Prof. Dr. Christina Thurner – Vortragsexposé – Wintersemester 2011/2012

STUDIUM GENERALE: MAINZER UNIVERSITÄTSGESPRÄCHE
"WELT OHNE STILLSTAND – BEWEGUNG ALS PRINZIP"

Prof. Dr. Christina Thurner
(Institut für Theaterwissenschaft, Universität Bern)

Die Kunst der Bewegung: Tanz

Mittwoch, 1. Februar 2012, 18.15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)

Bewegung ist eine Grundkonstituente von Tanz. Allerdings nimmt ′Bewegung′ im (künstlerischen) Tanz unterschiedlichste Formen an – je nach Epoche, Stil oder kulturellem Kontext: Während der Tanz im 17. Jahrhundert an europäischen Höfen in geometrisch geordneten Bahnen verlief, die als Raummuster die absolutistische Ordnung repräsentierten, forderten Ballettreformer des 18. Jahrhunderts mehr Gefühlsausdruck, was einem ganz neuen Bewegungskonzept entsprach und eng mit den aufklärerischen Subjektvorstellungen verbunden war. Die Romantik brachte bewegte ′Geschichten′ auf die Bühne und das Klassische Ballett perfektionierte seine virtuose Körpertechnik. Dagegen regte sich im Modernen Tanz verschiedentlich Widerstand, und man wollte die Tanzenden wieder von der rigiden Disziplinierung befreit sehen. Überdies kam der ′Alltagsbewegung′ seit den 1960er Jahren im Postmodern Dance und dann im Tanztheater eine wichtige Rolle zu, bis sich im so genannten Konzepttanz auf den ersten Blick gar niemand mehr bewegte, Bewegung sich vielmehr in den Zwischenraum von Bühne und Rezeption verlagerte. Der Vortrag wird anhand von Beispielen einen fokussierten Überblick über verschiedene Bewegungskonzepte im künstlerischen (westlichen) Tanz bieten.

Prof. Dr. Christina Thurner (geb. 1971) ist Professorin für Tanzwissenschaft am Institut für Theaterwissenschaft der Universität Bern. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Geschichte und Ästhetik des künstlerischen Tanzes vom 18. Jahrhundert bis heute, Zeitgenössischer Tanz und Performance, Historiographie, Gender. Seit 2009 ist sie Leitungsmitglied des interdisziplinären Graduiertenprogramms ProDoc Intermediale Ästhetik. Spiel – Ritual – Performanz der Universitäten Basel und Bern. Außerdem war sie lange Jahre Tanzjournalistin u.a. für die Neue Zürcher Zeitung und Stiftungsrätin der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia. Neuere Publikationen: Beredte Körper – bewegte Seelen. Zum Diskurs der doppelten Bewegung in Tanztexten, Bielefeld: transcript 2009; als Hg. mit Julia Wehren: Original und Revival. Geschichts-Schreibung im Tanz, Zürich: Chronos 2010.

Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Hartmut Rosa (Institut für Soziologie, Friedrich-Schiller-Universität Jena)
Wachstum, Beschleunigung, Innovationsverdichtung:
Die unerbittliche Steigerungslogik der modernen Gesellschaft
Mittwoch, 8. Februar 2012, 18.15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)