Prof. Dr. Joachim Radkau – Vortragsexposé – Sommersemester 2011

STUDIUM GENERALE: MAINZER UNIVERSITÄTSGESPRÄCHE
»DER MENSCH UND DAS FEUER: NATUR, KULTUR, TECHNIK«

Prof. Dr. Joachim Radkau
(Bielefeld)

Zwischen Pyromanie und analytischer Kühle. Die Umwelthistoriker und das Feuer

Mittwoch, 29. Juni 2011, 18.15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)

"Oh yes, burn, burn, burn!" rief ein australischer Naturschützer 1992 auf einer internationalen Tagung zur Umweltgeschichte in Finnland einem amerikanischen Kollegen zu, der sich dazu bekannte, in seinem Nationalpark Brände gelegt zu haben: zur Förderung der Regeneration und der Biodiversität. Das war für den amerikanischen Forest Service ein Schlag ins Gesicht, dessen spezieller Stolz seit Generationen auf dem heroischen Kampf gegen Waldbrände beruhte und dessen populäres Emblem der vor fahrlässigem Umgang mit Feuer warnende "Smokey Bear" war. Stephen J. Pyne beförderte mit seinen Feuer-Büchern die Umweltgeschichte der halben Welt in ein neues überraschendes Licht. Der anschwellende CO2-Alarm bedeutete für die ökologische Pyromanie dagegen eine kalte Dusche, ähnlich wie der Aufstieg der Müllverbrennungsanlagen in der Öko-Ära, der auf dem Glauben an die reinigende Kraft des Feuers beruht, durch ein spannungsvolles Hin und Her gekennzeichnet ist. Aber schon lange davor, von der bis in die Prähistorie zurückreichenden Brandwirtschaft bis zu den Holzsparöfen des 18. Jahrhunderts, vollzogen sich in der menschlichen Beziehung zum Feuer folgenreiche Rationalisierungsprozesse von tiefer Ambivalenz, ob aus der Sicht der Lehren von Max Weber oder der von Sigmund Freud. Ganz gesichert ist jedoch – wie es scheint – die Rationalität in dieser Beziehung bis heute nicht: Dazu ist sie zu heftig.

Joachim Radkau, geb. 1943; Promotion 1970 bei Fritz Fischer (Hamburg) mit einer Dissertation über die deutsche Emigration in die USA 1933; in der Folge Zusammenarbeit mit dem 1933 emigrierten George W. F. Hallgarten, Washington (1974 gemeinsames Buch: Deutsche Industrie und Politik von Bismarck bis heute); Habilitation bei Hans-Ulrich Wehler über die Geschichte der bundesdeutschen Atomwirtschaft (als Buch 1983); seit 1980 Professor für Neuere Geschichte an der Universität Bielefeld; zum Thema des Vortrags wichtig: Holz – Ein Naturstoff in der Technikgeschichte (1987, Neufassung 2007); Technik in Deutschland – Vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart (1989, Neufassung 2008); Natur und Macht – Eine Weltgeschichte der Umwelt (2000); Die Ära der Ökologie – Eine Weltgeschichte (2011).

Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Dr. Marie Luisa Allemeyer
(Historikerin · Geschäftsführerin der Graduiertenschule für Geisteswissenschaften GSGG, Georg-August-Universität Göttingen)
"Daß es wohl recht ein Feuer vom Herrn zu nennen gewesen…".
Zur Wahrnehmung, Deutung und Verarbeitung von Stadtbränden in der Frühen Neuzeit
Mittwoch, 13. Juli 2011, 18:15 Uhr, N 1 (Muschel)