Caroline Mannweiler, M.A. – Vortragsexposé – Wintersemester 2010/2011

Der Interdisziplinäre Arbeitskreis für Drama und Theater und das Studium generale laden im Rahmen der Ringvorlesung KLEISTS REZEPTION zu folgendem Vortrag ein:


Caroline Mannweiler, M. A.

(Romanisches Seminar, Universität Mainz)



Von Kleists "Über das Marionettentheater" zu Becketts "theatre without actors"

Montag, 13. Dezember 2010, 18:15 Uhr, P 3 (Philosophicum)



Die Faszination, die Kleists Schrift "Über das Marionettentheater" auf den Dramatiker Beckett ausübte, ist zuverlässig belegt und kaum verwunderlich, findet Beckett in Kleists Text doch eine Problematik vor, die ihn selbst intensiv beschäftigt hat. Diese Problematik entspringt der Einsicht in die negativen Auswirkungen der Reflexion auf die Grazie eines Menschen bei gleichzeitiger Ablehnung, dieser Einsicht durch eine Aufgabe der Reflexion zu begegnen. In Becketts Theater nimmt diese Problematik einen interessanten Verlauf. Zum einen bestimmt sie Becketts Arbeit mit den Schauspielern, welche Grazie nicht ausdrücken, sondern lediglich auf genaue Ausführung ihrer Bewegung achten sollen, was auf eine negative Definition der Grazie als Abwesenheit von Affektiertheit hinweist, wie wir sie auch bei Kleist finden. Zum anderen wirft sie ein neues Licht auf die Strategien der großen Bühnenwerke Becketts, in denen Grazie zunächst keine Rolle zu spielen scheint, die aber durch ein Auseinanderklaffen von sprachlicher Aussage und Handlung der Figuren die Vor-stellung einer Kontrolle der Reflexion über den Ausdruck unterlaufen. Angesichts dieser Werke ergibt sich eine Definition von Grazie im beckettschen Sinne, in der Reflexion eine lediglich "begleitende" Funktion hat. Ob diese begleitende Reflexion ein Pendant des unendlichen Bewusstseins im kleistschen Sinne ist, bleibt zu diskutieren. Sicher ist jedoch, dass sie sowohl die Regression in einen unbewussten Zustand verhindert als auch den Anspruch einer perfekten Passung von Bewusstsein und Ausdruck – ein Anspruch, der in der Schilderung des Narziss in Kleists Text seine destruktiven Folgen offenbart, destruktive Folgen eines "Identitätszwangs", der Beckett quer durch sein Werk beschäftigt.



Caroline Mannweiler studierte in Mainz, St. Louis (USA) und Paris Romanische und Deutsche Philologie. Sie hat gerade ihre Dissertation abgeschlossen, die sich mit dem Werk Becketts beschäftigt. Ihr Interesse gilt vor allem literaturtheoretischen Problemen, insbesondere Fragen der Wechselwirkung von Ethik und Form. Sie ist Mitglied des Arbeitskreises Drama und Theater, in dessen Schriftenreihe sie einen Beitrag zur Dante-Rezeption in Becketts Werk veröffentlicht hat.



Nächster Vortrag in dieser Reihe:

Leonhard Koppelmann (Köln)

Heinrich von Kleist und das Drama der inneren Bühne

Montag, 20. Dezember 2010, 18:15 Uhr, P 3 (Philosophicum)