AG Jun.-Prof. Dr. Haun

Dynamik von Erholungsprozessen bei Einzelpersonen und Doppelverdienerpaaren

Erholung von arbeitsbedingtem Stress in der arbeitsfreien Zeit ist wichtig, um das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit von arbeitstätigen Personen aufrechtzuerhalten (z.B. Koch, Hahn, & Binnewies, 2013). Der Erholungsprozess ist dabei als Gegenprozess zum Stressprozess zu sehen, der Stressreaktionen wieder rückgängig macht und somit Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit wiederherstellt (Meijman & Mulder, 1998). Die Erforschung von Erholungsprozessen in der arbeitsfreien Zeit hat sich in den letzten Jahren als Forschungsgebiet etabliert, das die organisationale Stressforschung durch die Berücksichtigung von Faktoren außerhalb des Arbeitsplatzes ergänzt und erweitert.

Das Effort-Recovery Model (Meijman & Mulder, 1998), eines der zentralen Modelle in der Erholungsforschung, beschreibt, dass die kurzfristigen Auswirkungen von Stressreaktionen grundsätzlich reversibel sind und Erholung einsetzt, sobald eine Person Stressoren nicht mehr ausgesetzt ist. Wenn Erholung jedoch nicht stattfindet, kumulieren sich Stressreaktionen zu chronischen Beeinträchtigungen, die nur noch bedingt reversibel sind. Eine regelmäßige Erholung von arbeitsbezogenem Stress kann damit als Resilienzfaktor im Stressprozess gesehen werden.

In vielen Studien konnte bereits aufgezeigt werden, dass arbeitsfreie Abende oder arbeitsfreie Wochenenden zu einer Befindensverbesserung führen (Hahn, Binnewies, & Haun, 2012; Sonnentag, Binnewies, & Mojza, 2008). Bislang standen jedoch hauptsächlich Erholungsprozesse innerhalb einzelner Arbeitstage oder innerhalb eines Wochenendes im Fokus, ohne dass längere Erholungsverläufe und deren Entwicklung über mehrere Tage oder auch Wochen hinweg in Betracht gezogen wurden. Es liegt nahe anzunehmen, dass Ergebnisse von Erholungsprozessen (wie z.B. reduzierter negativer Affekt oder eine erhöhte Vitalität) nachfolgende Erholungsprozesse wiederum beeinflussen (vgl. Sonnentag & Geurts, 2009). Eine arbeitstätige Person, die sich nach einem erholsamen Wochenende energiegeladen und vital fühlt, entscheidet sich eher dazu, in der arbeitsfreien Zeit unter der Woche Sport zu machen, was wiederum als Folge zu positiven Erholungsergebnissen beiträgt (vgl. Sonnentag & Geurts, 2009). Ein positiver Verlauf von Erholungsprozessen über die Arbeitswoche hinweg sollte zu beobachten sein.

Andererseits sind ebenfalls negative Erholungsverläufe plausibel. Empirische Forschung zeigt, dass Personen Erholung besonders schwerfallen kann, wenn sie hohem Stress ausgesetzt sind oder sie bereits erschöpft sind (Sonnentag, Arbeus, Mahn, & Fritz, 2014; Sonnentag & Jelden, 2009), also in den Situationen, wenn Erholung besonders nötig wäre. Daraus folgt, dass arbeitstätige Personen in eine Negativspirale geraten können, bei der stressbedingte Befindensbeeinträchtigungen zu einer mangelnden Erholung führen, die wiederum zu noch stärkeren Befindensbeeinträchtigungen führen kann. Im Verlauf über mehrere Tage oder Wochen sollten entsprechend eine Zunahme von Stressreaktionen und eine Abnahme von Erholungsprozessen zu beobachten sein.

Ziel des geplanten Dissertationsprojektes soll deshalb sein, Erholungsprozesse über den Verlauf von mehreren Arbeitstagen zu untersuchen und die theoretischen Annahmen des Effort-Recovery Models zu prüfen. Es sollen arbeitsbezogene und private Bedingungsfaktoren identifiziert werden, die den positiven oder negativen Verlauf von Erholungsprozessen beeinflussen. Insbesondere sollen kontextuelle wie auch personenbezogene Resilienzfaktoren identifiziert werden, die die postulierten Negativspiralen durchbrechen und Positivspiralen initiieren können. Ein wichtiger privater Kontextfaktor kann hier das Stress- und Erholungserleben des Lebenspartners sein. In vielen Studien wurde bereits gezeigt, dass in Doppelverdienerpaaren sich das Stresserleben wie auch das Erholungserleben eines Partners auf das Befinden des anderen Partners auswirkt, d.h. dass sogenannte Übertragungs- oder Crossover-Prozesse stattfinden (Bakker & Demerouti, 2013; Bakker, Westman, & van Emmerik, 2009; Hahn, Binnewies, & Dormann, 2014; Hahn & Dormann, 2013). Die Betrachtung von Crossover-Prozessen zwischen Partnern und deren Verlauf kann dabei die Untersuchung von individuellen Erholungsverläufen ergänzen.

Zur Untersuchung der geplanten Fragestellung des Dissertationsprojekts bieten sich Untersuchungs-designs mit täglichen Befragungen über eine Arbeitswoche oder mit wöchentlichen Befragungen über einen längeren Zeitraum an. Mittels Latent Growth Modeling (Bollen & Curran, 2006) können solche Verlaufsprozesse ausgewertet werden.

Literatur

Bakker, A. B., & Demerouti, E. (2013). The spillover-crossover model. In J. G. Grzywacz & E. Demerouti (Eds.), New frontiers in work and family research (pp. 54-70). Hove, East Sussex: Psychology Press.

Bakker, A. B., Westman, M., & van Emmerik, I. J. H. (2009). Advancements in crossover theory. Journal of Managerial Psychology, 24, 206-219.

Bollen, K. A., & Curran, P. J. (2006). Latent curve models: A structural equation approach. Hoboken, NY: Wiley.

Hahn, V. C., & Dormann, C. (2013). The role of partners and children for employees' psychological detachment from work and well-being. Journal of Applied Psychology, 98, 26-36.

Hahn, V. C., Binnewies, C., & Dormann, C. (2014). The role of partners and children for employees' daily recovery. Journal of Vocational Behavior, 85, 39-48.

Hahn, V. C., Binnewies, C., & Haun, S. (2012). The role of partners for employees' recovery during the weekend. Journal of Vocational Behavior, 80, 288-298.

Koch, A. R., Hahn, V. C., & Binnewies, C. (2013). Recovery from work stress as an opportunity to foster well-beig and performance. In R. J. Burke, S. Fox & C. L. Cooper (Eds.), Human frailties: Wrong choices on the drive to success (pp. 227-241). Farnham: Gower.

Meijman, T. F., & Mulder, G. (1998). Psychological aspects of workload. In P. J. D. Drenth, H. Thierry & C. J. de Wolff (Eds.), Handbook of work and organizational psychology (Vol. 2, pp. 5-33). Hove, England: Psychology Press.

Sonnentag, S., & Jelden, S. (2009). Job stressors and the pursuit of sport activities: A day-level perspective. Journal of Occupational Health Psychology, 14, 165-181.

Sonnentag, S., Arbeus, H., Mahn, C., & Fritz, C. (2014). Exhaustion and lack of psychological detachment from work during off-job time: Moderator effects of time pressure and leisure experiences. Journal of Occupational Health Psychology, 19, 206-216.

Sonnentag, S., Binnewies, C., & Mojza, E. J. (2008). "Did you have a nice evening?" A day-level study on recovery experiences, sleep, and affect.Journal of Applied Psychology, 93, 674-684.