Mehr Frauen in die Führung – aber wie?

31. Oktober 2012

Das Teilprojekt "Frauen in Führungspositionen" des gesamtuniversitären Projekts "JGU-Leadership – Wandel gestalten" lud zu Vortrag und prominent besetzter Podiumsdiskussion ein. Es gab viel Kritik an männlichen Machtstrukturen, die Frauen den Aufstieg immer noch schwer machen.

Gertraude Krell ist gern an die Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) gekommen. "Als Pensionärin kann man sich schöne Veranstaltungen aussuchen", sagt die Professorin a.D. für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Personalpolitik an der Freien Universität Berlin. Seit Jahrzehnten schon beschäftigt sie sich mit Personalpolitik und mit der Chancengleichheit der Geschlechter. Beides wird auch an diesem Nachmittag in Mainz ihr Thema sein. Sie will "Geschlechterverhältnisse in Führungspositionen verstehen und verändern" – so der Titel ihres Impulsvortrags.

"Meine These lautet: Leadership ist noch immer männlich." Krell schaut sich um im Saal, in dem einige hundert Frauen und einige wenige Männer sitzen. "Aber das wird Sie nicht wirklich überraschen."

Vor knapp zwei Jahren wurde das Projekt "JGU-Leadership – Wandel gestalten" ins Leben gerufen: Neue Leitlinien sollen eine neue Führungskultur an der Universität einläuten. Mehr als 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entwickeln in acht Teilprojekten verschiedenste Konzepte, um diesen Prozess voranzubringen. Eines der Projekte ist mit "Leadership ist weiblich – Frauen in Führungspositionen" überschrieben. Dessen Mitarbeiterinnen hatten nun zu Krells Vortrag und zu einer prominent besetzten Podiumsdiskussion geladen.

Leadership-Projekt führt Menschen zusammen

"Einmal mehr hat das Leadership-Projekt Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen unserer Universität zusammengeführt", freut sich der Präsident der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Prof. Georg Krausch, über das große Interesse an der Veranstaltung. Er würde später noch ausführlicher zu Wort kommen. Aber jetzt ist Krell dran.

"Warum gibt es so wenige Frauen in Führungspositionen?", fragt sie. "Warum verändert sich das so langsam?" Der Schwarze Peter lande bei der Beantwortung dieser Fragen immer wieder bei den Frauen: "Ihnen werden unendlich viele Defizite attestiert." Mangelnde Verfügbarkeit angesichts familiärer Verpflichtungen, mangelnde Führungskompetenz, mangelnder Aufstiegswille ...

Untersuchungen bringen ans Licht, was Männer da so alles denken und sagen. Oft heißt es kategorisch, Frauen gehörten schlicht nicht ins obere Management. Als Mitarbeiterinnen seien sie ja geschätzt, aber Vorstand sei eine andere Sportart. Und dann sei da noch die Sache mit der Familie.

Männer sind nicht von Natur aus bösartig

Umgekehrt sehen sich Frauen dominanten männlichen Netzwerken gegenüber, gegen die bzw. in denen sie oft keine Chancen haben. "Nun ist das ja gar nicht so, dass Männer von Natur aus bösartig sind", räumt Krell ein. Aber ihre Pfründe verteidigten sie mit Vehemenz – ob nun ganz offen oder unter der Hand.

Die Berliner Professorin präsentiert eine ganze Reihe von Studien rund um dieses Problem. Die angeblichen Defizite aufseiten der Frauen entpuppen sich bei der Durchsicht als unhaltbar. Im Kern kommt Krell zu dem Ergebnis: "Es geht nicht so sehr darum, dass Frauen gefördert werden, sondern es geht darum, dass sie nicht behindert und nicht demotiviert werden."

In den 1970er Jahren waren drei Prozent aller Professuren in Deutschland mit Frauen besetzt, heute sind es etwa 18 Prozent. Mit diesen Zahlen leitet die Moderatorin und Journalistin Petra Gerster die dem Vortrag von Gertraude Krell folgende Podiumsdiskussion ein. Die JGU steht im Vergleich gut da: 22 Prozent Professorinnen forschen und lehren hier. "Woran liegt das?"

Frauen müssen auf allen Ebenen eine Rolle spielen

"Ist doch klar", feixt Krausch, "das liegt an mir." Dann wird er ernst. "Es ist vermutlich das Ergebnis der schon lange an dieser Universität intensiv betriebenen Frauenförderung." Es müsse allerdings noch mehr getan werden. "22 Prozent ist aber nach wie vor weit entfernt von 50 Prozent."

Dieser Ansatz zieht sich durch die Diskussion. "Ich hätte mir mehr Unterstützung gewünscht auf meinem Weg", resümiert Prof. Eva Rentschler vom Institut für Anorganische Chemie und Analytische Chemie, zugleich Gleichstellungsbeauftragte des Senats der JGU, zu ihrer akademischen Karriere. Sie rät den Frauen: "Schafft euch Netzwerke. Es ist einfacher, wenn man nicht allein steht."

Vera Reiß, Staatssekretärin im Landesministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur fordert: "Wir brauchen mehr Tempo bei den Veränderungen und mehr Bewusstsein in den Köpfen. Die Gesellschaft zukunftsfähig zu machen gelingt nur, wenn Frauen auf allen Ebenen eine Rolle spielen."

Es sind immer die Männer, die entscheiden

Die Vizepräsidentin für Studium und Lehre an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Prof. Mechthild Dreyer, sieht Gleichstellung als Aufgabe für die Leitungsgremien, "bis in die Fachbereiche hinein". Schon im alltäglichen Diskurs will sie ansetzen. "Die Art, wie wir kollegial oder unkollegial miteinander umgehen, das passiert auch auf sprachlicher Ebene."

Dorothee Dzwonnek, Generalsekretärin der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), wendet sich direkt an die Frauen im Saal: "Die Männer machen in der Zeit Karriere, in der die Frauen noch Orientierung suchen. Ich glaube, dass Männer immer noch konzentrierter am Ball bleiben, mehr Unterstützung und mehr Türen geöffnet bekommen."

Das kann die Mainzer Modedesignerin Anja Gockel nur bestätigen. "All dieser Probleme werden wir nie Herr werden. Wissen sie warum? Weil die, die es entscheiden, immer Männer bleiben werden. Da muss mal ein Bruch rein." Das sei nur mit einer Frauenquote zu erreichen.

Pro und kontra Frauenquote

Allenfalls in derartigen Details waren sich die Diskutierenden nicht immer einig: Wie konkret soll eine Frauenquote aussehen? Soll sie flexibel sein, sollen kategorisch 40 oder 50 Prozent Frauen in Führungspositionen gefordert werden?

Letztendlich herrschte auf dem Podium eine Harmonie, deren Tenor Gerster nach gut zwei Stunden so formulierte: "Zusammen sind wir stark, Frauen und Männer, aber nur, wenn Frauen an den Entscheidungen beteiligt sind."