Dr. Peter Niedermüller – Vortragsexposé – Wintersemester 2004/2005

VORTRÄGE IN DER MUSIKWISSENSCHAFT
Vortragsreihe des Musikwissenschaftlichen Instituts
KOMPONISTEN UND IHRE LEKTÜRE

Dr. Peter Niedermüller (Mainz)

Zur Hölderlinrezeption Luigi Nonos

Donnerstag, 10. Februar 2005, 19.00 Uhr
Hörsaal des Musikwissenschaftl. Instituts (Philosophicum, linker Vorbau)

In dem berühmten Fragebogen nach Proustschem Muster antwortete der venezianische Komponist Luigi Nono (1924–90) auf die Frage, »Wer oder was hätten Sie sein wollen?«, mit: »Der Turm in Tübingen, um Hölderlin zu lauschen.« Dieser Aphorismus fällt umso mehr ins Gewicht, als Nono ihn zu einer Zeit formulierte, in der seinen späten Werken, insbesondere den durch das literarische Werk Friedrich Hölderlins inspirierten, auch der Vorwurf gemacht wurde, das einst aktive Mitglied der kommunistischen Partei Italiens habe sich ins Private, Unpolitische zurückgezogen. Anhand des Streichquartetts Fragmente – Stille, An Diotima (1980) und der »Tragödie des Hörens« Prometeo (1984/85) soll gezeigt werden, dass Nono das komplette ästhetische Programm Hölderlins in Musik umzusetzen sucht. Dies betrifft auf der einen Seite in der Tat hermetische Gestaltungsformen, diese sind aber wie schon bei Hölderlin nicht von der philosophisch-politischen Aussage zu trennen. Hölderlin bedeutete für Nono also eine Absage an Agit-Prop, nicht an eine politische Haltung.

Peter Niedermüller, Studium der Musikwissenschaft, Philosophie, Geschichte und Pädagogik in Würzburg, Promotion dort 1999. Er ist derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter am Musikwissenschaftlichen Institut der Johannes Gutenberg-Universität. Er betreut die Zeitschrift Ad parnassum als consultant editor. Momentane Schwerpunkte der Forschung sind die Musik der Beethovenzeit und des 20. Jahrhunderts.