Dr. Wolfgang Voigt – Vortragsexposé – Sommersemester 2005

Das Institut für Kunstgeschichte und das Studium generale laden zu folgendem Gastvortrag ein:

Dr. Wolfgang Voigt (Frankfurt am Main)

Ein neuer Blick auf Dominikus Böhm und sein Werk

Mittwoch, 6. Juli 2005, 19.15 Uhr
Hörsaal des Instituts für Kunstgeschichte, Binger Straße 26, 55122 Mainz

Raum ist Sehnsucht. So lautete das Motto vieler Kirchenentwürfe Dominikus Böhms. Sehnsucht nach Gemeinschaft, nach Erlösung, nach Gott. Böhms Kirchen wollten modern und mystisch sein; sie schufen eine auf Stimmungen gerichtete sakrale Monumentalität, aber keine, die den Menschen klein gemacht hätte. Seine Erfindungsgabe war legendär, ebenso die Effekte mit Licht. Der tiefgläubige Mann wurde einer der großen Meister des katholischen Sakralbaus im 20. Jahrhundert.
Viele Entwürfe Böhms waren von der Liturgiereform angeregt, der wichtigsten Neuerungsbewegung der katholischen Kirche in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Gemeinde sollte sich in den Symbolen des Gottesdienstes wiederfinden und an den Handlungen aktiv teilhaben. Im neuen Kirchenbau hieß das: Reduktion auf das Wesentliche und Konzentration des Raumes auf den Altar, auf die Schnittstelle zwischen Gott und den Menschen. Vier Jahrzehnte vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil schuf Böhm hierfür den architektonischen Raum. Sein Entwurf »Circumstantes« von 1922 war einer der ersten, die den über Jahrhunderte von der Gemeinde abgerückten Handlungsmittelpunkt der katholischen Messe wieder in den Raum und unter die Menschen stellte.
In Böhms Bauten trifft sich der Drang zur neuen Form mit dem Willen, darüber die Tradition nicht zu vergessen. Obwohl direkte Zitate aus der Baugeschichte in der Regel vermieden werden, schaffen seine Kirchen nicht von ungefähr vage oder auch ganz direkte Erinnerungen an »Urformen« aus früheren Epochen des Kirchenbaus.

Dr. Wolfgang Voigt, stellvertretender Direktor des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt/M., ist Kurator der dortigen Ausstellung »Raum ist Sehnsucht. Der Kirchenbaumeister Dominikus Böhm 1880–1955« (16.4.–19.6.05). – Zahlreiche Beiträge zur Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts in Deutschland, etwa zum Bremer Haus (1992), zum Atlantropa-Projekt (1998) sowie zu den Architekten Heinz Bienefeld (1999), Hans und Oskar Gerson (2000) und Paul Schmitthenner (2003).

Nächster Vortrag des Instituts für Kunstgeschichte:
Dr. Rebecca Müller (Florenz)
Präsenz der Heiligen. Die Altäre der Vivarini in San Zaccaria in Venedig
Mittwoch, 13. Juli 2005, 19.15 Uhr, Hörsaal des Instituts für Kunstgeschichte