PD Dr. Ulf Hashagen – Vortragsexposé – Wintersemester 2012/2013

Fachbereich Physik, Mathematik und Informatik, Institut für Mathematik

AG Geschichte der Mathematik und der Naturwissenschaften (Prof. David Rowe, Dr. Martina Schneider)

PD Dr. Ulf Hashagen (Deutsches Museum, München)

Mathematische Instrumente und Mathematische Maschinen in der NS-Zeit

Dienstag, 22. Januar 2013, 16:00–18.00, Raum 05 522, Institut für Mathematik, Staudinger Weg 9, Campus JGU Mainz

Im späten 19. Jahrhundert entwickelte sich die Erfindung und Herstellung von "mathematischen Instrumenten" zu einer Stärke des deutschen Innovationssystems, und die deutsche feinmechanische Industrie hatte über Jahrzehnte eine weltweite Spitzenstellung in der Herstellung derartiger Apparate. Die nach dem Ende des Ersten Weltkrieges einsetzende Finanzkrise in Deutschland verhinderte im Zusammenspiel mit der Ideologie der "reinen Wissenschaft", dass in der Weimarer Republik größere "mathematische Maschinen" gebaut wurden, so dass andere nationale Innovationssysteme die internationale Führungsrolle in diesem Bereich übernahmen. Während der vom Elektroingenieur Vannevar Bush am MIT in den USA gebaute epochemachende Analogrechner "Differential Analyzer" in den 1930er Jahren z.B. in Großbritannien mehrfach "kopiert" wurde, begann die deutsche Entwicklung erst nach den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. So wurde 1939/40 mit dem Bau von zwei unterschiedlichen und technisch sehr ambitionierten Analogrechnern für das Heereswaffenamt bzw. für das Raketenprojekt von Werner von Braun begonnen. Dabei zeigt sich, wie der NS-Staat die wissenschaftliche Kompetenz der Mathematiker als Ressource für die Entwicklung von Waffen nutzte und wie umgekehrt die Mathematiker die finanziellen, personellen und industriellen Ressourcen des NS-Staates für Projekte zum Bau großer mathematischer Maschinen zu Nutze machten. Der Vortrag versucht dabei, grundlegende Aspekte der wissenschaftlichen und technologischen Entwicklung in der "angewandten Mathematik" sowie die Dynamik und Struktur des militärisch-industriell-akademischen Komplexes im "Dritten Reich" zu analysieren.

Alle Interessenten sind herzlich eingeladen.