Prof. Dr. Klaus Ley · Vortragsexposé · Wintersemester 2009/2010

Der Interdisziplinäre Arbeitskreis für Drama und Theater und das Studium generale laden im Rahmen der Ringvorlesung WENDEZEITEN UND EPOCHENUMBRÜCHE: DIE AUSEINANDERSETZUNG MIT HISTORISCHEN ZÄSUREN IM DRAMA zu folgendem Vortrag ein:

Prof. Dr. Klaus Ley (Romanisches Seminar, Univ. Mainz)

Die Satyre Ménippée – auf der Wende zur Regierungszeit von Henri IV

Montag, 4. Januar 2010, 18.15 Uhr, P 4 (Philosophicum)

"La Satyre Ménippée" (1593/4) stellt sich dar als der Text, der nicht nur literarisch das Ende der Religionskriege im frühmodernen Frankreich markiert. Die Anfänge seiner Entstehung liegen in der Zeit des Umschlags von den Wirren der Ligue, als Paris der Belagerung ausgesetzt war, und den Kämpfen um die Weiterführung der französischen Monarchie, wie sie nach dem Gesetz der "lex salica" begründet war und wie sie dann bis zur Revolution von 1789 fortbestehen sollte. Die als Gemeinschaftswerk entstandene "Satyre" bildet, ohne dass die Entstehungsbedingungen ganz geklärt wären, zum Zeitpunkt ihres Bekanntwerdens den Schnittpunkt von Chaos und Ordnung.
Die im Text vorgetragenen, ihn prägenden Kriterien des Urteilens entspringen dem stark von Juristen getragenen Denken des Pariser Humanistenmilieus; es manifestiert sich in der Kritik von Meinungen und Machtkonstellationen, wie sie sich während der Zeit der Reformation und der Religionskriege auf den verschiedenen Seiten herausgebildet hatten. Die sich in theatralisierter Form darbietende Satire zielt nur vordergründig auf Karnevalisierung; es geht um eine lebenswürdige Ordnung bürgerlich-ziviler Existenz und damit um das Bemühen von Bewusstseinsformung nach Prinzipien einer sich säkular verselbständigenden Vernunft.

Klaus Ley, Professor für Romanische Philologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (bis zum Sommersemester 2009), hat sich wiederholt mit Themen der frühen Neuzeit in der französischen und italienischen Literatur beschäftigt. Ein mehrfach behandeltes Gebiet bei der Frage nach dem Verhältnis von Dichtung und Gesellschaft in dieser Zeit ist die satirisch-kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen Problemen, so in Du Bellays Sonettdichtung "Les Regrets" (1558), und der Kampf um die Zensur. Andere Arbeiten konzentrieren sich auf die Frage nach dem Verhältnis der Künste und nach dem Moment des Präsentischen in der Dichtung. – Ein größerer Beitrag über die Rezeption von Pseudo-Longins "Schrift über das Erhabene" im Cinquecento wird derzeit abgeschlossen.

Auswahlbibliographie: Neuplatonische Poetik und nationale Wirklichkeit. Die Überwindung des Petrarkismus im Werk Du Bellays (Heidelberg 1975); Die 'scienza civile' des Giovanni della Casa. Literatur als Gesellschaftskunst in der Gegenreformation (1984); Castiglione und die Höflichkeit. Zur Rezeption des Cortegiano im deutschen Sprachraum vom 16. bis zum 18. Jahrhundert (1990); Calvins Kritik an Ronsard (1984); "Nisi corrigatur …": Argumentationsstrategien bei der Zensur der belle lettere. Noch einmal zu Boccaccio, Gelli und dem Cortegiano in der Gegenreformation (1988); Petrarcas Canzoniere und die Zensur. Die 'babylonischen Sonette' als Problem der Druckgeschichte, in: http://www.studgen.uni-mainz.de/manuskripte/ley.pdf ; Die Oper im Roman. Erzählkunst und Musik bei Stendhal, Balzac und Flaubert (1994); Flauberts Salammbô in Musik, Malerei, Literatur und Kunst. Aufsätze und Texte, hg. K. L. (1998); Flauberts Madame Bovary als literarisches Ereignis (1996); Kunst und Kairos. Zur Konstitution der wirkungsästhetischen Kategorie von Gegenwärtigkeit in der Literatur (1985); Latentes Agitieren: Nabucco, 1816–1842. Zu G. Verdis früher Erfolgsoper, ihren Prätexten, ihrem Modellcharakter (im Druck).

Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Dr. Charlotte Krauß (Département d'Allemand, Université de Strasbourg)
Engagiert romantisch?
Das französische drame romantique zwischen ästhetischem und politischem Revolutionsanspruch
Montag, 11. Januar 2010, 18.15 Uhr, P 4 (Philosophicum)