Vorlesungsreihe Stiftungsprofessur 2008: "Vertrauen und Gewalt"

In seiner Vorlesungsreihe wird Jan Philipp Reemtsma die aktuelle und brisante Problematik von "Vertrauen und Gewalt" erörtern. Zu den Arbeitsbereichen des 1984 von Jan Philipp Reemtsma gegründeten Hamburger Instituts für Sozialforschung zählen die Schwerpunkte Theorie und Geschichte der Gewalt und die Gesellschaft Deutschlands. Die wissenschaftliche Aufarbeitung von Erscheinungsformen, Ursachen und Folgen individueller und institutioneller Gewalt ist Jan Philipp Reemtsma ein wichtiges Anliegen. Mit dem Thema Gewalt setzt er sich unter sozialwissenschaftlichen und literaturwissenschaftlichen Aspekten in Publikationen wie "Folter im Rechtsstaat?", "Die Gewalt spricht nicht", "Mord am Strand. Allianzen von Zivilisation und Barbarei" oder "Warum Hagen Jung-Ortlieb erschlug. Unzeitgemäßes über Krieg und Tod" auseinander. Zurzeit gilt sein besonderes Forschungsinteresse der Analyse des Verhältnisses von Vertrauen und Gewalt, eine Publikation zu diesem Thema ist 2008 in der Hamburger Edition erschienen.

In seiner Veranstaltungsreihe "Vertrauen und Gewalt" im Sommersemester 2008 geht es Jan Philipp Reemtsma darum, das in den letzten Jahren gewachsene Interesse der Soziologie an den weichen Mechanismen sozialer Bindung und Kohäsion – statt "Macht" oder "Herrschaft" eben "Vertrauen" – in Beziehung zu setzen zu dem in der soziologischen Theorie seit Jahrzehnten als unterbelichtet beklagten Phänomen der Gewalt. Seit den Anfängen der Geschichte ist die Gewalt ein Wegbegleiter des Menschen. Sie hat die politische Wirklichkeit des 20. Jahrhunderts zutiefst geprägt, und zu Beginn des neuen Jahrhunderts zeigt sich, dass die Gewaltbereitschaft erneut eskaliert.

In seinen Vorlesungen wird Jan Philipp Reemtsma u.a. danach fragen, was eigentlich "soziales Vertrauen" ist; wie dieses kulturspezifische Kohäsionsprinzip, das Prinzip des Zusammenhaltes, in der Moderne beschaffen ist; wie es mit dem für die Moderne eigentümlichen Verhältnis zur besonderen Legitimationsbedürftigkeit von Gewalt zusammenhängt; wie sich dieser Zusammenhang von sozialem Vertrauen und Gewaltmisstrauen zu den Gewaltexzessen des 20. Jahrhunderts verhält; wie schließlich nach diesen Gewaltexzessen das moderne Vertrauen und das Vertrauen in die Moderne sich erhalten kann. Er wird über das Verhältnis von Macht und Gewalt, über eine Phänomenologie unterschiedlicher Gewaltformen und über die Gründe sprechen, weshalb die soziologische Theorie Gewalt als eigenständiges soziales Phänomen – und nicht nur im Modus der Abweichung oder des Versagens – bisher nicht hat theoretisieren können.

Mit seinen Gastrednern wird der Literatur- und Sozialwissenschaftler, Autor und Kritiker Jan Philipp Reemtsma Fragen diskutieren wie: Welche psychischen und praktischen Risiken bergen der theoretische wie der praktische Umgang mit den Phänomenen der Gewalt und ihren Folgen? Was kann die Neurobiologie zum Verständnis von Aggression und Gewalt beitragen? Vor welche theoretischen und empirischen Schwierigkeiten stellt uns die klassische Frage, wie "ganz normale Menschen" zu extremen Gewalttätern werden können?

Veranstaltungszeit:
18:15 Uhr bis ca. 20:00 Uhr

Veranstaltungsort:
Hörsaal RW 1, Neubau Recht und Wirtschaft, Campus der Universität


Di., 22. April 08


Eröffnungsvorlesung
Einführender Überblick und Plan der Vorlesung
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Jan Philipp Reemtsma

Di., 29. April 08

Was ist soziales Vertrauen?
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Jan Philipp Reemtsma

Di., 06. Mai 08

Gewalt, transkulturell betrachtet
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Jan Philipp Reemtsma

Di., 13. Mai 08

Verletzte Helfer – Risiken beim
therapeutischen Umgang mit den
Folgen extremer Gewalt
mit Gastredner Priv. Doz. Dr. med. Christian Pross
(Mitglied des Vorstandes
des Behandlungszentrums für Folteropfer, Berlin)


Di., 20. Mai 08

Modernes Vertrauen und Gewalt
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Jan Philipp Reemtsma

Di., 27. Mai 08

Sind wir alle potenzielle Mörder?
mit Gastredner Prof. Dr. Dr. Gerhard Roth
(Leiter des Instituts für Hirnforschung der
Universität Bremen; Rektor des
Hanse-Wissenschaftskollegs, Delmenhorst)

Di., 03. Juni 08


Shakespeare und die Entdeckung
des gewaltempfindlichen Gewissens
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Jan Philipp Reemtsma


Di., 10. Juni 08

Täter. Wie aus ganz normalen Menschen
Massenmörder werden
mit Gastredner Prof. Dr. Harald Welzer
(Direktor des Center for Interdisciplinary
Memory Research, KWI Essen;
Forschungsprofessor für Sozialpsychologie,
Universität Witten-Herdecke)


Di., 17. Juni 08

Vertrauen in Gewalt
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Jan Philipp Reemtsma

Di., 24. Juni 08


Abschlussveranstaltung
Gewalt und Kommunikation
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Jan Philipp Reemtsma