Alexander Weigel – Vortragsexposé – Wintersemester 2004/2005

Der Interdisziplinäre Arbeitskreis für Drama und Theater und das Studium generale laden im Rahmen der Ringvorlesung

GESCHICHTE DER THEATERKRITIK

zu folgendem Vortrag ein:

Alexander Weigel
(Dramaturg, Deutsches Theater Berlin)

»Über das gegenwärtige teutsche Theater.« Lessing, Schiller, Kleist – Theaterkritik als Kritik am Theater

Montag, 29. November 2004, 18.15 Uhr, P 5 (Philosophicum)

Im Unterschied zur heutigen impressionistischen Ereigniskritik nutzten Lessing und andere nach ihm, entsprechend ihrer Überzeugung von der gesellschaftlichen Bedeutung des Theaters, die Kritik von Theateraufführungen zugleich als Mittel der Kritik am Zustand des zeitgenössischen Theaters und seiner öffentlichen Rolle. Da sie hauptsächlich Dramen schrieben, war ihre Theaterkritik nicht professionell, sondern nahezu existentiell. Denn es bewegte sie auch die Frage, wie oder ob das Theater überhaupt in der Lage sei, ihre Dramen und Gestalten adäquat, ihrer inneren Wahrheit gemäß, aufzuführen, und wie es zudem beschaffen sein müsse, um ein »teutsches«, d.h. ein allen zugängliches »Nationaltheater« zu sein. In Lessings Hamburgischer Dramaturgie, in dem ganz frühen, anonym erschienenen Aufsatz Schillers Über das gegenwärtige teutsche Theater und in Kleists Theaterartikeln in den Berliner Abendblättern ging es deshalb auch um seinen Kern, das Problem der Darstellung und das heute wieder mehr als je in Frage stehende Verhältnis von Dramengestalt und Darsteller. Der Vortrag geht den Beziehungen zwischen Lessings praktischer Erfahrung und Enttäuschung mit Schauspielern, Schillers jugendlicher Radikalität gegenüber ihrem künstlerischen und moralischen Zustand und schließlich Kleists Dialog Über das Marionettentheater nach, dem imaginären Theater eines Dramatikers ohne Theater.

Alexander Weigel studierte in Leipzig, u. a. bei Hans Mayer und Ernst Bloch, und machte Studententheater. Danach Regieassistent in Rostock und Dramaturg in Greifswald, 1963/64 Redakteur und Kritiker der Zeitschrift Theater der Zeit in Berlin. Von 1964 bis 2001 Dramaturg am Deutschen Theater Berlin; u. a. langjährige Zusammenarbeit mit dem Regisseur Adolf Dresen und mit Heiner Müller.

Publikationen zur Geschichte des Deutschen Theaters (u. a. Das Deutsche Theater. Eine Geschichte in Bildern, Berlin, Propyläen, 1999), zu Heinrich von Kleist (u. a. Das imaginäre Theater Heinrich von Kleists. Spiegelungen des zeitgenössischen Theaters im erzählten Dialog ›Über das Marionettentheater‹, in: Beiträge zur Kleistforschung, Frankfurt (Oder) 2000) und Heiner Müller (u. a. Die Archäologie des Maulwurfs. H. M. und das Deutsche Theater, in: Text + Kritik. Heiner Müller. Neufassung 1997).

Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Dr. Jochen Strobel (Kritische Nietzsche-Ausgabe, Weimar)
Der Theaterkritiker Ludwig Tieck
Montag, 13. Dezember 2004, 18.15 Uhr, P 5 (Philosophicum)