PD Dr. Daniela Philippi – Vortragsexposé – Sommersemester 2005

VORTRÄGE IN DER MUSIKWISSENSCHAFT
Vortragsreihe des Musikwissenschaftlichen Instituts
zum Themenschwerpunkt des Studium generale
»ZUFALL – SCHICKSAL – NOTWENDIGKEIT«

PD Dr. Daniela Philippi (Mainz)

Was haben Klavieretüden mit Chaosforschung zu tun?
Hintergründe des Komponierens von György Ligeti

Donnerstag, 14. Juli 2005, 19.00 Uhr
Hörsaal des Musikwissenschaftl. Instituts (Philosophicum, linker Vorbau)

In den 1980er Jahren befand sich Ligeti wie andere Avantgarde-Komponisten seiner Generation in einer Phase der Neuorientierung. Dabei schloss seine Suche nach einer zeitgemäßen und doch individuellen Kompositionsweise die Auseinandersetzung mit ganz unterschiedlichen Phänomenen ein. Gleichzeitig konzentrierte er die Entwicklung seines musikalischen Denkens für einige Zeit auf das Klavier. Als musikalische Form wählte er hierfür die Klavieretüde, vor allem, weil ihre musikalischen Bezüge Tradition und Experiment gleichermaßen einschließen – sowohl auf kompositorischer als auch auf interpretatorischer Ebene. Die 1985 vorgelegten Klavieretüden Nr. 1–6 sind maßgeblich geprägt von Anregungen, die Ligeti aus seiner Begegnung mit Conlon Nancarrows komplexer Musik für mechanische Klaviere, zentralafrikanischer Musik aus der Sammlung von Simha Arom und der fraktalen Geometrie nach Benoit B. Mandelbrot erhielt. Ausgelöst von einer Faszination für die computererzeugten Bilder Heinz-Otto Peitgens und Peter H. Richters setzte sich Ligeti mit Ideen und Erklärungen der Chaostheorie auseinander. In seinen Klavieretüden reflektiert er dies durch ein Spiel mit der relativen Stabilität musikalisch-komplexer Systeme, wobei das kompositorische Ziel auf die Erzeugung einer Illusionsrhythmik gerichtet ist.

Priv.-Doz. Dr. Daniela Philippi wurde 1966 in Limburg a. d. Lahn geboren. Studium der Fächer Musikwissenschaft, Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft und Publizistik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz sowie Kirchenmusik am Bischöflichen Institut für Kirchenmusik des Bistums Mainz, 1992 Promotion, 2000 Habilitation. Derzeit Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Gluck-Gesamtausgabe in der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz, sowie Privatdozentin am Musikwissenschaftlichen Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Lehrbeauftragte an der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf. Mitglied im Herausgebergremium der Gluck-Gesamtausgabe sowie in den Editorial Boards der Neuen Antonín Dvořák-Gesamtausgabe und der Bohuslav Martinů-Gesamtausgabe.

Publikationen u. a.: Antonín Dvořák: Svatební košile/Die Geisterbraut op.69 und Svatá Ludmila/Die heilige Ludmilla op. 71. Studien zur »großen Vokalform» im 19. Jahrhundert, Tutzing 1993; Neue Orgelmusik. Werke und Kompositionstechniken von der Avantgarde bis zur pluralistischen Moderne, Kassel 2002.

Abschlussvortrag dieser Reihe:
Prof. Dr. Reinhard Wiesend (Mainz)
Von der Notwendigkeit, im 11. Jahrhundert durch Buchstaben
und Zahlen Ordnung in die Musik zu bringen
Donnerstag, 28. Juli 2005, 19.00 Uhr, Hörsaal des Musikwissenschaftlichen Instituts