Prof. Dr. Rolf Parr – Vortragsexposé – Wintersemester 2015/2016

Themenschwerpunkt des Studium generale
"Identitäten. Kontinuität und Wandel"


Prof. Dr. Rolf Parr

Professor für Germanistik / Literatur- und Medienwissenschaft, Institut für Germanistik, Universität Duisburg-Essen

Von Rumpelfüßlern, Schönspielern und Prachtnelken.
Nationalstereotype in der Fußballberichterstattung

Montag, 26. Oktober 2015, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)

»Wenn wir Deutschen tanzen, und der Brasilianer tanzt daneben [...], dann musst du doch sofort von der Tanzfläche verschwinden« (Berti Vogts, ehemaliger Bundestrainer). – Stereotype wie dieses stellen Nationalmannschaften als individuelle Subjekte mit einem mehr oder weniger festen ›Charakter‹ dar. Dieser ist anscheinend in jedem einzelnen Vertreter und letztlich in allen Handlungen aller Vertreter einer Nation wiederzuerkennen: Die dem deutschen Fußball zugeschriebenen Merkmale ›Ordentlichkeit‹ und ›arbeitsamer Fleiß‹ (manchmal eben auch gepaart mit ›Rumpelfüßigkeit‹) manifestieren sich dann ebenso in ordentlichen Häusern, ordentlich gewaschenen Samstagsautos wie eben auch in einem ordentlich gespielten Fußball.
Zuschreibungen wie diese entsprechen jedoch nicht tatsächlichen Eigenschaften, sondern sind vielmehr stets Konstrukte, die allerdings durch tatsächliche Ereignisse, Gewohnheiten und typische Handlungen motiviert sein können. Und praktisch sind sie obendrein, denn man kann sich, ohne viele Details ausbreiten zu müssen, schnell und unkompliziert darüber verständigen. Der Vortrag zeichnet zunächst einige Grundlinien des Systems der Fußball-Nationalstereotype für die Zeit ab 2002 nach, um dann am Beispiel der beiden letzten Weltmeisterschaften nach Irritationen in den Zuschreibungen solcher nationalen Eigen-schaften zu fragen. Denn wie sieht es mit den Stereotypen aus, wenn ein Indonesier für die Niederlande, ein frankophoner Afrikaner für England, ein deutschstämmiger Russe für die Türkei und ein türkischstämmiger Deutscher für Deutschland spielen?

Prof. Dr. Rolf Parr, Studium der Germanistik, Pädagogik und Philosophie an der Ruhr-Universität Bochum, Promotion 1989; Habilitation für »Neuere deutsche Literatur« 1996 an der Universität Dortmund; apl. Professor dort ab 2002. Von 2004 bis 2010 Professur an der Universität Bielefeld; seit 2010 Professur für »Germanistik (Literatur- und Medienwissenschaft)« an der Universität Duisburg-Essen.
Publikationen u. a.: Die Fremde als Heimat. Heimatkunst, Kolonialismus, Expeditionen. Konstanz: Konstanz University Press 2014. ∙ (unter Mitarbeit von Maren Alstedde, Olja Siek und Julia Stratmann): Fußball – eine kulturwissenschaftliche Auswahlbibliografie. Heidelberg: Synchron 2006.

Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Astrid Erll (Anglophone Literaturen und Kulturen, Goethe-Universität, Frankfurt a. M.)
Kollektives Gedächtnis und kollektive Identität:
Die Herausforderungen von Migration und Transkulturalität

Montag · 9. November 2015 · 18:15 Uhr · N 1 (Muschel)