Prof. Dr. Burcu Dogramaci – Vortragsexposé – Wintersemester 2016/2017

Themenschwerpunkt "Heimat heute"

Prof. Dr. Burcu Dogramaci
Professorin für Kunstgeschichte mit besonderer Berücksichtigung der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart, Ludwig-Maximilians-Universität München

Was ist Heimat? Künstlerische Perspektiven

Montag, 21. November 2016, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)

"Wieviel Heimat brauchen Sie?" Diese Frage des Schweizer Schriftstellers Max Frisch aufnehmend widmet sich der Vortrag der Präsenz und Bedeutung von Heimat in Kunst und Fotografie seit den 1960er Jahren bis in die Gegenwart. In der Definition des Deutschen Wörterbuchs von Jacob und Wilhelm Grimm meint Heimat "das Land oder auch nur der Landstrich, in dem man geboren ist oder bleibenden Aufenthalt hat". Heimat kann jedoch noch viel mehr sein: ein Gegenstand, ein Geruch, eine Erinnerung, eine Sprache oder Landschaft. Dabei sind Fern- und Heimweh ein unzertrennliches Zwillingspaar: "Der Kern aller Heimat ist die Sehnsucht wegzugehen", schreibt dazu der Filmwissenschaftler Georg Seeßlen. Kurz vor der Jahrtausendwende diagnostizierte Martin Parr in seinem Fotobuch "Signs of the Times" bei seiner Reise durch britische Wohnzimmer einen nationalen Geschmack. Bei Parr wie auch in Herlinde Koelbls "Das deutsche Wohnzimmer" (1980) fallen Heimat und Heim in eins: Schrankwand und Wohnzimmertisch (Koelbl) oder ein künstliches Kaminfeuer im Landhausstil (Parr) rufen Gemütlichkeit und Traditionsbewusstsein hervor. In Auseinandersetzung mit Heimattheorien und literarischen Texten, mit Topografien der Heimat wie wirkmächtigen Heimat-Bildern werden im Vortrag die vielfältigen Implikationen und Deutungen von künstlerisch wie fotografisch reflektierter Heimat oder Heimatlosigkeit befragt.

Burcu Dogramaci ist seit 2009 Professorin am Institut für Kunstgeschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München mit Schwerpunkt auf der Kunst des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart. Studium der Architektur in Stuttgart, Kunstgeschichte und Germanistik an der Universität Hamburg. 2000 Promotion. 2007 Habilitation. Forschungen zu Exil und Migration, Fotografie und Fotobuch, Mode, Filmkostüm und -architektur, Urbanität und Kunst, Skulptur der Moderne und Nachkriegszeit.
Publikationen u. a.: Heimat. Eine künstlerische Spurensuche, Köln: Böhlau 2016; Fotografieren und Forschen. Wissenschaftliche Expeditionen mit der Kamera im türkischen Exil nach 1933, Marburg: Jonas 2013; Migration und künstlerische Produktion. Aktuelle Perspektiven, Bielefeld: transcript 2013 (Hg.); Kulturtransfer und nationale Identität. Deutschsprachige Architekten, Stadtplaner und Bildhauer in der Türkei nach 1927, Berlin: Gebr. Mann 2008.

Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Sarah Scholl-Schneider
(Juniorprofessorin für Kulturanthropologie/Volkskunde, Johannes Gutenberg-Universität Mainz)
Heimat(be)suche. Ethnographische Perspektiven auf erinnerungskulturelle Praktiken Heimatvertriebener im östlichen Europa
Montag, 28. November 2016, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)