Prof. Dr. Heiner Keupp – Vortragsexposé – Wintersemester 2013/2014

Studium generale: Mainzer Universitätsgespräche

"Die erschöpfte Gesellschaft"

Prof. Dr. Heiner Keupp

(Ludwig-Maximilians-Universität München)

Das erschöpfte Selbst auf dem Fitnessparcours des globalen Kapitalismus

Mittwoch, 18. Dezember 2013, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)



Wer wollte die Suche der Menschen nach Lebensglück und guter Arbeit diskreditieren? Das ist ja ein wichtiger Motor für alle persönlichen und gesellschaftlichen Engagements. Selbstverwirklichung ist ein hohes Ziel, aber es ist auch ein gesellschaftlicher Anspruch, der nicht selten auch ideologisch überhöht und definiert wird. Je stärker Menschen traditionelle Lebensformen hinter sich lassen können und selbstbestimmt eigene Wege gehen können, jedenfalls in höherem Maße als frühere Generationen, desto größer ist die Gefahr der Grenzenlosigkeit. In seinen Lebensformen passt sich die vorherrschende spätmoderne Charakterformation der unaufhaltsamen Beschleunigungsdynamik an. Der gesellschaftliche und berufliche Fitnessparcours hat kein erreichbares Maß, ein Ziel, an dem man ankommen kann, sondern es ist eine nach oben offene Skala, jeder Rekord kann immer noch gesteigert werden. Hier ist trotz Wellness-Industrie keine Chance, eine Ökologie der eigenen Ressourcen zu betreiben, sondern in einem unaufhaltsamen Steigerungszirkel läuft alles auf Scheitern und einen Erschöpfungszustand zu. Die steigenden Depressionsraten sind der Beleg dafür.



Heiner Keupp, Jg. 1943, Studium der Psychologie und Soziologie in Frankfurt am Main, Erlangen und München. Diplom, Promotion und Habilitation in Psychologie, 1978–2008 Professor für Sozial- und Gemeindepsychologie an der Universität München. Aktuell Gastprofessuren an den Universitäten in Krems, Klagenfurt und Bozen. Beteiligt am Curriculum Klinische und Gesundheitspsychologie der Gesellschaft für kritische Psychologinnen und Psychologen (GkPP) seit Beginn. Kommissionsvorsitzender für den 13. Kinder- und Jugendbericht der deutschen Bundesregierung zur Gesundheitsförderung und Prävention (2007–2009). Arbeitsinteressen: soziale Netzwerke, gemeindenahe Versorgung, Gesundheitsförderung, Jugendforschung, individuelle und kollektive Identitäten in der Reflexiven Moderne, Bürgerschaftliches Engagement und Missbrauch in pädagogischen und kirchlichen Institutionen (Kloster Ettal, Stift Kremsmünster). Einige Buchveröffentlichungen: Psychosoziales Handeln im gesellschaftlichen Umbruch (1987); Soziale Netzwerke (1987); Riskante Chancen (1988); Verunsicherungen (1989); Zugänge zum Subjekt (1993), Psychologisches Handeln in der Risikogesellschaft (1994), Identitätsarbeit heute (1997); Der Mensch als soziales Wesen (1998); Identitätskonstruktionen. Das Patchwork der Identitäten in der Spätmoderne (1999, 5. Aufl. 2006); Eine Gesellschaft der Ichlinge. Zum gesellschaftlichen Engagement Heranwachsender (2000); Grundkurs Psychologie (2001); Subjektkonzeptionen im Diskurs (2007); Armut und Exklusion. Gemeindepsychologische Analysen und Gegenstrategien (2010); Erschöpfende Arbeit (2010); Selbstsorge. Zur Selbsthilfe befähigen (2012); Freiheit und Selbstbestimmung in Lernprozessen ermöglichen (2012); Capability: Verwirklichungschancen zur positiven Jugendentwicklung (2012); Heraus aus der Ohnmachtsfalle. Psychologische Einmischungen (2013).

Nächster Vortrag in dieser Reihe:

Prof. Dr. Käte Meyer-Drawe

(Professorin für Allgemeine Pädagogik, Institut für Erziehungswissenschaft, Fakultät für Philosophie und Erziehungswissenschaft, Ruhr-Universität Bochum)

Übermüdet, ein Selbst zu sein. Im Schatten der freien Entfaltung

Mittwoch, 8. Januar 2014, 18:15 Uhr, N 1 (Muschel)