Dr. Wolfgang Loseries – Vortragsexposé – Wintersemester 2005/2006

Das Institut für Kunstgeschichte und das Studium generale laden zu folgendem Gastvortrag ein:

Dr. Wolfgang Loseries (Florenz)

Der Entwurf für die Kapelle auf der Piazza del Campo in Siena. Neue Dokumente zu Planung und Bau im 14. Jahrhundert

Mittwoch, den 11. Januar 2006, 19.15 Uhr
Hörsaal des Instituts für Kunstgeschichte (Binger Straße 26)

Seit 1911 ist der großformatige Entwurf für die 1352 begonnene Kapelle auf dem Hauptplatz von Siena Gegenstand kunsthistorischer Analysen, deren Ergebnisse vor allem hinsichtlich der Datierung und Zuschreibung bis heute freilich kontrovers geblieben sind. Neu entdeckte Dokumente geben nun genaue Auskunft über die Entstehungszeit und den Autor, dessen in diesem Zusammenhang nie genannter Name nur eine von weiteren Überraschungen ist. Die gefundenen Archivalien bieten eine Fülle von bisher unbekannten Informationen zu stilistischen Einflüssen von zeitgenössischen Bauten in der Toskana, zur Funktion der Zeichnung sowie zur frühen Baugeschichte der erst in der Renaissance vollendeten Kapelle und erlauben neue Einblicke in die Baupraxis einer mittelalterlichen italienischen Kommune. In seltener Klarheit wird hier das komplexe Zusammenspiel von Auftraggebern, Gutachtern, Baumeistern, Handwerkern und Künstlern sichtbar. Bisher unentdeckt blieb ferner, dass nicht nur die Pest von 1348 ein bestimmender Faktor beim Bau der Kapelle war, sondern auch das Wiederauftreten der Epidemie im Sommer 1374.

Ausgewählte Literatur: VITTORIO LUSINI, Il Duomo di Siena, Bd. I, Siena 1911, S. 224–227. – HARALD KELLER, Die Bauplastik des Sieneser Doms, in: Kunstgeschichtliches Jahrbuch der Bibliotheca Hertziana, I, 1937, S. 206–209. – BERNHARD DEGENHART, Der Entwurf zur Cappella del Campo in Siena, in: Studien zur Geschichte der europäischen Plastik. Festschrift Theodor Müller, München 1965, S. 93–100. – IDEM und ANNEGRIT SCHMITT, Corpus der italienischen Zeichnungen 1300–1450, Teil I, Bd. 1, Berlin 1968, S. 120–123, Nr. 54. – VALERIO ASCANI, Le dessin d’architecture medieval en Italie, in: Roland Recht (Hrsg.), Les bâtisseurs de cathédrales, Ausst.-Kat. Straßburg 1989, Straßburg 1989, S. 273–274, Nr. S 6. – IDEM, Il Trecento disegnato, Rom 1997, S. 103–107, Nr. S 6. – CARLA GHISALBERTI, Tardogotico italiano, in: Henry Millon und Vittorio Magnano Lampugnani (Hrsgg.), Rinascimento da Brunelleschi a Michelangelo. La rappresentazione dell‘architettura, Ausst.-Kat. Venedig 1994, Mailand 1994, S. 429, Nr. 3. – FRANCESCA FABIANI, La Cappella di Piazza: storia, materiali, conservazione, in: Quasar, XX, 1998, S. 143–166. – MALVINA BORGHERINI, Un progetto per la Cappella di Piazza del Campo a Siena, in: Il disegno di architettura, VIII, 18, 1998, S. 22–27. – EADEM, Disegno e progetto nel cantiere medievale. Esempi toscani del XIV secolo, Venedig 2001, S. 111–124.

Wolfgang Loseries, 1975–80 Studium der Kunstgeschichte und Philosophie in Heidelberg mit dem Abschluss Magister Artium. 1981–82 Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes. 1982–83 Stipendiat des Landes Baden-Württemberg am Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München. 1984 Promotion an der Universität Heidelberg bei Peter Anselm Riedl mit einer Monographie zur Klosterkirche Schöntal an der Jagst. Seit 1984 am Kunsthistorischen Institut in Florenz – Max-Planck-Institut als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Forschungsprojekt Die Kirchen von Siena. Autor von Beiträgen zur Geschichte, Architektur und Ausstattung verschiedener Sakralbauten in Die Kirchen von Siena, Bd. 2, hrsg. v. P. A. Riedl und M. Seidel, München 1992, und Verfasser zahlreicher Artikel vor allem zur sienesischen Kunst des 14. bis 16. Jahrhunderts. Beiträge zur Restaurierungsgeschichte der Kathedrale und zur urbanistischen Entwicklung des Dombezirks in Siena werden in diesem Jahr mit dem neuesten Band der Kirchen von Siena erscheinen.