Prof. Dr. Helmut Pulte – Vortragsexposé – Wintersemester 2012/2013

Themenschwerpunkt des Studium generale Modell und Wirklichkeit in der Wissenschaft

Prof. Dr. Helmut Pulte

Gedankenexperiment, Metapher, Modell: Analogisches Denken in Philosophie und Wissenschaft

Dienstag, 5. Feb. 2013, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)

'Analogische' Erkenntnis- und Darstellungsformen, wie man Gedankenexperiment, Metapher und Modell in Abgrenzung zu den traditionellen, am Ideal logisch-deduktiver Ordnung von Wissen orientiertem Wissenschaftsverständnis nennen könnte, gewinnen in der modernen Wissenschaft immer mehr an Bedeutung. Ziel des Vortrags ist es, ausgehend von Kants 'Analogien der Erfahrung' als sog. schematischen Analogien bis hin zu Hertz' Bildtheorie die wissenschafts- und erkenntnistheoretische Bedeutung dieser Formen herauszuarbeiten und, in einem zweiten Teil, anhand verschiedener Beispiele aus den Naturwissenschaften und der Mathematik zu illustrieren. Besonders die theoretische Physik liefert interessante Beispiele von Gedankenexperimenten, Metaphern und Modellen, die die konstitutive Funktion und heuristische Fruchtbarkeit solcher analogischer Formen belegen. Im Mittelpunkt des Vortrags steht deren 'Einheit', die in der aktuellen Wissenschaftstheorie mit ihren Spezialisierungen und Ausdifferenzierungen oft verkannt bzw. nicht mehr thematisiert wird. Als 'Motto' des Vortrags könnte daher das berühmte Wort aus Heinrich Hertz' Prinzipien der Mechanik (1894) dienen: "Wir machen uns innere Scheinbilder oder Symbole der äußeren Gegenstände, und zwar machen wir sie von solcher Art, daß die denknotwendigen Folgen der Bilder stets wieder die Bilder seien von den naturnotwendigen Folgen der abgebildeten Gegenstände. Damit diese Forderung überhaupt erfüllbar sei, müssen gewisse Übereinstimmungen vorhanden sein zwischen der Natur und unserem Geiste".

Helmut Pulte hat von 1976 bis 1982 die Fächer Philosophie, Mathematik und Physik studiert. Nach Promotion und Schuldienst kehrte er mit einem Habilitationsstudium der DFG an die Universität zurück und habilitierte sich – nach einem längeren Alexander von Humboldt-Forschungsaufenthalt an der University of Cambridge – im Jahre 2001. Seit 2002 ist er Inhaber des Lehrstuhls für "Philosophie mit besonderer Berücksichtigung von Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte" an der Ruhr-Universität Bochum. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Wissenschaftstheorie und -geschichte der Naturwissenschaften, insbes. der Physik, Geschichte und Philosophie der Mathematik, Philosophie der Neuzeit und moderne Erkenntnistheorie. Von 2001 bis 2004 war er Mitherausgeber des "Historischen Wörterbuchs der Philosophie". Er ist u.a. Autor des Buches "Axiomatik und Empirie. Eine wissenschaftstheoriegeschichtliche Untersuchung zur mathematischen Naturphilosophie von Newton bis Neumann" (Darmstadt: WB, 2005). Seit 2006 ist er einer der beiden Hauptherausgeber des "Journal for General Philosophy of Science – Zeitschrift für allgemeine Wissenschaftstheorie".