Vorlesungsreihe 2012: "Out of Africa: Zur Globalgeschichte des Homo sapiens"

Weltbilder bestimmen für Individuen und Gesellschaften die Deutung von Geschichte. Dies gilt für die neuere Geschichte ebenso wie für die Vor- und Frühgeschichte der Menschheit. Friedemann Schrenk diskutiert aus dieser Perspektive, vor dem Hintergrund der Methoden und Ideengeschichte der Paläoanthropologie, die Entwicklung zum Homo sapiens und erörtert die wertebildende Bedeutung der damit verbundenen Wissenskonzepte.

Der afrikanische Kontinent gilt heute als Ursprungsort der Vor-, Ur- und Frühmenschen. Auch die modernen Menschen entstanden – vor etwa 200.000 Jahren – in Afrika und besiedelten von hier aus die gesamte Erde. Die Entwicklung zum Homo sapiens ist aber nicht nur aus biologischer Sicht zu begreifen, sondern vielmehr als eine komplexe Geschichte, geprägt durch sich gegenseitig beeinflussende biologische, kulturelle und soziale Entwicklungsprozesse.

Die geographische Lokalisierung des Ursprungs von Homo sapiens war als identitätsstiftendes Element für moderne Gesellschaften stets wissenschaftlich umkämpft. Heute wird durch das Out of Africa-Konzept unser gemeinsamer Ursprung einem Kontinent zugeschrieben, dem immer noch Geschichte und die Fähigkeit zur weiteren »Entwicklung« abgesprochen werden. Für die Paläoanthropologie ist der afrikanische Kontinent daher folgerichtig nicht nur ein zentraler Forschungsort und Forschungsgegenstand, sondern sie muss auch die Frage nach der Bedeutung der Funde und ihrer Interpretation stellen – eine Frage, die letztlich von hohem aktuellen politischen Gehalt ist.

Friedemann Schrenk diskutiert mit renommierten Gästen die transnationalen Verflechtungen für die Umsetzung und Vermittlung von Forschung entlang global wirksamer, wissenschaftlicher Konzepte. Dabei spielen vor allem Museen als Orte der Übersetzung eine wichtige Rolle für die regionale Deutung und Bedeutung paläoanthropologischer Geschichte. Out of Africa, das Konzept einer globalen Geschichte des Homo sapiens ausgehend vom afrikanischen Kontinent, ist daher nicht nur Ausgangspunkt der Vorlesungsreihe, sondern auch praktiziertes Programm.

Die Vorlesungsreihe "Out of Africa: Zur Globalgeschichte des Homo sapiens"
findet im Hörsaal RW 1, Neubau Recht u. Wirtschaft, Jakob-Welderweg 9, Campus der JGU Mainz,
dienstags von 18.15 Uhr bis ca. 20.00 Uhr statt:

Dienstag, 24.04.12
ERÖFFNUNGSVERANSTALTUNG
Ursprünge – Die Suche nach dem "missing link"
Prof. Dr. Friedemann Schrenk
(Paläoanthropologie, Forschungsinstitut Senckenberg; Paläobiologie, Goethe-Universität; Frankfurt a.M.)

Dienstag, 08.05.12
Umwelten – Biokulturelle Evolution der Gattung Homo
Prof. Dr. Friedemann Schrenk
(Paläoanthropologie, Forschungsinstitut Senckenberg; Paläobiologie, Goethe-Universität; Frankfurt a.M.)

Dienstag, 15.05.12
Umbrüche – Die erste Besiedlung der Alten Welt
Prof. Dr. Friedemann Schrenk
(Paläoanthropologie, Forschungsinstitut Senckenberg; Paläobiologie, Goethe-Universität; Frankfurt a.M.)

Dienstag, 22.05.12
Cultural Evolution and the rise of civilization in Africa
mit Gastredner:
Prof. Dr. Yusuf Juwayeyi
(Sociology and Anthropology, Long Island University, Brooklyn, New York; Malawi)
Vortrag in englischer Sprache

Dienstag, 29.05.12
PANEL DISCUSSION
Transfer and reception – The role of museums in and for Africa
mit Gästen:
Dr. George Abungu (Vice President, International Council of Museums (ICOM), Kenya)
Prof. Dr. Ciraj Rassool (History Department, University of the Western Cape, Bellville, South Africa)
Mike van Graan (Secretary General, Arterial Network, Cape Town, South Africa)
Podiumsdiskussion in englischer Sprache

Dienstag, 05.06.12
The human heritage: 6 million years of history in Eastern Africa
mit Gastrednerin:
Dr. Meave Leakey
(Turkana Basin Institute, Kenya; National Museums of Kenya)
Vortrag in englischer Sprache

Dienstag, 12.06.12
Umwege – Moderne Menschen und ihre Zeitgenossen
Prof. Dr. Friedemann Schrenk
(Paläoanthropologie, Forschungsinstitut Senckenberg; Paläobiologie, Goethe-Universität; Frankfurt a.M.)

Dienstag, 19.06.12
Afrika in der Welt – Geschichte in einem "geschichtslosen" Kontinent
mit Gastredner:
Prof. Dr. Andreas Eckert
(Geschichte Afrikas, Seminar für Afrikawissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin)

Dienstag, 26.06.12
Out of Africa: what happened before leaving Africa
mit Gastredner:
Prof. Dr. Zeresenay Alemseged
(Anthropology, California Academy of Sciences, San Francisco; Ethiopia)
Vortrag in englischer Sprache

Dienstag, 03.07.12
ABSCHLUSSVERANSTALTUNG
Umdeutungen – Fossilgeschichte und ihre Rekonstruktionen
Prof. Dr. Friedemann Schrenk
(Paläoanthropologie, Forschungsinstitut Senckenberg; Paläobiologie, Goethe-Universität; Frankurt a.M.)

Der Weg zum Homo sapiens und "Out of Africa" stehen im Mittelpunkt der Vorlesungsreihe, in der die Evolution des Menschen von seinen frühen Anfängen bis zur Gegenwart erörtert wird. Friedemann Schrenk, eine herausragende Forscherpersönlichkeit auf dem Gebiet der Paläoanthropologie, begreift die Geschichte des Homo sapiens im Sinne einer globalen Geschichte. Das dabei leitende paläoanthropologische Wissenskonzept der biokulturellen Evolution des Menschen wird er gemeinsam mit international renommierten Gästen erläutern und diskutieren. Im Jahr 1991 gelang Friedemann Schrenk in Malawi ein Sensationsfund – mit dem ältesten jemals gefundenen Unterkiefer der Gattung Mensch, circa 2,5 Millionen Jahre alt. Die Frage nach dem Ursprung und dem Ursprungsort des biologisch modernen Menschen richtet den Blick auf unsere gemeinsame Herkunft und ist nicht zuletzt ein Schlüssel zu unserem Selbstverständnis.

Die Vorlesungsreihe stellt die Evolution des Menschen von seinen frühen Anfängen bis zur Gegenwart dar, diskutiert sie vor dem Hintergrund der Wissenskonzepte, Methoden und Ideengeschichte der Paläoanthropologie und erörtert ihre wertebildende Bedeutung für die Gegenwart. Heute gilt Afrika als biologischer Ursprungsort der Menschen, die sich seit etwa zwei Millionen Jahren in mehreren "Wellen" über die Welt verbreitet haben. Auch die biologisch modernen Menschen entstanden – vor etwa 200.000 Jahren – in Afrika und besiedelten von dort aus die gesamte Erde.

Die Paläoanthropologie ist eine historische Wissenschaft, die mit naturwissenschaftlichen Methoden arbeitet. Dabei ist die Geschichte des Homo sapiens nur im Sinne einer vernetzten und globalen Geschichte zu begreifen. Das hier leitende paläoanthropologische Wissenskonzept der biokulturellen Evolution der Menschen wird in den Vorlesungen eingehend vorgestellt und erläutert. Es bewährt sich bei der Analyse der Entwicklung vom Ursprung der Vormenschen in Afrika bis zur weltweiten Verbreitung der modernen Menschen.

Die geographische Lokalisierung des Ursprungs von Homo sapiens war als identitätsstiftendes Element für moderne Gesellschaften sehr attraktiv und daher wissenschaftlich umkämpft. Mit dem "Out of Africa"-Konzept wird der Ursprung des modernen Menschen einem Kontinent zugeschrieben, der sich im Um- und Aufbruch befindet und für den die Grabungsfunde und ihre Interpretation durch die Wissenschaft eine besondere Rolle spielen. Der afrikanische Kontinent ist daher mehr als nur ein zentraler Forschungsort und Forschungsgegenstand: die Paläoanthropologie hat immer auch nach der Bedeutung zu fragen, welche die Funde und ihre Interpretation für Afrika besitzen. Während paläoanthropologische Wissenschaftskonzepte global verbindlich sind, spielen in der Umsetzung und Vermittlung von Forschung vielfach transnationale politische Verflechtungen eine Rolle. In den Vorlesungen Friedemann Schrenks und seiner Gastrednerinnen und Gastredner aus verschiedensten Fachdisziplinen wird nicht zuletzt aufgezeigt, welche intellektuellen und moralischen Wirkungen von der Globalgeschichte des Homo sapiens ausgehen können.