Mehr als eine Übergangslösung

18. Dezember 2014

Es fehlt ein Kita-Platz? Eine Schwangerschaft kollidiert mit dem Studium? Ein Angehöriger muss gepflegt werden? In all diesen Fällen ist das Familien-Servicebüro der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) der richtige Ansprechpartner. Stefanie Schmidberger unterstützt Studierende und Beschäftigte der Hochschule, ob beim Umgang mit Behörden oder beim Suchen einer Betreuung. Sie kennt die Probleme, weiß einen Weg durch das Dickicht der Verordnungen und hat konkrete Hilfsangebote an der Hand.

Tiberius macht seine Interessenlage schnell und eindeutig klar. "Zug", meint der Zweijährige und strahlt. "Bahnhof, Zug, Zug", führt er weiter aus. Er schaut sich in der ungewohnten Umgebung um. Stefanie Schmidbergers Büro bietet zwar eine Ecke mit Kindertisch, kleinen Stühlen, Malzeug und Bilderbüchern, aber Tiberius fallen vor allem zwei große gepolsterte Stühle ins Auge. "Blau", meint er. Schmidberger korrigiert: "Nein, das ist nicht Blau, das ist Lila." Erwachsene können schon grausam sein. Blau war doch gar nicht so daneben. Aber Tiberius stellt sich der Herausforderung: "Lila? Lila!" Dann wendet er sich wieder seinen Kernkompetenzen zu: "Zug, Zug, Bahnhof."

Vor rund drei Jahren saß Tiberius' Mutter, Jessica Paczka, zum ersten Mal in diesem Raum auf einem der lila Stühle. Sie hatte erfahren, dass sie schwanger war. "Ich wusste nicht: Was hat nun alles stattzufinden? An wen muss ich mich wenden?" So landete sie im Familien-Servicebüro der JGU. "Es ging damals zuerst ums Mutterschaftsgeld", erinnert sich Schmidberger. "Bei Studierenden, die berufstätig sind, stellen sich da viele Krankenkassen quer." Auch mit dem Jobcenter gab es in der Folge Probleme. "Es ist ein Dickicht, durch das man sich durcharbeiten muss", sagt Schmidberger.

200 Beratungsgespräche pro Jahr

Für solche und viele weitere Fälle ist seit dem Jahr 2011 das Familien-Servicebüro da. "Vorher lagen unsere Aufgaben beim Frauenbüro", erzählt Schmidberger, die seinerzeit selbst dort arbeitete. Familienbelange unter das Label Frauenbüro zu packen, schien aber irgendwie unpassend. Es geht schließlich auch um Kinder, um Seniorinnen und Senioren, um Männer. Alle Bediensteten und die Studierenden der JGU sollten eine zentrale Anlaufstelle bekommen, die da ist, wenn es um den Nachwuchs geht oder wenn Angehörige pflegebedürftig werden.

Etwa 200 Beratungsgespräche führt Schmidberger pro Jahr. "Da zähle ich die E-Mail-Anfragen und die Telefonate noch nicht mit, in denen ich schnell mal ein, zwei Tipps gebe." Ein zentrales Problem ist die Unterbringung der Sprösslinge in der Kindertagesstätte oder Kinderkrippe. Dass die Lage in diesem Bereich angespannt ist, dürfte inzwischen jeder mitbekommen haben. Es fehlen Einrichtungen, es fehlen Erzieherinnen und Erzieher, auch in der Stadt Mainz.

"Seitens der Universität können wir 240 bis 260 Krippen- und Kita-Plätze anbieten", skizziert Schmidberger die Situation auf dem Campus. Hier bieten sich unter anderem die Kita Campulino, getragen vom Studierendenwerk Mainz, oder die Städtische Kita auf dem Gelände an. Daneben schauen natürlich viele Eltern nach einem wohnortsnahen Platz für ihr Kind. In jedem Fall aber können sie Unterstützung beim Familien-Servicebüro finden.

Tiberius in Übergangsbetreuung

Paczka kam vorbei, als sich in der Altstadt so gar nichts für Tiberius fand. Leider konnte Schmidberger auch nicht mit einem Platz aushelfen, aber immerhin hat sie ein anderes Instrument an der Hand: die Übergangsbetreuung. "Dorthin können Eltern ihr Kind bis zu drei Tage in der Woche geben und auch in Notfällen springt die Betreuung ein. Wir müssen es nur bis zum Abend davor wissen."

Die Übergangsbetreuung wird von der pme Familienservice GmbH angeboten. Die JGU kauft sie dort ein. "Viele Institutionen und Firmen in der Stadt verfahren ähnlich", sagt Schmidberger. Für Bedienstete fällt ein Beitrag von 25 Euro pro Tag an, für Studierende liegt er bei 15 Euro. Den Rest trägt die Universität.

"Übergangsbetreuung hört sich nach Notnagel an", meint Paczka, "aber es ist viel mehr. Dort kümmern sich gut ausgebildete Leute um Tiberius und er fühlt sich wohl." – "Bahnhof", bestätigt Tiberius, der inzwischen zwar keinen Zug, dafür aber drei Holzautos auf Schmidbergers Schreibtisch ausgemacht hat.

Die Plätze der Übergangsbetreuung werden gut angenommen, sehr gut. "Wir haben erst kürzlich das Budget dafür aufgestockt", erzählt Schmidberger, deren Arbeit hier noch lange nicht endet.

Privatsache Kinderkriegen

Sie kümmert sich zum Beispiel darum, wenn Studium und Familie einander ins Gehege kommen. "Es gibt Fachbereiche, in denen die Verantwortlichen viel Verständnis haben, in denen es gut läuft. Aber es gibt auch immer noch die Hartgesottenen, die sagen: Was hat Kinderkriegen mit der Uni zu tun? Das ist Privatsache. Damit muss man selbst klarkommen."

Schmidberger hält dagegen: "Es geht auch darum, als Universität attraktiv zu bleiben, für Dozierende und für Studierende." Also sei ein gewisses Maß an Service und Entgegenkommen angebracht. Für Studentinnen verhandelt sie schon mal, um etwa flexiblere Anwesenheitszeiten während der Schwangerschaft und in den ersten Monaten der Mutterschaft zu erreichen. "Viele bieten schon von sich aus an, als Ersatz etwa eine ausführlichere Hausarbeit zu schreiben."

Auch um die Unterbringung von Kindern frisch berufener Professorinnen oder Professoren kümmert sie sich öfter. "Hier merke ich besonders, dass je nach Herkunftsland und Kultur ganz unterschiedliche Erwartungen im Spiel sind. Gegenüber den nordischen Ländern hängen wir noch sehr hintendran. Aber wir holen auf."

Angehörige betreuen

Das Familien-Servicebüro hilft nicht nur mit bestehenden Angeboten. Schmidberger schaut auch, was noch gebraucht wird. Sie arbeitet an neuen Konzepten und denkt darüber nach, in welche Richtung sich das Familien-Servicebüro entwickeln soll. "Wir haben zum Beispiel noch gar nicht die Betreuung von Schulkindern nach der Schule im Blick." Hier sollte sich was tun, meint sie.

Die Frage der pflegebedürftigen Angehörigen nimmt auch noch nicht den Raum ein, den sich Schmidberger vorstellen könnte. "Mit solch einem Fall in der Familie gehen viele nicht gern hausieren. Viele zögern, nach Unterstützung zu fragen." Dabei hätte das Büro schon ein paar Möglichkeiten.

Tiberius stapelt fröhlich die Holzautos aufeinander. Enttäuscht schaut er nur, wenn der Stapel polternd zusammenbricht. Im Januar steht die Vergabesitzung für die Kita- und Krippenplätze an der JGU an. Vielleicht haben er und seine Eltern da Glück. Immerhin bleibt die Übergangsbetreuung. "Dort ist er wirklich gut aufgehoben", betont Paczka. "Bahnhof", meint Tiberius und stapelt weiter Holzautos.