Kültür alakart – Kulturtage 2010

Mai 2010

Kulturtage vom Feinsten standen sieben Tage auf der Programmkarte des Frankfurter Hofs Poster). Die exquisite Menüfolge reichte von türkischer Lyrik, Prosa, Fotoausstellung, Film, Kabarett, Konzerten bis hin zu einem Finale im Kulinarischen. Nicht nur in Istanbul galt es 2010 das Jahr als Kulturhauptstadt zu feiern, nach dem Motto des Kultursommers RLP kam die türkische Kultur exklusiv „über Grenzen“ in den Mainzer „Frankfurter Hof“.

Ausgefallen waren zudem das Gesamtkonzept mit vielen zweisprachigen Anteilen und das teils beachtliche Renommee der beteiligten Künstler: U.a. mit Mario Levi, Bejan Matur, Mussin Omurca, Mehmet Ünal, Burhan Öçal mit dem „Istanbul Orient Ensemble“, Erkan Oğur, Sena, Mikail Aslan und „Emine aus Incesu“!

Eine Kooperation des Zentrums für Interkulturelle Studien (ZIS) mit dem Fachbereich Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaften (FTSK) der Johannes Gutenberg-Universität (JGU) und dem Frankfurter Hof / Stadt Mainz.

„Über Grenzen“ hieß das Motto des Kultursommers. Grenzen manifestieren sich nicht nur geographisch, sondern vor allem sprachlich; in der Übersetzung, dem Transfer zwischen zwei Kulturen und der gleichzeitigen Präsenz beider Sprachen wird diesem Motto Rechnung getragen. Wo waren bei soviel Programmfülle die Konstanten? Die ganze Woche über war eine Auswahl der Fotoserie "Regenhitze" von Mehmet Ünal zu sehen. Die in den 90er Jahren entstandene Serie zeigt Porträts interessanter Persönlichkeiten, die überwiegend in den 70er, 80er Jahren aus der Türkei nach Deutschland kamen und als Künstler oder Politiker eine besondere Stellung im öffentlichen Leben eingenommen haben. Weitere Konstanten waren das Sinnliche, Kulinarische und die Sprache(n). In einer Welt von Traditionserhalt zur Globalisierung sind dies häufig die einzigen verbindenden Fixpunkte, die Zusammengehörigkeitsgefühl bewahren. „kültür alakart“, so auch der Name des die Woche präsentierten Kulturkochbuchs, in dem ein Großteil der beteiligten Künstler interviewt wurde und seine Rezepttipps zum Besten gibt. Dieses außergewöhnliche Kulturkochbuch entstand aus einem studentischen Medienprojekt als ein Kooperationsprodukt zwischen dem Studiengang Kommunikationsdesign der FH Wiesbaden und des Fachbereichs Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft der Johannes Gutenberg Universität Mainz, herausgegeben von den Projektleiterinnen Christine Wagner und Şebnem Bahadır und von Ralf Frenzel im Tre Torri Verlag.

Im übertragenen Sinne kulinarisch ging es auch im Anschluss an die Filmvorführung „Emine aus Incesu“ von Dokumentarfilmemacherin Barbara Trottnow zu: passend zum Motto der Woche wurden die 'Gewürze', die zu einem guten Dokumentarfilm gehören, thematisiert (und nicht auf die großen Zutaten wie Kamera und Schnitt, wie sonst immer üblich). Wichtige 'Gewürze' sind die Musik und in diesem Fall die Sprache. Mikail Aslan, der die Filmmusik schrieb, wird mit seinem Mainzer Mikail Aslan Ensemble live spielen und mit der Filmemacherin Trottnow und der Translationsexpertin Şebnem Bahadır über die Gewürze im Film, die musikalische und sprachliche Gestaltung sprechen (Moderation Kulturgeograph Anton Escher).

Grenzgänger zwischen den Kulturen sind die Literaten Bejan Matur und Mario Levi. So wird Bejan Matur, die das Türkische mit dem Kurdischen, das Alevitische mit dem Sunnitischen und das Orientalische mit dem Okzident verbindet, in der Türkei auch als „Friedensdichterin“ bezeichnet. Mario Levi bezeichnet sich selbst als „Istanbuler Schriftsteller“, der über und mit Istanbul schreibt. Seine Familie gehört zu den im 16. Jahrhundert aus Andalusien nach Istanbul eingewanderten sephardischen Juden und ist somit tief in dieser Stadt der kulturellen Vielfalt verwurzelt. Nach den Lesungen führten Dilek Dizdar mit Mario Levi und Şebnem Bahadır mit Bejan Matur Gespräche über ihr künstlerisches Schaffen als Grenzgänger. Bahadır und Dizdar, Deutschland-türkische Wissenschaftlerinnen und Kulturmittlerinnen, waren an der Kulturwoche als Vertreterinnen des FTSK beteiligt.

Auch musikalisch war es hochkarätig: Der türkische Perkussionist Burhan Öçal, geboren in der thrakischen Stadt Kirklareli, hat sich durch die Zusammenarbeit mit Jazzgrößen wie Joe Zawinul, Maria João und Steve Swallow international einen Namen gemacht. Mit dem "Istanbul Oriental Ensemble" versammelte Burhan Öçal Mitte der neunziger Jahre einige der besten Roma-Musiker der Türkei um sich, um die alte türkische Tradition der Zigeunermusik aus dem 18. und 19. Jahrhundert wieder zu beleben. Gleich am Eröffnungstag spielte das „Istanbul Orient Ensemble“ gewissermaßen als Hommage an die parallel gewürdigte Kulturhauptstadt Istanbul 2010.
Erkan Oğur gilt als einer der besten Spieler der bundlosen Gitarre weltweit. Er hat mit vielen türkischen Musikern und international anerkannten Jazzkünstlern gespielt, und ist nicht nur wegen seiner achtsaitigen Gitarre, sondern auch durch die gleichnamige Oğur-Saz bekannt. Zusammen mit dem Bassisten Ismail Demircioğlu, mit dem er seit 1998 zusammen arbeitet, präsentierte er die ganze Bandbreite des türkischen Instrumentalspiels.

Wie ein Faden durchs Programm zogen sich die immer wiederkehrenden Bezüge zu Istanbul: Sena, geboren und aufgewachsen im ostanatolischen Dersim (Tunceli), ist über Istanbul 2001 nach Deutschland gekommen. Einen fachlichen Überblick über gesellschaftlichen Wandel, kulturelle Identität und Regionen in der Türkei gab der Türkeiexperte Ernst Struck aus Passau.

Schließlich waren ferner gemütstechnisch in dieser Woche bei so unterschiedlichen Darbietungen, Diskussionen und Programminhalten einige „Grenzen“ zu überwinden, insbesondere als es dann am Ende der Woche zum Lachmuskel verzehrenden Kabarett mit Mussin Omurca überging. Mussin Omurca, der erste seines Schlages im Kabarettgeschäft, gab nicht nur am Freitag sein neuestes Programm, sondern moderierte auch das Finale der interaktiven Kochshow am Sonntag.

Nachdem die Kulturtage über so viele Sinne angesprochen wurden, fand das Ganze im real Kulinarischen sein Finale, als unter der Moderation von Mussin Omurca über das Kulturkochbuch „kültür alakart“ gesprochen und in einer Kochshow unter Verlagsbeteiligung live gekocht wurde. Musikalisch gerahmt konnte man dann in angenehmer Atmosphäre den Gaumenfreuden nachgehen, sofern es die strapazierten Lachmuskeln und betörten Sinne noch zuließen.

"kültür alakart" - Kulturtage 2010

Im Frankfurter Hof, Augustinerstr. 55, Mainz

Programm

Mai 2010
Eröffnung: Ministerin Doris Ahnen und Vizepräsident der JGU Prof. Jürgen Oldenstein
Vortrag von Prof. Ernst Struck (Passau): DIE TÜRKEI. Region, gesellschaftlicher Wandel und kulturelle Identität.

Ausstellung: Ausgewählte Fotografien der Serie "Regenhitze" von Mehmet Ünal

Live-Musik: Burhan Öçal mit dem "Istanbul Oriental Ensemble"

Mai 2010
Lesung mit der Lyrikerin
Bejan Matur aus „Winddurchwehte Herrenhäuser“
Anschließendes Gespräch mit Dr. Şebnem Bahadır / FTSK JGU Mainz

Mai 2010
Filmvorführung "Emine aus Incesu"
& Live-Musik mit dem Mikail Aslan Ensemble
Anschließende Podiumsrunde mit der Filmemacherin Barbara Trottnow, der Translationsex
pertin Şebnem Bahadır und dem Filmmusiker Mikail Aslan
Moderation: Prof. Anton Escher / Kulturgeograph und ZIS-Sprecher

Mai 2010
Lesung mit dem Autor
Mario Levi aus „Istanbul war ein Märchen“
Anschließendes Gespräch mit Prof. Dilek Dizdar / FTSK JGU Mainz

musikalische Rahmung: Sedat Şen (Violine) und Eberhard Nöst (Klavier), türkische moderne Kunstmusik

Mai 2010
Kabarett
Mussin Omurca (Mitbegründer des ersten türkischen Kabaretts)
"Türkenhimmel"

Mai 2010
Konzert
Sena Ensemble
Erkan Oğur & Ismail Hakki Demircioğlu

Mai 2010
Interaktive Kochshow "kültür alakart"
& Live-Musik (Tango ala turka, Mannheim) & Gesprächen rund um das Kochbuch
Koch vom Tre Torri Verlag: Ergün Can
Moderation: Mussin Omurca
Gespräche mit Şebnem Bahadır, Dilek Dizdar, Christine Wagner, Student/inn/en des FTSK der JGU Mainz und der FH Wiesbaden
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Kooperation des Zentrums für Interkulturelle Studien (ZIS) sowie des Fachbereichs Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft FTSK der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und des Frankfurter Hofs anlässlich des Kulturhauptstadtjahres Istanbul 2010 im Rahmen des Kultursommers RLP „Über Grenzen“.