Dr. Jan Pauer – Vortragsexposé – Sommersemester 2008

1968 TRANSNATIONAL
Ringvorlesung mit dem Historischen Seminar

Dr. Jan Pauer
Bremen

Prag 1968 – Ereignisse und Rezeption

Donnerstag, 8. Mai 2008, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)

Der "Prager Frühling" 1968 war der erste friedliche Reformversuch „von oben“, der im ehemaligen Ostblock eine Transformation des gesamten Systems einleitete. Seine Besonderheit bestand darin, dass er keine bürgerkriegsähnliche Spaltung zwischen der Gesellschaft und dem kommunistisch beherrschten Staats-, Militär- und Polizeiapparat hervorbrachte wie in Ungarn 1956 oder Polen 1980/81, sondern dass eine Wechselbeziehung zwischen dem siegreichen Reformflügel der Partei, der von dem bis dahin unbekannten slowakischen Kommunisten Alexander Dubček angeführt wurde, und den Aktivitäten einer entstehenden Zivilgesellschaft, die sich in der unabhängigen Öffentlichkeit äußerte, hergestellt wurde. Das Reformexperiment wurde in den Medien wie das Musikfestival „Prager Frühling“ genannt. Er dauerte nur acht Monate. Die Hoffnungen auf einen modernen demokratischen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ wurden am 21. August 1968 unter Panzerketten begraben. Eine zweite Sowjetisierungswelle rollte unter dem Namen der „Normalisierungspolitik“ durch das Land und verwandelte es für weitere zwanzig Jahre in ein repressives neostalinistisches Regime.
Der Vortrag will die zentralen Momente des „Prager Frühlings“, die Gründe für sein Scheitern, den Streit um seine politische Einordnung nach 1989 in Tschechien darstellen und seine historische Bedeutung im europäischen Kontext reflektieren.

Dr. Jan Pauer, geboren in Prag. Historiker, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen.1990-93 Mitarbeit in der von der Prager Regierung eingesetzten Historikerkommission zur Erforschung der Ereignisse in der Tschechoslowakei in den Jahren 1967-1971. Forschungsschwerpunkte: Politische Kultur in der Tschechischen und Slowakischen Republik, Rechtskultur, Transformation nach 1989, deutsch-tschechische Beziehungen, Oppositionsbewegungen in Osteuropa, Vergangenheitsdiskurse und Aufarbeitung der Geschichte.
Veröffentlichung: Prag 1968 – Der Einmarsch des Warschauer Paktes. Hintergründe, Planung, Durchführung, Bremen 1995, Edition Temmen, tschechische Ausgabe Praha 2004, Argo.

Nächster Vortrag dieser Reihe:
Dr. Stefan Wolle (Forschungsverbund SED-Staat, FU Berlin)
Die versäumte Revolte. Die DDR 1968
Donnerstag, 15. Mai 2008, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)