ              ʋ             ɔ              a
    [+ATR]                  i              e              u             o             ə

 

In der Verteilung und Häufigkeit dieser Vokalphoneme in den einzelnen Varianten des Longuda liegt vermutlich die Schwierigkeiten begründet, die bisherige Autoren damit hatten, das System als solches zu erkennen. Das komplexeste Vokalsystem scheint im Kɔɔla vorhanden zu sein, in allen anderen Varianten sind unterschiedliche Stadien der Reduzierung zu beobachten.

  1. /a/ gehört der [-ATR] Vokalklasse an und steht als Suffixvokal in der Regel nicht nach [+ATR] Stammvokalen. Der Gegenpart von /a/, des tiefen Vokals der [-ATR] Klasse, ist in der [+ATR] Vokalklasse von dem Vokal /e/ im Guyuk- und /ə/ im Gwaanda-Dialekt besetzt. Das heißt, dass nach [-ATR] Stammvokalen der Suffixvokal in der Regel /a/, und nach [+ATR] Stammvokalen der Vokal des Suffixes in der Regel /e/ im Guyuk- und /ə/ im Gwaanda-Dialekt (ebenso wie im Deele-Dialekt von Jessu) lautet. Die gleiche Gesetzmäßigkeit ist auch bei der Negativpartikel festzustellen, bei [-ATR] Vokal im Verbstamm lautet die Negationspartikel ga und bei [+ATR] Stammvokal ge im Guyuk- und gə im Gwaanda-Dialekt.
  • (8)
    búrsə̀ gə́               's/he did not farm'   (Gwaanda vgl. (4) oben)
  • wákà gá               's/he did not wash'
  1. Vokale mittleren Öffnungsgrades sind als Stammvokale in allen Longuda-Dialekten selten. Ein mittlerer hinterer Vokal kommt in Wortstämmen in der Regel nur als [-ATR] vor. Ausnahmen sind das Vorkommen von [+ATR] /o/ in der Position V2 (letztes Beispiel in (9), und in Lehnwörtern aus dem Hausa (10). (Das Lunguda von Wala ist eine Variante, die zum Guyuk-Dialekt-Gebiet zu rechnen ist.)
  • (9)  
    mɔ́ɔ́-bá                           'women'                    [Wala]
  • thɔ́kʋ̀-mà                        'earth, soil'                [Wala] ;   = thɔ́-má  [[Gwaanda]]
  • kùmbò-lé / kùmbò-ˀé       'belly'                        [Kɔɔla]
  • (10)
    bókétì-wó / -hé                 'bucket'                      [Kɔɔla]      <  Hausa: bokoti
  • rógò-lé / -é                       'cassava'                    [Kɔɔla]      < Hausa:  roogo
    tóbòlí-hə́                          'mud brick(s)'              [Gwaanda]  < Hausa:  toboli

/o/ ist allerdings im Dialekt von Kɔɔla als [+ATR] Suffixvariante belegt und entspricht in den folgenden Beispielen einem /e/ im Wala (=Guyuk) und /ə/ im Gwaanda.

  • (11)  
    duu-mó ([Kɔɔla])              duu-mé  ([Wala])       dù-mə̀    [Gwaanda]             'seed'
    núú-mó ([Kɔɔla])              nuu-me  ([Wala])       lúú-mə́   ([Gwaanda])            'oil'

Der vordere [-ATR] Vokal mittleren Öffnungsgrades /ɛ/ ist in den meisten Dialekten ebenso selten, kommt aber im Dialekt von Kɔɔla in der Varianten zu ga Negationssuffix vor. Der vordere mittlere [+ATR] Vokal /e/ kommt ausgesprochen selten als Stammvokal, aber in den meisten Longuda-Varianten sehr häufig in der Funktion als tiefer [+ATR] Suffixvokal und damit als Gegenpart zu /a/ der [-ATR] Vokalklasse vor.

  1. Die Zentralisierung der hohen Vokale, die in allen Dialekten inlautend auftritt, erschwert die Sprachaufnahme dergestalt, dass Schwa /ə/ ohne zusätzliche analytische Hilfsmittel oder ohne Kenntnis des vokalharmonischen Verhaltens, vom Hörer kaum nach [ATR] zu unterscheiden ist. Schwa /ə/ ist nach Newman & Newman als Phonem anzusehen und kommt dementsprechend auch als Stammvokal vor, steht aber in der Regel in drei Dialekten nicht in Pausa. Im Gwaanda-Dialekt von Nyuar (ebenso wie im Deele Dialekt von Jessu) kommt Schwa im Auslaut vor und hat dort im Vokalsystem auch die Funktion des tiefen [+ATR] Vokals, dem Gegenpart zum [-ATR] /a/.

Somit lässt sich das Vorhandensein zweier artikulatorisch zu unterscheidender Vokalklassen und damit die Systematik der Vokalharmonie zumindest im Guyuk-Dialekt eigentlich nur an den hohen hinteren Vokale erkennen und an der Beobachtung, dass bei Hausa Lehnwörtern mit /o/ im Wortstamm regelmäßig Klassensuffixe mit dem [+ATR] Vokal /e/ antreten (vgl. 10). Zudem auch Minimalpaare, die sich lediglich in der Vokalklasse des Stammvokals unterscheiden, relativ selten zu sein scheinen. Einzelne Beispiele, allerdings auch tonal zu unterscheiden, liegen auch aus dem Gwaanda-Dialekt vor

  • (12)   
    dzʋ̀r       'hate'                     dzúr       'cook'
    θʋ-         'measure'               θú-         'say'

 

Zusammenfassung

Ich hoffe, ich konnte mit den gezeigten Beispielen demonstrieren, dass auch im Longuda eine [ATR] Vokalharmonie vorhanden ist, die sich mit der für das Volta-Congo rekonstruierten in Verbindung bringen lässt. Man kann demnach durch ATR unterschiedene Vokale mit der charakteristischen Vokalharmonie in den Longuda-Lekten, wie sie auch in benachbarten Adamawa-Sprachen (z.B. Waja, Tula, Awak, Maa) belegt ist, zunächst einmal als ererbt ansehen; es sei denn es könnten Belege dafür gefunden werden, dass dieses phonologische Merkmal, ähnlich wie beispielsweise im Tangale erst später durch Sprachkontakt mit den Nachbarn erworben wurde. (vgl. Kleinewillinghöfer 1990, Jungraithmayr 1991).

 

Literatur:

Bennett, Patrick R. 1983. Adamawa-Eastern: problems and prospects. In: Dihoff, I. R. (Hg.). Current Approaches to African Linguistics. Vol. 1. S. 23-48.

Boyd, Raymond. 1989. 9 Adamawa-Ubangi. In: John Bendor-Samuel (Hg.). The Niger-Congo Languages: 178-215. Lanham - New York - London: SIL.

Hiraki, Francis T. 1986. Noun-Phrases of Languages in Contact. A case Study of English and Nungura. Its Implication for Curriculum Development in Nigeria. M.A. Thesis, University of Jos, Nigeria.

Jungraithmayr, Herrmann. 1968/69. Class Languages of Tangale-Waja District. Afrika und Übersee 52: 161-204.

Jungraithmayr, Herrmann. 1991. A Dictionary of the Tangale Language (Kaltungo Northern Nigeria). in collaboration with Njɛŋɔ Andirya Galadima & Ulrich Kleinewillinghöfer. Dietrich Reimer, Berlin

Kleinewillinghöfer, Ulrich. 1990. Aspects of vowel harmony in Waja and Tangale - Waja common vocabulary. Frankfurter Afrikanistische Blätter 2: 93-106.

Kleinewillinghöfer, Ulrich. 1991. Die Sprache der Waja. nyan wɩyáʋ̀. Frankfurt am Main: Peter Lang.

Ladefoged, Peter. 1964. A phonetic study of West African languages. WAfrL Monographs 1. Cambridge: University Press.

Lindau, Mona. 1975. Features for vowels. Working papers in phonetics 30. Los Angeles: UCLA

Meek, Charles K. 1931. Tribal Studies in Northern Nigeria. 2 vols. London.

Newman, Bonnie. 1976. Deep and surface structure of the Longuda verb. Linguistics 171: 35-68.

Newman, Bonnie. 1978. The Longuda Verb. Joseph E. Grimes (Hg.). Papers on Discourse, pp. 25-45. Dallas: Summer Institute of Linguistics.

Newman, John & Bonnie Newman. 1974. Longuda. In: J. Bendor-Samuel (Hg.). Ten Nigerian Tone Systems. Studies in Nigerian Languages 4: 109-116. Jos: Institute of Linguistics.

Newman, John & Bonnie Newman. 1977a. Longuda Phonology. Dallas: Summer Institute of Linguistics.

Newman, John & Bonnie Newman. 1977b. Longuda Dialect Survey. Dallas: Summer Institute of Linguistics.

Sabe, Charles G. Z. 1989. A contrastive Analysis of Verb tenses in English and Nungurama: Applied linguistic Considerations. M.A. Thesis, University of Jos, Nigeria.

Sabe, Charles G.Z. 1995. A contrastive study of the verbal systems of Nungurama and English: Implications for curriculum development. Ph.D. Thesis, University of Maiduguri.

Sabe, Charles G.Z. 2014. The people of Nyuwar. Zaria: Tamaza.

Stewart, John M. 1967. Tongue root position in Akan vowel harmony. Phonetica 16: 185-204.

Stewart, John M. 1976. Towards Volta-Congo reconstruction (inaugural lecture). Leiden: University Press.

Stewart, John M. 1983. The high unadvanced vowels of Proto-Tano-Congo. Journal of West African Languages 13: 19-36.

Williamson, Kay. 1989. Niger-Congo Overview. In: John Bendor-Samuel (Hg.). The Niger-Congo Languages: 178-215. Lanham - New York - London: SIL.

Williamson, Kay. 1973 (Hg.). Benue-Congo comparative wordlist, 2. Ibadan: West African Linguistic Society.

Williamson, Kay & Kiyoshi Shimizu (Hg.). 1968. Benue-Congo comparative wordlist, 1. Ibadan: West African Linguistic Society.

 

Ergänzende Anmerkungen:

Anfang der 70er Jahre wurde die Zahl der 'Expatriates' an Bildungseinrichtungen in Nigeria reduziert. Möglicherweise wurde so auch der Aufenthalt der SIL Linguisten Bonnie und John Newman im Longuda Sprachgebiet vorzeitig beendet. Ob das, dazu beigetragen hat, dass eine m.E. noch nicht ausgereifte Orthografie des Nungurama verfrüht eingeführt wurde, bei der die in allen Dialekten vorhandene Vokalharmonie nicht berücksichtigt wurde ist mir nicht bekannt. Möglicherweise reicht die Orthografie auch bei fehlender Differenzierung der [ATR] und [-ATR] Vokale zum Verständnis der Bibel aus, ohne dass gelegentlich Mehrdeutigkeiten auftreten. Wenn das Ziel der Verschriftlichung lediglich die Lektüre der Bibel im Lekt von Guyuk war, könnte das Ziel wohl auch erreicht worden sein. Eine Bibel wurde in dieser Orthografie ja auch gedruckt. Bedauerlicherweise hatte die für den Guyuk-Dialekt gewählte Schreibweise auch Einfluss auf anschließende Versuche andere Nʋngʋrama-Varianten zu verschriftlichen. So folgten auch die Thesen von Hiraki und Sabe, die auf dem Gwaanda Dialekt beruhen, dem Vokalsystem von Newman & Newman 1977.

Charles G.Z. Sabe promovierte in den an der Universität Maiduguri und hat mir bei meinen Untersuchungen als Gewährsmann sehr geholfen, ich möchte ihm für seine exzellenten Beiträge an dieser Stelle danken.

 

Anhang

2014 veröffentlichte Charles G. Z. Sabe eine Monoraphie "The people of Nyuwar", in der auch ein Exkurs zur Phonology des Gwaandəma, der Longuda-Varianten von Nyuwar, enthalten ist. Seine Angaben zur Vokalharmonie seien im Folgenden auszugsweise zitiert.  [Die Schreibweise der Vokalphoneme wurde der obigen Darstellung angepasst]. Sabe 2014: 29ff.

"Vowel Harmony

There is vowel harmony in Nungurama. The eight vowels fall into two sets, and vowels from different sets do not co-occur in words. In other words, vowels in each set agree or harmonize together; they do not mix up with vowels in the other set.

sets are shown below:

    • [+ATR] Expanded Pharynx                 [-ATR]  Non-Expanded Pharynx
    • i                        u                             ɩ                                    ʋ
    •           ə                                                             ɜ            ɔ
    •                                                                          a

The distinction is often discussed in terms of +ATR (Advanced Tongue Root) and -ATR. In the first set the vowels are tense, with the tongue root fronted, thus expanding the pharynx; and in the second, the vowels are lax, tongue root backed, with non-pharynx expansion. As a matter of fact, all Nungurama common nouns end with a vowel – either [ə] or [a] for tense or lax vowels respectively. "

 

Notes:

[1] [Aus heutiger (2019) Sicht bildet das Nʋngʋra (Longuda)-Cluster einen eigenen Zweig im "Benue-Volta" (Adamawa-Gur). Eine Zuordnung zu einem "Waja-Jen", wie sie beispielsweise im Ethnologue  https://www.ethnologue.com/language/lnu vorgenommen wird, ist nicht überzeugend belegt.]

[2] Diese Studie hatte ich nur einmal in der Hand, bei einem folgenden Besuch, aber nicht mehr vorgefunden.

[3] [Diese Position hat Charles G. Z. Sabe in Publikationen nach 1995 jedoch revidiert. Siehe Anhang].

 

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