PD Dr. Andreas Wagner – Vortragsexposé – Wintersemester 2006/2007

Studium generale: Mainzer Universitätsgespräche
MENSCHENBILDER IM WIDERSPRUCH

PD Dr. Andreas Wagner (Heidelberg)

Alttestamentliche Menschenbilder – überraschende Aktualitäten, frappierende Kontinuitäten

Mittwoch, 13. Dezember 2006, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)

Menschenbilder verändern sich im Laufe der Geschichte. Die Menschenbilder der eigenen kulturell-religiösen Traditionen geraten dadurch in eine eigentümliche Doppelrolle:
Zum einen bilden sie die Basis für zentrale Denkgebilde der Gegenwart, in vielen Fällen ohne dass in der jeweiligen Gegenwart klar ist, woher bestimmte Anschauungen überhaupt kommen. Zum vollständigen reflektierten Begreifen von gegenwärtigen Menschenbildern gehört daher auch, ihr Herkommen, ihre Entstehung und ihre Veränderungen zu verstehen. Der Vortrag wird zeigen, dass das A.T. für den christlich-europäischen Kulturraum hier ganz wesentliche Grundlagen gelegt hat, dass es "frappierende Konti¬nuitäten" gibt, Stichworte sind hier Individualität und Kollektivität, Innen und Außen beim Menschen, line¬ares Zeitverständnis, Scheidung von Profanem und Sakralem u.ä., zusammenfassend kann beim A.T. und seinen anthropologischen Entwürfen von einer "Kultur der Unterscheidungen" geredet werden.
Zum anderen werden Menschenbilder vergangener Zeiten von neueren Entwürfen verdrängt bzw. in den Hintergrund gedrängt; doch nicht immer ist das Abgelegte auch das Erledigte. Dass in den Menschenbildern des A.T. auch "überraschende Aktualitäten" zu finden sind, wird ebenfalls zu zeigen sein: Überraschend ist etwa die Erkenntnis, dass im A.T. dem Menschen weithin kein jenseitiges Leben zugesprochen wird, es kein Seelenverständnis im Sinne einer unsterblichen "psyche" gibt – beides auch in der Moderne zu findende Ansichten –, und doch ist der alttestamentliche Mensch ein durch und durch religiöser Mensch.

Priv.-Doz. Dr. Andreas Wagner, geb. 1963, Forschungsstipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und Privatdozent an der Theologischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (Alttestamentliche Theologie). Hauptarbeitsgebiete: Anthropologie und Religionsgeschichte des Alten Israel, Prophetie, Psalmen, Literatur und Theologie des Alten Testaments, Exegetische Methodologie und Hebräische Philologie.
Zahlreiche Publikationen in den genannten Gebieten (z.B. Sprechakte und Sprechaktanalyse im Alten Testament 1997; Sühne – Opfer – Abendmahl 1999; Prophetie als Theologie. Die so spricht Jahwe-Formeln und das Grundverständnis alttestamentlicher Prophetie 2004; Gott im Wort – Gott im Bild. Bilderlosigkeit als Bedingung des Monotheismus? 2005; Primäre und sekundäre Religion als Kategorie der Religionsgeschichte des Alten Testaments 2006). Aktuelles DFG-Projekt: "Gefühle der Menschen – Gefühle Gottes. Gefühlskonzeptionen des A.T. im Kontext von Anthropologie und Anthropopathismus".

Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Ursel Theile (Fachärztin für Innere Medizin und Humangenetik, Universität Mainz)
Menschenbild im Wandel: Eins zu wenig – eins zu viel.
Abweichungen der Geschlechtschromosomen
Mittwoch, 17. Januar 2007, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)