Prof. Dr. Gabriele Lucius-Hoene – Vortragsexposé – Wintersemester 2015/2016

Themenschwerpunkt des Studium generale
"Identitäten. Kontinuität und Wandel"

Prof. Dr. Gabriele Lucius-Hoene
Rehabilitationspsychologie, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Narrative Identität.
Erzählen als biographische Konstruktion und alltägliche Bewältigungsarbeit

Montag, 1. Februar 2016, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)

Seit der Wiederentdeckung des Erzählens im Rahmen der sogenannten "narrativen Wende" hat sich der Begriff der "narrativen Identität" auch über seine Beliebtheit in vielen sozial- und kulturwissenschaftlichen Kontexten hinaus als fruchtbares und anschlussfähiges Konzept erwiesen. "Narrative Identität" postuliert, dass Menschen ihr Gefühl eines kontinuierlichen und kohärenten Selbst über die Geschichte(n) ihres Lebens etablieren und sich damit auch sozial erkennbar machen. Im Vortrag werden grundlegende Ideen des Konzepts und seine Bedeutung für die empirische Forschung anhand von Text- und Forschungsbeispielen erläutert, aber auch hinterfragt und erweitert. Narrative Identität wird nicht nur als Produkt der "großen" Lebenserzählungen, sondern gerade als alltägliche und permanente Identitätsarbeit in den flüchtigen Interaktionen des Alltags verstanden und kann für zahlreiche praktische Anwendungskontexte fruchtbar gemacht werden.

Gabriele Lucius-Hoene, Prof. der Psychologie i. R., studierte Medizin und Psychologie in Mainz, Heidelberg und Freiburg. Seit 1979 an der Abteilung für Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie des Instituts für Psychologie der Universität Freiburg mit den Arbeitsschwerpunkten Qualitative Sozialforschung und narrative Interviews, soziolinguistische Erzählforschung, Kulturpsychologie, narrative Medizin und neuropsychologische Rehabilitation. Der Schwerpunkt ihrer Publikationen entstand in Kooperationen mit kulturwissenschaftlichen Fächern und der Medizin zu den Themen der narrativen Identität und narrativen Bewältigung, z.B. "Rekonstruktion narrativer Identität" (zus. mit Arnulf Deppermann), Heidelberg, Springer 2004, "Narrative Bewältigung von Trauma und Verlust" (zus. mit Carl Eduard Scheidt und Anja Stukenbrock), Stuttgart, Schattauer 2015, und "Wiedererzählen" (zus. mit Elke Schumann, Elisabeth Gülich und Stefan Pfänder), Bielefeld, transkript 2015.
Seit 2008 ist sie Koordinatorin des deutschen DIPEx-Projekts, das eine Internet-Website mit krankheitspezifischen Patientenerfahrungen (www.krankheitserfahrungen.de) aufbaut.