Prof. Dr. Birte Englich – Vortragsexposé – Wintersemester 2012/2013

STUDIUM GENERALE: MAINZER UNIVERSITÄTSGESPRÄCHE

"ZWISCHEN VERNUNFT UND INTUITION. WIE TREFFEN WIR ENTSCHEIDUNGEN?"

Prof. Dr. Birte Englich

(Angewandte Sozialpsychologie und Entscheidungsforschung, Universität zu Köln)

Was leitet unsere Intuitionen? Wenn zufallsgenerierte Zahlen richterliche Urteile beeinflussen

Mittwoch, 5. Dezember 2012, 18.15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)

Entscheidungen müssen oft schnell und in Ermangelung vollständiger, vollkommen gesicherter Informationen getroffen werden. Was aber leitet uns in solchen Entscheidungssituationen? Und welche Urteilseinflüsse sind so robust, dass sie selbst Entscheidungen von Experten leiten? Neben Stimmungseffekten oder Einflüssen von Stereotypen haben auch Zahlen einen deutlichen Einfluss auf Urteile und Entscheidungen. Ankereffekte, d.h. die Assimilation von numerischen Urteilen unter Unsicherheit an eine Zahlenvorgabe, wie sie in der sozialpsychologischen Grundlagenforschung vielfach gezeigt wurden, können sogar durch unplausible numerische Standards hervorgerufen werden. So beeinflusst beispielsweise die Frage, ob Mahatma Gandhi älter oder weniger alt als 140 Jahre geworden ist, die Schätzung des tatsächlichen Alters von Mahatma Gandhi. Entsprechende Ankereffekte haben sich auch als Urteilseinfluss auf richterliche Strafentscheidungen erwiesen. Dies gilt unabhängig von Faktoren wie der juristischen Erfahrung der Richter oder der Expertise, die der Quelle der Strafmaßforderung zugeschrieben wird (Englich, Mussweiler & Strack, 2006).

Birte Englich ist seit 2009 Professorin für Angewandte Sozialpsychologie und Entscheidungsforschung an der Universität zu Köln und hier eingebunden in den Arbeitsbereich Social Cognition Cologne. Ihre Forschungsthemen sind aktuell vor allem Einflüsse auf Urteilen und Entscheiden, beispielsweise im Anwendungskontext richterlicher Entscheidungen, aber auch im Hinblick auf alltägliche moralische Entscheidungen, die Korrektur solcher Urteilseinflüsse sowie Einflüsse von sozialer Macht und Expertise.

Ausgewählte Publikationen: Englich, B., Mussweiler, T. & Strack, F. (2006). Playing dice with criminal sentences: The influence of irrelevant anchors on experts' judicial decision making. Personality and Social Psychology Bulletin, 32, 188–200. Englich, B. (2009). Heuristic strategies and persistent biases in sentencing decisions. In M. E. Oswald, S. Bieneck, & J. Hupfeld-Heinemann (Eds.), Social psychology of punishment of crime (pp. 295–314). Chichester, England: John Wiley & Sons.

Nächster Vortrag in dieser Reihe:

Prof. Dr. Tilmann Betsch

(Sozial-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie, Universität Erfurt)

Entwicklung von Entscheidungskompetenz bei Kindern

Mittwoch, 12. Dezember 2012, 18.15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)