Prof. Dr. Detlev Riesner – Vortragsexposé – Wintersemester 2010/2011

Themenschwerpunkt des Studium generale

WAS IST LEBEN?




Prof. Dr. Detlev Riesner (Düsseldorf)



Viren, Viroide, Prionen:

Frühe Formen des Lebens oder späte Unfälle?


Dienstag, 11. Januar 2011, 18.15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)



Von der umfassenden Diskussion ″Was ist Leben″ werden in diesem Beitrag nur molekulare Eigenschaften diskutiert, die unabdingbar mit ″Leben″ verbunden sind, keinesfalls aber ″Leben″ vollkommen beschreiben. Dazu gehören genetische Information, Weitergabe der Information, Mutation und Selektion, normale und pathologische Eigenschaften, Stoffwechsel. Diese Eigenschaften werden an den im Titel genannten kleinen Infektionserregern diskutiert. Bis auf den Stoffwechsel besitzen einige Viren die genannten Eigenschaften als autonome Systeme. Da in der Ursuppe energiereiche Bausteine vorhanden waren, sind Viren als frühe Formen des Lebens denkbar, die allerdings später die Selbständigkeit verloren haben. Auch Viroide als kleine Ribonukleinsäuren besitzen genetische Information, die zwar weitergegeben aber nicht in Proteine umgesetzt wird. Sie sind für alle Funktionen auf die Proteine der Zelle angewiesen. Obwohl Eigenschaften wie Weitergabe der Information, Selektion, Pathogenese vorhanden sind, wird eine funktionierende Zelle benötigt, an die Viroide sich angepasst haben. Aufgrund ihrer pathologischen Eigenschaften können sie als Unfall bezeichnet werden.

Noch ungewöhnlicher sind Prionen, d.h. proteinartige infektiöse Partikel. Das körpereigene Prion-Protein kann in normaler, damit nicht pathologischer Struktur und in pathologischer Struktur (Prion) vorliegen. Das Prion ist übertragbar; bei Aufnahme in einen gesunden Wirt, Menschen oder Tier, wandelt es dessen gesundes Prion-Protein in pathologisches um, wodurch es zur Ausbreitung der Infektion kommt. Übertragbare Information ist also keine Nukleinsäuresequenz sondern eine Proteinstruktur. Auch Eigenschaften wie Anpassung und pathologische Wirkung sind bekannt. Prionen können als späte Unfälle bezeichnet werden, und wir sind sogar Zeitzeugen solcher Unfälle, da die britische Rinderseuche (BSE) und die variante Form der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit erst in den 80iger Jahren des vorigen Jahrhunderts entstanden sind. Ein ähnlicher Unfall ist die Alzheimersche Krankheit, die durch die älter werdende Gesellschaft immer mehr in unser Bewusstsein dringt.



Detlev Riesner, geb. 1941, Prof. em. Dr. rer. nat., bis 2006 Direktor des Instituts für Physikalische Biologie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Physikstudium an der Technischen Hochschule Hannover, Promotion (1970) bei Prof. Manfred Eigen (Göttingen, Braunschweig) über Thermodynamik von Nukleinsäuren. Assistententätigkeit an der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung Braunschweig, Princeton University, USA und Medizinische Hochschule Hannover mit Habilitation 1975. 1977 C3-Professor für Biophysikalische Chemie an der Technischen Hochschule Darmstadt und seit 1980 Professor für Physikalische Biologie in Düsseldorf. Dort auch Tätigkeit als Dekan, Prorektor und seit 2006 Mitglied des Hochschulrates. Aktiv auch im Technologietransfer und Mitgründer, Aufsichts- bzw. Beiratsmitglied in mehreren Biotechnologie-Firmen.



Nächster Vortrag in dieser Reihe:

Prof. Dr. Bernd Kaina (Professor für Toxikologie, Direktor des Instituts für Toxikologie, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz)

Reparatur des Erbguts: Schlüsselrolle für Leben und Tod

Dienstag, 18. Januar 2011, 18.15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)