Erstklassige Ausbildung mit Campusflair

21. April 2016

Die Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) ist ein Ort des Forschens und Studierens. Kaum einer weiß aber, dass die Universität auch erstklassige Ausbildungsplätze für Chemielaborantinnen und -laboranten, Fachangestellte, Gärtnerinnen und Gärtner sowie Feinmechanikerinnen und -mechaniker bietet. Mit derzeit mehr als 80 Auszubildenden in aktuell neun Ausbildungsberufen ist die JGU einer der größten Ausbildungsbetriebe in der Region.

Isabella Roth präsentiert ein kleines Werkstück, eine flexible Halterung für einen Laser. "Er lässt sich in der Höhe verstellen oder auch kippen", erklärt die Ausbildungsgesellin, während sie hier an dem einen, dort an einem anderen Rädchen dreht. Für die Feinwerkmechanikerin erschließt sich die Funktionalität sofort, alles greift reibungslos ineinander, alles ist genau aufeinander abgestimmt. "Wir mussten eine eigene Serie entwickeln, um allen Anforderungen gerecht werden zu können."

Die besonderen Anforderungen kamen von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am Institut für Physik der JGU. Für ein ganz spezielles Projekt brauchten sie ein ganz spezielles Gerät – und das lieferte ihnen die eigene Werkstatt im Parterre ihres Instituts.

Roth zeigt ein weiteres Stück. Das hat sie zwar gerade nicht in der analogen Welt parat, aber sie zückt ihr Smartphone und ruft einige Aufnahmen ab. "Das ist eine Plexiglasplatine mit 56 Pins." Ein wenig sieht das Ganze aus wie ein Duschkopf. "Sie wird an die Brust angelegt und ist Teil eines Geräts, das die Brustkrebsvorsorge verbessern soll." Auch hier hat sie an mehreren Versionen mitgearbeitet.

Bohren, senken, reiben

Wer an die Johannes Gutenberg-Universität Mainz denkt, hat vor allem eine reiche Palette von Studiengängen, mehr als 30.000 Studierende und ihre Professorinnen und Professoren sowie national und international erfolgreiche Forschung auf verschiedensten Gebieten vor Augen. "Viele wissen aber gar nicht, dass wir auch Ausbildungsberufe zu bieten haben", erzählt Mario Born. Er ist Ausbildungsleiter für alle Bereiche der Universität. Neun Ausbildungsberufe kann er benennen, darunter so unterschiedliche Disziplinen wie Gärtnerinnen und Gärtner, Chemielaborantinnen und Chemielaboranten, Verwaltungsfachangestellte – oder eben Feinwerkmechanikerinnen und -mechaniker.

83 Auszubildende lernen derzeit auf dem Gutenberg-Campus. Eine davon ist Anna Sroczynski. Sie steht im ersten Lehrjahr ihrer Ausbildung zur Feinwerkmechanikerin. "Mein Vater liefert Rohstoffe an die Werkstatt. Er hat mich überhaupt erst darauf gebracht, dass es hier auch Lehrstellen gibt. Von selbst wäre ich nie darauf gekommen, mich an einer Uni für eine Ausbildung zu bewerben."

Die 19-Jährige absolvierte ein Praktikum in der Institutswerkstatt. Sie stellte sich geschickt an, es gefiel ihr – und nun steht sie an einer Werkbank und macht sich Gedanken über die nächste Herausforderung: "Ich soll nachher einen Vortrag über Bohren, Senken und Reiben halten", verrät sie. Ein wenig nervös wirkt sie schon. Doch auf Nachfrage, was Senken denn überhaupt sei, holt sie ein Beispiel hervor und erklärt lebhaft, wie sich Schrauben so versenken lassen, dass sie nicht mehr über eine Oberfläche herausragen.

Viel Zeit für Auszubildende

"Wir können uns wirklich um unsere Auszubildenden kümmern", sagt Ausbilder Erich Wagner. "Wir haben eine eigene Ausbildungswerkstatt, deswegen haben wir Zeit, auf jeden einzugehen und unseren Auszubildenden wirklich viel beizubringen."

Dass Auszubildende einen Vortrag halten, ist dabei nichts Ungewöhnliches. "Gelernte Handwerker sollten sich gut ausdrücken können, auch darauf achten wir." Und nicht nur das: "Wir schauen auch auf die sozialen Kompetenzen, denn da hapert es bei manchen Schulabgängern. Das fängt manchmal schon beim einfachen 'Guten Morgen' an."

Wagner war selbst Auszubildender in der feinmechanischen Werkstatt auf dem Gutenberg-Campus. "Die meisten, die hier arbeiten, haben hier gelernt", sagt er. "Von unseren 18 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kommen gerade mal zwei von auswärts."

Roth ist da keine Ausnahme. Sie steht Wagner bei der Betreuung der Auszubildenden zur Seite. Seinerzeit wurde sie nicht sofort übernommen und arbeitete ein halbes Jahr in der Industrie. "Da stehen Sie in einer Halle, machen Ihre Arbeit und bekommen nichts von den Kollegen mit. Es ist alles sehr anonym." Sie war froh, als sie dann doch zurückkehren konnte an die Universität. "Hier ist alles ganz anders. Wir reden miteinander, fragen nach und unterstützen uns gegenseitig."

Geräte für die Wissenschaft

Ganz anders ist auch das Arbeiten selbst. Das hat Johannes Jakobi in seinen dreieinhalb Jahren Ausbildung an der JGU erfahren. "Die Aufgaben sind sehr vielseitig. Jeden Tag geht es um etwas anderes." Im Moment arbeitet er an einer computergesteuerten Maschine, um 20 Titanringe für den Prototyp eines Geräts herzustellen. Hier wird nicht mehr von Hand gesägt oder geschliffen, die Abläufe werden einprogrammiert. Auch das gehört zu Ausbildung.

Regelmäßig kommen Studierende und Professorinnen und Professoren des Instituts mit Wünschen und Ideen in die Werkstatt und fragen nach, was möglich ist. Sie brauchen den neuen Laserhalter oder die spezielle Platine. "Ich habe schon Teile für ein Gerät hergestellt, das vernarbtes Gewebe im Herz scannen soll", erzählt Jakobi. "Wenn Sie wissen, wofür ein Teil letztlich eingesetzt werden soll, bekommt die Arbeit noch mal mehr Bedeutung."

Vielseitigkeit, Verzahnung mit der Wissenschaft und intensive Betreuung zahlen sich aus. Die feinmechanische Werkstatt hat diverse Kammersieger, Landessieger und sogar Bundessieger vorzuweisen. Auch Jakobi war Jahrgangsbester auf Kammerebene und dritter Landessieger.

Erstklassige Ausbildung

"Unsere Ausbildung ist sicherlich eine der besten", sagt Wagner selbstbewusst. "Unsere Auszubildenden lernen alles von der Pike auf. Sie lernen all die handwerklichen Grundlagen, bevor sie an die komplizierteren Geräte gehen und sie stehen vor immer neuen Herausforderungen mit immer neuen Werkstoffen. Gegen Ende ihrer Ausbildung integrieren wir sie dann in die Teams, die Geräte für das Institut herstellen."

"Das alles müsste noch bekannter werden", meint Born. "Noch können wir unsere Ausbildungsplätze in diesem Beruf besetzen, aber es dürften ruhig noch mehr sein. Wir stellen hier jedes Jahr mindestens drei neue Auszubildende ein." Allein in der Ausbildungswerkstatt am Institut für Physik stehen zwölf Ausbildungsstellen für Feinwerkmechanikerinnen und -mechaniker zur Verfügung. "Wir vergeben auch gern Praktika, damit die jungen Leute schauen können, ob ihnen ein bestimmter Beruf liegt. Das ist sonst eher selten geworden."

Die JGU ist sicher erst in zweiter Linie Ausbildungsort. An einer Universität geht es vor allem ums Studieren und Forschen. "Aber unsere Ausbildung ist erstklassig", bekräftigt Born – und Wagner ergänzt: "Wir können zwar nicht immer alle Auszubildenden übernehmen, auch wenn sie gern bleiben würden. Aber wer bei uns gelernt hat, der findet eine Stelle."