Leerstand in Mainz – Empirisches Arbeiten im Gelände 2016

Die Übung „M11-ED: Leerstand in Mainz – Empirisches Arbeiten im Gelände I (inkl. 3 Geländetage)“
setzte sich mit der Entstehung von Leerstand in wachsenden Städten und Metropolregionen auseinander. Neben den allgemeinen Gründen und diversen Ursachen für leerstehende Immobilien lag ein Fokus auf den vielfältigen Strategien der Aneignung und Nutzung von Leerstand durch Vereine, bürgerinitiierte Projekte und urbane Kollektive sowie der Umgang mit Leerstand in Stadtplanung und Stadtentwicklung.

Unter Leitung von Gregor Arnold fand ein dreitägiges Blockseminar statt, während welchem die 20 Studierenden einführende Referate hielten. Diese thematisierten beispielsweise

  • Büroleerstand in Frankfurt am Main (vgl. Heeg & Dörry 2009; Belina 2010)
  • die crowdsourcing und web 2.0 Plattform leerstandsmelder.de (vgl. Arnold & Kashlan 2016; Arnold 2015; Oßwald 2015; Höffken, Memmel, Vollmer & Noll 2015; Ziehl 2013)
  • Gentrifizierung und Verwertungszyklen von Immobilien (vgl. Holm 2010; Heeg 2014, 2011; Schipper & Belina 2009; Schipper & Wiegand 2015)
  • rent/value-gap Theorien (vgl. Smith 1979, 1987, 1996).

Darüber hinaus wurden Vorträge über aktuelle Projekte und Umgangsweisen mit Leerstand durch

  • kulturelle Zwischennutzungen (vgl. Oswalt, Overmeyer & Misselwitz 2013; Ziehl, Oßwald, Hasemann & Schnier 2012)
  • Hausbesetzungen (vgl. Kuhn 2014; Holm & Kuhn 2010)
  • Gegenbewegungen und Recht auf Stadt-Bewegungen (vgl. Holm 2009; 2011, 2014; Holm & Gebhardt 2011; Mayer 2011, 2014; Harvey 2003, 2008, 2012, Novy & Colomb 2013; Iveson 2013; Purcell 2015; Vrenegor 2012, 2014; Künkel 2014; Vogelpohl 2012; Schmid 2011; Mullis 2014) und ihre Effekte für Eigentümer_innen, Nutzer_innen und Stadtentwicklung gehalten.

Vorab definiertes Ziel der Übung war es, anhand einer dreitägigen Begehung der Stadt Mainz ein eigenes digitales Leerstandskataster aufzubauen. Hierzu wurden die Innenstadtbereiche Altstadt und Neustadt in 9 Zonen aufgeteilt, die von jeweils zwei Studierenden detailliert untersucht und kartiert wurden. Dazu wurden Informationen wie Adresse des Leerstands, Stockwerk des Leerstands, Art (Wohnungs-, Büro- oder Gewerbeleerstand) und Ausmaß (einzelnes Stockwerk oder gesamtes Gebäude) des Leerstand sowie Fotos aufgenommen. Ebenso wurden kurze Informationsgespräche mit Passant_innen sowie Eigentümer_innen und auch Mitarbeiter_innen der Stadt Mainz geführt.

Nach der Feldarbeit und Kartierungsphase wurden alle Informationen zusammengetragen, mittels statistischer Programme aufgearbeitet und vereinheitlicht und schließlich in ein geographisches Informationssystem (GIS) eingetragen. Das Ergebnis stellt ein digitales Leerstandskataster dar. Darin sind die kartierten Leerstände und die aufgenommenen Informationen adressgenau erfasst und per Fotodokumentation bebildert.

Das Leerstandskataster kann zu jeder Zeit weitergeführt oder neu entwickelt werden, sodass voraussichtlich im WS 2016/2017 eine Neukartierung der Leerstände in Mainz stattfinden wird. Die Visualisierung von Leerständen in zeitlichen Abschnitten hat mehrere Vorteile. Beispielsweise hilft diese Vorgehensweise um eine mögliche Konsolidierung einzelner leerstehender Gebäude frühzeitig zu identifizieren sowie andere Dynamiken in der Leerstandsentwicklungen aufzuzeigen um darauf mit geeigneten Maßnahmen zu reagieren.

 

Arnold, G. (2015): Online-offline strategies of urban movements against vacancies. The crowdsourcing platform Leerstandsmelder.de as a collective and critical mapping tool. In: Observatorio (OBS*) Journal, Special Issue – MediaCity: Spectacular, Ordinary and Contested Spaces: 145-176. Online: http://obs.obercom.pt/index.php/obs/article/view/888

Arnold, G. und B. Kashlan (2016): „Steht das leer?“ Partizipatives crowdsorucing als Basis für ein offenes Leerstandsmanagebent von allen. In: polis - Magazin für Urban Development 2016, 1: 31-36.

Belina, B. (2010): Krise und gebaute Umwelt. Zum Begriff des sekundären Kapitalkreislaufs und zur Zirkulation des fixen Kapitals. In: Z – Zeitschrift für Marxistische Erneuerung, 83: 8-19.

Harvey, D. (2003): The right to the city. In: International Journal of Urban and Regional Research, 27(4), 939-941.

Harvey, D. (2008): The right to the city. New Left Review 53: 23-40.

Harvey, D. (2012): Rebel city: From the right to the city to the urban revolution. London: Verso.

Heeg, S. (2011): Finanzkrisen und städtische Immobilienmärkte. Die räumlichen Auswirkungen in und zwischen Städten. In: Demirovic, A. (Hrsg.): Vielfache Krise im finanzmarktdominierten Kapitalismus. Hamburg: 181-198.

Heeg, S. und S. Dörry (2009): Leerstände und Bauboom. Büroimmobilien nur noch ein Anlageprodukt? In:Forschung intensiv Frankfurt, Vol. 3: 30-36.

Holm, A. (2009): Recht auf Stadt – Soziale Kämpfe in der neoliberalen Stadt. Online: https://gentrificationblog.wordpress.com/2009/07/29/recht-auf-stadt-soziale-kampfe-in-der-neoliberalen-stadt/

Holm, A. (2010): Wir bleiben Alle! Gentrifizierung – Städtische Konflikte um Aufwertung und Verdrängung. Münster: Unrast.

Holm, A. (2011): Das Recht auf die Stadt. Blätter für deutsche und internationale Politik, 8/2011, 89-97. Online: https://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2011/august/das-recht-auf-die-stadt

Holm, A. (2014): Das Recht auf die Stadt in umkämpften Räumen. Zur gesellschaftlichen Reichweite lokaler Proteste. In Gestring, N., Ruhne, R., & Wehrheim, J. (Hrsg.). Stadt und soziale Bewegungen. Wiesbaden: 43-62.

Holm, A. und D. Gebhardt (Hrsg.) (2011): Initiativen für ein Recht auf Stadt. Theorie und Praxis städtischer Aneignungen. Hamburg: VSA.

Holm, A. und A. Kuhn (2010): Häuserkampf und Stadterneuerung. In: Blätter für deutsche und internationale Politik 3/2010: 107-115.

Höffken, S., M. Memmel, M. Vollmer und R. Noll (2015): Kollaboratives Leerstandsmanagement. Analyse kollaborativer Leerstandserfassung am Beispiel der Community-Plattform Leerstandsmelder Kaiserslautern. In: gis.SCIENCE – Die Zeitschrift für Geoinformatik, 2015 (1): 30-39.

Iveson, K. (2013): Cities within the City: Do-It-Yourself Urbanism and the Right to the City. International Journal of Urban and Regional Research, 37(3): 941-956.

Kuhn, A. (2014): Vom Häuserkampf zur neoliberalen Stadt: Besetzungsbewegungen in Berlin und Barcelona. Münster.

Künkel, J. (2014): Städtische soziale Bewegungen. In Belina, B., M. Naumann und A. Strüver (Hrsg.). Handbuch Kritische Stadtgeographie. Münster: 134-140.

Mayer, M. (2011): Recht auf die Stadt-Bewegungen in historisch und räumlich vergleichender Perspektive. In Holm, A., & Gebhardt, D. (Hrsg.): Initiativen für ein Recht auf Stadt. Theorie und Praxis städtischer Aneignungen. Hamburg: 53-77.

Mayer, M. (2014): Soziale Bewegungen in Städten – städtische soziale Bewegungen. In: Gestring, N., Ruhne, R., & Wehrheim, J. (Hrsg.): Stadt und soziale Bewegungen. Wiesbaden: 25-42.

Mullis, D. (2014): Recht auf die Stadt. Von Selbstverwaltung und radikaler Demokratie. Münster.

Novy, J., & Colomb, C. (2013): Struggeling for the Right to the (Creative) City in Berlin and Hamburg: New Urban Social Movement, New ‘Spaces of Hope’? International Journal of Urban and Regional Research, 37(5): 1816-1838.

Oswalt, P., K. Overmeyer und P. Misselwitz (Hrsg.) (2013): urban catalyst: Mit Zwischennutzungen Stadt entwickeln. Berlin.

Oßwald, S. (2015): Kollektiv gegen Leere. Leerstandsmelder.de schafft Transparenz auf Basis lokalen Wissens. In: PLANERIN – Digital vernetzt. Die nutzergenerierte Stadt, 2015 (3): 13-15.

Purcell, M. (2015): Das Recht auf Stadt: Der Kampf für Demokratie in der urbanen Öffentlichkeit. In: dérive. Zeitschrift für Stadtentwicklung, 60. Special Issue: Henri Lefebvre und das Recht auf Stadt: 28-31 und 37-41.

Schipper, S. und B. Belina (2009): Die neoliberale Stadt in der Krise? Anmerkungen zum 35. Deutschen Städtetag unter dem Motto „Städtisches Handeln in Zeiten der Krise“. In: Z – Zeitschrift für Marxistische Erneuerung, 80: 38-51.

Schipper, S. und F. Wiegand (2015): Neubau-Gentrifizierung und globale Finanzkrise. Der Stadtteil Gallus in Frankfurt am Main zwischen immobilienwirtschaftlichen Verwertungszyklen, stadtpolitischen Aufwertungsstrategien und sozialer Verdrängung. In: sub\urban. Zeitschrift für kritische Stadtforschung 3(3): 7-32.

Schmid, C. (2011): Henri Lefebvre und das Recht auf die Stadt. In: Holm, A., & Gebhardt, D. (Hrsg.): Initiativen für ein Recht auf Stadt. Theorie und Praxis städtischer Aneignungen. Hamburg: 25-51.

Smith, N. (1979): Toward a theory of gentrification: A back to the city movement by capital not people. In: Jour-nal of the American Planning Association 45: 538-48.

Smith, N. (1987): Gentrification and the Rent-Gap. In:  Annals of the Association of American Geographers 77(3): 462-465.

Smith, N. (1996): The New Urban Frontier. Gentrification and the revanchist city. New York.

Vogelpohl, A. (2012): Die „unternehmerische Stadt“ und das „Recht auf Stadt“. In: DISS-Journal. Zeitschrift des Duisburger Instituts für Sprach und Sozialforschung 24/2012: 6-7. Online: http://www.diss-duisburg.de/download/dissjournal-dl/DISS-Journal-24-2012.pdf

Vrenegor, N. (2012): Next Stop sell-out City: Urban Activism in Hamburg. In: Eurozine 10/2012. Online: http://www.eurozine.com/articles/2012-09-10-vrenegor-en.html

Vrenegor, N. (2014): Die Stadt von den Rändern gedacht. Drei Jahre Recht-auf-Stadt-Bewegung in Hamburg – ein Zwischenstopp. In: Gestring, N., R. Ruhne und J. Wehrheim (Hrsg.): Stadt und soziale Bewegungen. Wiesbaden: 99-109.

Ziehl, M. (2013): Leerstandsmelder.de – Open (Re-)Source for Open Cities. Zeitschrift für Marxistische Erneuerung 95: 58-64.

Ziehl, M., S. Oßwald, O. Hasemann und D. Schnier (Hrsg.) (2012): Second Hand Spaces. Berlin.