Dr. Ewa Makarczyk-Schuster und Dr. Karlheinz Schuster – Vortragsexposé – Wintersemester 2007/2008

Der Interdisziplinäre Arbeitskreis für Drama und Theater und das Studium generale laden im Rahmen der Ringvorlesung
DAS KÜNSTLERDRAMA ALS SPIEGEL ÄSTHETISCHER UND GESELLSCHAFTLICHER TENDENZEN
zu folgendem Vortrag ein:

Dr. Ewa Makarczyk-Schuster (Slavistik, Univ. Mainz) und Dr. Karlheinz Schuster

Stanisław Ignacy Witkiewicz: Am Ende die Kunst

Mittwoch, 19. Dezember 2007, 18.15 Uhr, P 3 (Philosophicum)

Das Werk des polnischen Bühnenautors, Schriftstellers, Malers, Fotografen und Kunst- und Theatertheoretikers Stanisław Ignacy Witkiewicz (Witkacy, 1885–1939) ist durchdrungen von dem Entsetzen darüber, in einer Wendezeit zu leben, in der sich die Menschheit zum Schlechteren, zum Schlimmsten hin entwickeln wird, weil ihr der Boden unter den Füßen abhanden gekommen ist. Diese Grundüberzeugung lässt sich als "Katastrophismus" bezeichnen und in verschiedenen Bereichen aufweisen, die allesamt zugleich Teil wie auch Symptom einer umfassenden Erschütterung sind. Im Politisch-Gesellschaftlichen wird das Individuum bedroht durch das Erstarken totalitärer Systeme; dies geht einher mit einem Trend zur Vermassung, in der das Individuum erdrückt, zum Automaten degradiert wird. Auf der Seite des Mathematisch-Naturwissenschaftlichen wurden klassische Logik und Newtonsche Physik ersetzt durch kaum mehr verständliche und nachvollziehbare Ansätze, die als Basis sicheren Denkens nicht mehr dienen können. Auch der Rückzug ins Private bringt keine Lösung, zu sehr ist das Zwischenmenschliche überschattet von der geschlechtlichen Triebhaftigkeit des Menschen. Was bleibt als Hoffnung, die sich dem Katastrophismus entgegenstellen lässt, als Fundament für einen Neuaufbau, als Basis des Menschlichen, und das heißt für Witkacy auch immer: des Individuums? Für Witkacy ist dies am Ende die Kunst, und zwar im besonderen: Poesie und Theater, die nach seiner Auffassung überall dort existieren müssen, wo der Mensch als Mensch auftritt, denn die Kunst ist das ureigenste Element des Menschlichen.

Dr. Ewa Makarczyk-Schuster, Jg. 1963, studierte Slavische Philologie und Buchwesen an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Sie promovierte 2003 mit der Arbeit "Raum und Raumzeichen in Stanisław Ignacy Witkiewiczs Bühnenschaffen der zwanziger Jahre". – Dr. Karlheinz Schuster, Jg. 1959, studierte Philosophie, Germanistik und Geschichte, Mathematik und Physik in Mainz, Innsbruck und Frankfurt am Main. Er promovierte 1991 in Frankfurt am Main mit einer Arbeit zum Thema "Handlung und Sinn. Die praktische Philosophie des späten Paul Natorp". – Gemeinsam: Übersetzungen polnischer Dramen ins Deutsche; Übersetzer und Herausgeber der auf vier Bände angelegten polnisch-deutschen Gesamtausgabe der Stücke Witkacys; Übersetzung von polnischen Stücken der jüngsten Zeit.

Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Brigitte Schultze (Institut für Slavistik, Univ. Mainz)
Künstlertum als Bindung: Jarosław Iwaszkiewiczs Kammerspiele "Wesele Pana Balzaca" (Die Hochzeit des Herrn Balzac) und "Lato w Nohant" (Sommer in Nohant)
Mittwoch, 9. Januar 2008, 18.15 Uhr, P 3 (Philosophicum)