Prof. Dr. med. Ursel Theile – Vortragsexposé – Wintersemester 2006/2007

Studium generale: Mainzer Universitätsgespräche
"MENSCHENBILDER IM WIDERSPRUCH"

Prof. Dr. med. Ursel Theile (Mainz)

Menschenbild im Wandel – Eins zu wenig – eins zu viel.
Abweichungen der Geschlechtschromosomen

Mittwoch, 17. Januar 2007, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)

Mitte der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurden die Chromosomen des Menschen unter dem Mikroskop im Zellkern so deutlich darstellbar, dass man ihre exakte Zahl – 46 – erkannte. In Analogie zu den an der Fruchtfliege (Drosophila melanogaster) bereits lange zuvor erfassten geschlechtsspezifischen (Riesen)-Chromosomen wurden bei der Frau die beiden gleichgroßen Geschlechtschromosomen als X-Chromosomen benannt, die zwei unterschiedlichen des Mannes als X- bzw. Y-Chromosom.
Im darauf folgenden Jahrzehnt gelang der Nachweis ungewöhnlicher Chromosomenbefunde bei dem klinisch beschriebenen Ullrich-Turner (45,X) und dem Klinefelter Syndrom (47,XXY). Als Überraschungsbefund erkannte man Frauen, die bei einer Gesamtzahl von 47 jeweils 3 X-Chromosomen und Männer, die 2 Y-Chromosomen in ihren Zellkernen aufwiesen. Der Vergleich der ursprünglichen Syndrombeschreibungen und ihrer Gewichtungen in unserer Zeit soll verdeutlichen, welchen Wandel das Menschenbild dieser Chromosomenaberrationen – im körperlichen und ganzheitlichen Sinne – erfahren hat.

Ursel Theile, geb.1938, Professorin und Fachärztin für Innere Medizin und Humangenetik, langjähriges Mitglied der Bioethik-Kommission des Landes Rheinland-Pfalz.
Studium in Marburg, Freiburg, Wien. 1964 Promotion am Institut für Humangenetik der Universität Marburg (Leiter: Prof. Wendt), Weiterbildung zur Internistin II. Med. Univ. Klinik, Mainz (Leiter: Prof. Schölmerich). Mit Prof. Wendt 1972–73 Aufbau des Modellversuchs "Genetische Beratungsstelle" in Marburg, 1975 Habilitation für Innere Medizin, Ernennung zur Professorin und Oberärztin der II. Med. Univ.-Klinik, Mainz.
Im gleichen Jahr Beschluss des Landesparlaments Rheinland-Pfalz auf Errichtung einer genetischen Beratungsstelle. Planung, Aufbau und Leitung dieser Institution.
2001 Eingliederung der Beratungsstelle in das neu geschaffene Institut für Humangenetik am Klinikum der Universität (Leiter: Prof. Haaf).
Herausgeberin und Mitherausgeberin mehrerer Buchpublikationen über genetische Beratung und ethische Probleme der Genforschung und -therapie. Zahlreiche Beiträge in Lehr- und Handbüchern der Inneren Medizin und der Sozialmedizin sowie in fachspezifischen Zeitschriften.

Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Michael Pauen (Professor für Philosophie, Universität Magdeburg)
Neurowissenschaften und Menschenbild:
Konsequenzen und Vorgeschichte einer aktuellen Debatte
Mittwoch, 24. Januar 2007, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)