Stiftungsprofessor 2011: Prof. Dr. Gottfried Boehm

Gottfried Boehm wurde am 19.09.1942 in Braunau/Böhmen geboren. Seine Jugend verbrachte er in der Pfalz, um dann seine Studien an den Universitäten Köln, Wien und Heidelberg zu absolvieren. Schon in frühen Jahren faszinierten ihn gleichermaßen Fragen der bildenden Kunst und der Philosophie. Seine Studienfächer waren dann auch Kunstgeschichte und Philosophie, sowie Germanistik und Theaterwissenschaft. 1968 promovierte er an der Universität Heidelberg in Philosophie, begleitet durch Hans-Georg Gadamer, mit einer philosophischen Studie, die aber von einem wichtigen kunsthistorischen Ereignis inspiriert war: der Erfindung der Zentralperspektive in der Renaissance. Er habilitierte sich dann, wiederum in Heidelberg (1974) im Fach Kunstgeschichte. Gegenstand war die Entstehung des selbständigen Porträts in Italien während der Renaissance ('Bildnis und Individuum', München 1985).

Seit 1975 war er apl. Professor an der Ruhr Universität in Bochum. An diesen außerordentlich lebendigen Ort, dem ersten, an dem in Deutschland die Kunst der Moderne zum Inhalt universitärer Ausbildung gemacht worden war, hatte ihn Max Imdahl geholt. Seit 1979 hatte er den Lehrstuhl für Kunstgeschichte an der Justus-Liebig-Universität Gießen inne. Seit 1986 ist er Ordinarius für Neuere Kunstgeschichte an der Universität Basel. Die wissenschaftlichen Arbeiten, die er vorgelegt hat, befassen sich neben der Kunst der Renaissance vor allem mit der Moderne, mit Fragen der Methode ('Hermeneutik des Bildes'), der Kunsttheorie und der philosophischen Ästhetik. Mit dem 1994 publizierten Band 'Was ist ein Bild?' begründete er unter dem Stichwort 'Iconic Turn' einen wissenschaftlichen Ansatz zur Bildforschung, der seitdem zu einem breiten interdisziplinären Arbeitsfeld herangewachsen ist.

In Basel, einer Stadt der Kunst und der Bilder, verbindet er Forschung und Lehre mit der Arbeit an Originalen in Museen und Ausstellungen. An zahlreichen namhaften Ausstellungen war er wissenschaftlich und konzeptionell beteiligt, unter anderem zu Künstlern der klassischen Moderne zum Beispiel Monet, Cézanne, Van Gogh, Matisse, Seurat oder zum Klassizismus der zwanziger Jahre und zu zeitgenössischen Künstlern. Dazu gehört die Tätigkeit in mehreren wissenschaftlichen Beiräten von Museen und Stiftungen.

1981 hat Gottfried Boehm das 'Institut für die Wissenschaften vom Menschen' in Wien mitbegründet, ein 'Institute for Advanced Study', das vor allem dem Austausch zwischen Ost und West gewidmet ist und Aufgaben bei der Rekonstruktion der Zivilgesellschaft und der Universitäten in Osteuropa übernommen hat. 2001/2002 war er Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin. Seit 2005 ist er auch Direktor des Schweizerischen Nationalen Forschungsschwerpunktes "Eikones" in Basel, einer Einrichtung der interdisziplinären Bildforschung, an der mehr als 40 junge Wissenschaftler aus zahlreichen Ländern tätig sind. Einblick in diese Arbeit gibt die Buchreihe von "Eikones" (im Fink-Verlag München). Eine knappe Zusammenfassung seiner bildwissenschaftlichen Konzepte und Ideen findet sich in dem 2007 erschienen Band 'Wie Bilder Sinn erzeugen. Die Macht des Zeigens' (Berlin University Press). Eine englische Übersetzung ist in Vorbereitung, eine italienische Ausgabe liegt bereits vor. Zahlreiche Arbeitsaufenthalte an Universitäten in Paris, Rom, Berlin oder Chicago sind zu verzeichnen.

Seit 2006 ist er korrespondierendes Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, seit 2010 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina.

Kurzbiographie:

Boehm, Gottfried, Prof. Dr. phil., geb. 1942 in Braunau (Böhmen). Studium der Kunstgeschichte, Philosophie, Germanistik in Köln, Wien und Heidelberg. Promotion 1968 in Philosophie, Habilitation 1974 in Kunstgeschichte in Heidelberg. Von 1975 1979 Dozent und apl. Prof. für Kunstgeschichte an der Ruhr-Universität Bochum, 1979 1986 Lehrstuhl für Kunstgeschichte an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Seit 1986 Ordinarius für Neuere Kunstgeschichte an der Universität Basel. Fellow des Wissenschaftskollegs zu Berlin (2001/2002). Direktor des Nationalen Forschungsschwerpunktes (NFS) "Bildkritik" (seit 2005). Seit Juli 2006 korrespondierendes Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften; seit 2010 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina.

Bibliographie in Auswahl:

Studien zur Perspektivität. Philosophie und Kunst in der frühen Neuzeit (1969); Bildnis und Individuum. Über den Ursprung des Porträts in der italienischen Renaissance (1985); Paul Cézanne. Montagne Sainte-Victoire (1988); Was ist ein Bild? (1994); Beschreibungskunst – Kunstbeschreibung. Ekphrasis von der Antike bis zur Gegenwart (1995); Homo Pictor, (Colloquium Rauricum, Band 7) (2001); Zwischen-Räume. Malerei, Relief und Skulptur im Werk von Ellsworth Kelly (2002); Der Topos des Lebendigen. Bildgeschichte und ästhetische Erfahrung, in: Dimensionen ästhetischer Erfahrung (2003); Jenseits der Sprache? Anmerkungen zur Logik der Bilder, in: Iconic Turn. Die Neue Macht der Bilder (2004); Gegen den Strich. Über die Arbeit mit Schrift und Bild (2004); Zeit-Räume. Zum Begriff des plastischen Raumes. Im Schatten von Lessings "Laokoon" (Colloquium Rauricum, Band 9) (2006); Das Ende als Anfang – Eine Reflexionsfigur der modernen Kunst, in: End of Art – Endings in Art / La fin de l’art – Les fins dans les arts / Ende der Kunst – Enden in der Kunst (2006); Unbestimmtheit. Zur Logik des Bildes, in: Bild und Einbildungskraft (2006); Wie Bilder Sinn erzeugen (2007); Movens Bild. Zwischen Evidenz und Affekt (2008); Zeigen. Die Rhetorik des Sichtbaren (2010).