Prof. Dr. Regina Römhild – Vortragsexposé – Wintersemester 2016/2017

THEMENSCHWERPUNKT
"HEIMAT HEUTE"

Prof. Dr. Regina Römhild
Professorin für Europäische Ethnologie, Mitglied im Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM), Humboldt-Universität zu Berlin

global heimat – Migration und die Transnationalisierung der Gesellschaft

Montag, 19. Dezember 2016, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)

Sind Heimat und Globalisierung unvereinbare Widersprüche? Werden Gefühle der Zugehörigkeit durch grenzüberschreitende Mobilität und die zunehmende Diversität der Gesellschaft erschüttert oder gar unmöglich gemacht? Entsprechende Szenarien von drohendem Heimatverlust sind ein zentraler Bestandteil der Debatte um Globalisierung, Mobilität, Flucht und Migration. Besonders drastisch und inflationär werden solche Ängste in rechtspopulistischen Argumenten und Politiken geschürt.
In der kulturanthropologischen Forschung, die dieser Vortrag thematisiert, wird die Frage nach Heimat als eine Frage nach der Verortung von Menschen in ihrer jeweiligen Umwelt untersucht. Es geht in der kulturanthropologischen Perspektive um die grundsätzliche Fähigkeit von Menschen, Heimat zu schaffen und sich darin zu beheimaten – und das immer wieder neu, auch unter Bedingungen von Mobilität und Fremdheit. In der heutigen Situation vielfältiger grenzüberschreitender Migrationen und transnationaler Lebenswelten wird diese Fähigkeit erneut herausgefordert: auf der Seite derjenigen, die sich als "Sesshafte" mit angestammten Rechten in einem Raum begreifen, ebenso wie auf der Seite derjenigen, die als Migranten und Geflüchtete die sich ihnen entgegenstellenden Grenzen überwunden haben und Beheimatungsrechte einfordern. Gerade von den letzteren, den Migrantinnen und Migranten, den Geflüchteten und den ihnen folgenden Generationen von Menschen "mit Migrationshintergrund", also von jenen, die immer wieder als Ursache für nationalen und europäischen Heimatverlust verantwortlich gemacht werden, lässt sich jedoch lernen, wie es sich in den längst realisierten globalisierten Verhältnissen mit mehreren Heimaten leben lässt, wie sich Zugehörigkeit, Identität und Bürgerrechte in einem transnationalen Raum über Grenzen hinweg verwirklichen lassen. Wie also Beheimatung unter Globalisierungsbedingungen heute schon praktiziert und eine alle betreffende Zukunft multipler Zugehörigkeiten vorweggenommen wird.

Regina Römhild ist Kulturanthropologin und seit 2009 Professorin am Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität zu Berlin. Zu ihren Schwerpunkten in Forschung und Lehre gehören urbane Kulturen, Migration, Mobilität und Grenze, Europa und Europäisierung in globaler, postkolonialer Perspektive, politische Anthropologie. Nach der Promotion (1997) arbeitete sie von 2000 bis 2006 als Hochschulassistentin am Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie der Frankfurter Goethe-Universität. Von 2003 bis 2006 war sie wissenschaftliche Leiterin eines interdisziplinären, von der Kulturstiftung des Bundes finanzierten Projekts "Transit Migration", das die laufenden Auseinandersetzungen globaler Migrationsbewegungen mit den Grenzen des neuen Europas thematisierte. Zugleich war sie Ko-Kuratorin der mit dem Kölnischen Kunstverein und weiteren Partnern realisierten Gemeinschaftsausstellung "Projekt Migration" (2005/2006). Vor ihrer Habilitation (2008) und dem Ruf an die Humboldt-Universität zu Berlin lehrte und forschte sie zwei Jahre am Institut für Soziologie der Ludwig-Maximilians-Universität, München. Am Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität zu Berlin hat sie das derzeitige Format des Labors Migration sowie das Labor Kritische Europäisierungsforschung – beides offene, von den Teilnehmenden selbst organisierte Diskussionsräume für Fragen an der Schnittstelle von Wissenschaft und Politik – aufgebaut.

Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Beate Mitzscherlich

(Professorin für Pflegeforschung, Westsächsische Hochschule Zwickau)
Identitätskonstruktionen und Beheimatungsprozesse
Montag, 9. Januar 2017, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)