Dr. Wolfgang Kraushaar – Vortragsexposé – Sommersemester 2008

1968 TRANSNATIONAL
Ringvorlesung mit dem Historischen Seminar

Dr. Wolfgang Kraushaar
Hamburg

Hippiebewegung und Kulturindustrie. Wie aus einer avantgardistischen Gegenkultur eine populäre Massenkultur wurde

Donnerstag, 26. Juni 2008, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)

Die 68er-Bewegung kann zu recht als die erste globale Rebellion bezeichnet werden. Sie war vermittelt über die Massenmedien und verbunden mit einem neuen Stil – in Haartracht, Kleidung, Auftreten und der Mißachtung jeglicher Konvention. Eine neue Körperlichkeit wurde zum Zeichen des Aufbegehrens. Diese war jedoch nicht etwa “natürlich”, sondern das Ergebnis einer eigenen Inszenierung. Innerhalb kurzer Zeit rückte über alle Ländergrenzen hinweg eine Aussteigerfigur ins Zentrum der Revolten – die des Hippies. Deren Ausbreitung war jedoch selbst das Produkt einer Massenkultur, genauer einer auf die Bedürfnisse Jugendlicher zugeschnittenen Form der Popkultur. Beides, Gegen- wie Massenkultur, stammte aus Kalifornien. Hollywood und Haight-Ashbury, jener Teil San Franciscos, in der die Hippie-Kultur ihren Ursprung fand, lagen allerdings nicht nur geographisch eng beieinander. Regisseure, Drehbuchautoren und Schauspieler, die zur Hippie-Szene gehörten, nahmen auf ihre Weise Einfluß auf die Filmproduktionen jener Jahre. Die Zeit war günstig, weil sich die Filmindustrie zur selben Zeit in Gigantomanie erschöpft hatte und in einer Absatzkrise befand. Es waren vor allem drei Produktionen, die nun für einen Umbruch sorgten: “Bonnie & Clyde” (1967), “The Trip” (1967) und “Easy Rider” (1969). Exponenten der LSD-Szene – wie etwa Peter Fonda, Dennis Hopper und Jack Nicholson – wurden einerseits zu Ikonen der Gegenkultur, andererseits aber auch zu Trendsettern von “New Hollywood”, wie das Erfolgskonzept von nun an lautete. Haight Ashbury war die Wiege der Hippie-Bewegung und Hollywood war und ist noch immer der Inbegriff dessen, was Horkheimer und Adorno als “Kulturindustrie” bezeichnet haben. Wie der Angriff auf die Massenkultur zu deren kommerzieller Rettung beigetragen hat, gehört zu den paradoxen Folgen dessen, was mit der Chiffre “68" in Verbindung steht und bislang nur unzureichend dechiffriert ist.

Dr. Wolfgang Kraushaar, geb.1948, promovierte 1982 in Politikwissenschaft mit einer Arbeit über den Strukturwandel der deutschen Universität. Seit 1987 arbeitet er am Hamburger Institut für Sozialforschung.
Veröffentlichungen u.a.: Die Protest-Chronik 1949-1959. Eine illustrierte Geschichte von Bewegung, Widerstand und Utopie, Bd. I-IV, Hamburg 1996; Frankfurter Schule und Studentenbewegung. Von der Flaschenpost zum Molotowcocktail, Bd. I-III, Hamburg 1998; 1968 ¬– Das Jahr, das alles verändert hat, München 1998; 1968 als Mythos, Chiffre und Zäsur, Hamburg 2000; Linke Geisterfahrer. Denkanstöße für eine antitotalitäre Linke, Frankfurt/Main 2001; Fischer in Frankfurt. Karriere eines Außenseiters, Hamburg 2001; Die Bombe im Jüdischen Gemeindehaus, Hamburg 2005; Die RAF und der linke Terrorismus (Hg.), Bd. I/II, Hamburg 2006; Achtundsechzig. Eine Bilanz, Berlin 2008.

Nächster Vortrag dieser Reihe:
Prof. em. Dr. Elmar Altvater (Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft, FU Berlin)
Wie die 68er-Bewegung zur Kritik der politischen Ökonomie gekommen ist
Donnerstag, 3. Juli 2008, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)