Prof. Dr. Peter Steinbach – Vortragsexposé – Sommersemester 2005

THEMENSCHWERPUNKT DES STUDIUM GENERALE
»WIDERSTAND UND VERANTWORTUNG«

Prof. Dr. Peter Steinbach
Professor für Neuere und Neueste Geschichte, Universität Karlsruhe TH
Wissenschaftlicher Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin

Widerstand aus Verantwortungsfähigkeit und Verantwortungsbereitschaft

Montag, 30. Mai 2005, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)

Zu allen Zeiten haben sich Menschen gegen Diktatoren und deren Tyrannei gewandt. Doch sind Regimegegner in diktatorischen Systemen niemals in der Mehrheit, vielmehr leben sie immer in der Minderheit. Diejenigen, die nicht dem "süßen Sklavenfrieden" (Joachim Gauck) trauen, sondern widersprechen, sich widersetzen und der Unfreiheit den Gedanken an Freiheit und unveräußerliche Menschenrechte entgegensetzen, sind zumeist einsam im Stich gelassen von der Mehrheitsgesellschaft.
Dabei zeigen sie, dass es in der Diktatur immer Entscheidungsalternativen gibt: sich der Tyrannis begeistert zu unterwerfen, also mitzulaufen oder sich ihr auf unterschiedlichste Art und Weise entgegenzustellen. Diese Entscheidung ist nie einfach. Sie verlangt Mut, Zuversicht und setzt immer eigenständiges Denken und Handeln voraus. So zeigt der Widerstand gegen Diktaturen, dass Anpassung, Gehorsam, Folgebereitschaft und Mitläufertum überwunden werden können. Regimegegner haben ihre Angst verdrängt und gelernt, ihre Furcht zu beherrschen. Widerstand symbolisiert dann Angstfreiheit, die eine geradezu regimestürzende Wirkung hat. Wer seine Angst abschüttelt, macht sich in Diktaturen nahezu unangreifbar.
Wohl deshalb finden sich in allen postdiktatorischen Gesellschaften Erinnerungen an Menschen, die Mut bewiesen, ihr Leben aufs Spiel setzten oder sich den Zumutungen jener entgegenstellten, die Macht ausübten und als Herrschende keine naturrechtlichen Selbstbindungen akzeptierten. Der Erinnerung an Diktaturgegner wohnt daher eine große historische, ethische, moralische und pädagogische Bedeutung inne. Sie zu vermitteln stellt eine postdiktatorische Aufgabe historisch-politischer Bildung dar. Der Widerstand zeigt, dass ein politisch handelndes Individuum sich nicht immer auf kollektive Verhaltensnormen berufen kann. Deshalb ist im Nachdenken über den antitotalitären Widerstand eine ganz individuelle Verantwortungsethik zu begründen. Zum Symbol des Widerstands wird deshalb der Einzelne, der auf sich gestellt der Staatsmacht gegenübersteht.
Allerdings reicht es nicht, sich zum Widerstand zu bekennen. Sondern es müsste darauf ankommen, Entscheidungssituationen nachzuvollziehen und durchzuspielen im Hinblick auf Alternativen, die sich stellten. Vielleicht stehen wir vor einer Neuausrichtung unserer zeithistorisch geprägten politischen Bildung. Dabei wird es wichtig sein, die Frage der Verantwortung auf historische Beispiele zu beziehen, die exemplarische Handlungsdimensionen erschließen.